Arbeit im Akkord Weihnachtsbäume werden im Kompostwerk in Niederpleis verarbeitet

Sankt Augustin · So edel und wunderschön ihr Anblick auch ist: Tannen und Fichten aus 180.000 Haushalten der Region werden bis März zu hochwertigem Kompost verarbeitet.

 Zusammen mit dem Biomüll der Region kommen seit Anfang Januar auch Berge an ausrangierten Weihnachtsbäumen ins Kompostwerk Niederpleis.

Zusammen mit dem Biomüll der Region kommen seit Anfang Januar auch Berge an ausrangierten Weihnachtsbäumen ins Kompostwerk Niederpleis.

Foto: Thomas Heinemann

Ob Nordmanntanne oder Nobilis, ob mit echten Kerzen oder schrillem LED-Leuchtfeuer: In der Weihnachtszeit erfreuen bunt geschmückte Christbäume in zahlreichen der 180 000 Haushalte im Rhein-Sieg-Kreis ihre Betrachter. So edel und wunderschön ihr Anblick, so nüchtern ist das, was ihrem Gastspiel im heimischen Wohnzimmer folgt. Noch lange vor Ende der Weihnachtszeit am 2. Februar landen die Tannenbäume im Biomüll bei der Rhein-Sieg-Abfall-Wirtschaftsgesellschaft (RSAG).

Und das immer früher, sagt Silvio Busch, Leiter der RSAG-Kompostwerke Rhein-Sieg am Standort Niederpleis: „Früher kamen die meisten Bäume Anfang bis Mitte Februar. In diesem Jahr waren die ersten Bäume bereits am 2. Januar in den Sammelfahrzeugen für Biomüll.“

Tannenbäume, die nicht mehr vor Weihnachten verkauft wurden, werden meist direkt angeliefert, erklärt Busch, der derzeit alle Hände voll zu tun hat. Denn während der vegetationsarmen und eher ruhigen Wintermonate sorgt die jährliche Weihnachtsbaumabfuhr für Arbeit im Akkord: Im Minutentakt fahren die orangefarbenen Sammelfahrzeuge aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis vor.

In einer großen, geruchsgeschützten Halle mit Luftfiltertechnik schütten die Fahrzeuge die gepressten Bäume zusammen mit dem in Biotonnen gesammelten Müll ab.Nur wenige Minuten verharren die dampfenden, faulig und zugleich nach Tannenduft riechenden Berge, ehe ein Radlader sie packt und in den sogenannten „Biber“ steckt.

„Im Schredder wird der gesamte Biomüll für die weitere Verarbeitung vorzerkleinert“, sagt Michael Bienert, der die Kompostierungsanlage wie seine Westentasche kennt: „Die Maschine hackt alles in handliche Stücke, die dann weiter sortiert werden können. Als erstes kommt der Biomüll in die rotierende Siebtrommel.“

Was nüchtern klingt, vermag Außenstehende zu erschrecken: Schier unglaubliche Mengen an Altmetall, Plastik, Hausmüll, Lebensmittelverpackungen, Tüten, Spielwaren und sogar Elektrogeräte durchziehen den angelieferten Biomüll – und das trotz Aufklärungsarbeit vom Grundschul- bis zum Erwachsenenalter sowie regelmäßiger Tonnenkontrollen durch die RSAG. „Es ist wirklich alles dabei, was man sich nur vorstellen kann,“ zeigt Michael Bienert ernüchternd den kunterbunten schimmernden Berg aussortierter Fremdstoffe.

Grob- und Feinkompost für die Landwirte

Was die automatische Siebtrommel mit Magneten nicht erfasst, wird im nachfolgenden Sortierraum unter einer riesigen Dunstabzugshaube von zwei Mitarbeitern per Hand nachsortiert. Mit geübtem Blick fischen sie heraus, was andere unbedarft oder absichtlich falsch entsorgt haben. Adventskränze und komplett geschmückte Adventsgestecke, die mit Draht oder Kunststoff gebunden sind, füllen ihre Sammelboxen, aber auch zahlreiche Plastikverpackungen von Lebensmitteln. Was diese Station passiert, landet im Feinschredder für die Kompostierung.

Ob fauler Kohlkopf oder dicker Baumstamm: Krachend und knirschend wird dort der Biomüll von massiven Walzen zermahlen, die ausgerechnet an Äpfeln und Orangen manchmal zu kämpfen haben: „Die kullern schon mal eine Weile auf den sich drehenden Walzen herum, bis der Schredder sie packt.“ Der dort erzeugte Brei wird über ein Netzwerk von archimedischen Schnecken in die jeweiligen Rotteboxen transportiert.

Mithilfe von Luft, etwas Wasser und Milliarden von Mikroorganismen wird der Biomüll bei Temperaturen von bis zu 90 Grad binnen 35 Tagen zu hochwertigem Kompost umgesetzt – ein kraftvoller und wertvoller Rohstoff, so Bienert mit Blick auf die großen Kompostberge: „Bevor wir den Kompost verkaufen können, muss er mehrfach gesiebt werden, um restliches Plastik zu entfernen.

Dann geht er als Grob- und Feinkompost direkt an die Landwirte, die ihn auf den Feldern verstreuen. Für den heimischen Garten wäre er viel zu stark. Im Prinzip ist unser Kompost ein leistungsstarker Dünger.“ Mit Erde gemischt wird er als Schütt- oder Sackware für den heimischen Garten aufbereitet. So könnte der Weihnachtsbaum vom Dezember in neuer Form im März schon wieder für die Aufzucht des Sommergemüses genutzt werden.

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