Geräuschemacher aus Sankt Augustin Die Illusion entsteht am Mischpult

Sankt Augustin · Andy Muhlack produziert mit seinen raffinierten Geräuschen für Hörspiele Filme im Kopf. Die Illusionen entstehen dabei am Mischpult. Bei ga-bonn.de gibt's einige Sounds auch zum Anhören.

 Daniela Bette-Koch spricht ihren Text nach den Regieanweisungen von Andy Muhlack.

Daniela Bette-Koch spricht ihren Text nach den Regieanweisungen von Andy Muhlack.

Foto: Paul Kieras

Schüsse peitschen durch den Raum, Kugeln zischen kaum hörbar an den Ohren vorbei, bohren sich mit einem dumpfen Platschen in Wände, der Schlagbolzen der Waffe, der auf die Patrone trifft, knallt mit metallischem „tock, tock, tock“, und leere Hülsen klingen beim Aufprall auf den Steinboden, über den sie hüpfen, wie Glöckchen. Man möchte sich wegducken, fühlt sich mitten in einer wilden Schießerei oder an einem Kriegsschauplatz. Zum Glück besteht keine Gefahr, denn es sind nur Geräusche, die aus den Lautsprechern im Tonstudio von Andy Muhlack in Niederpleis kommen.

Der Sounddesigner hat das akustische Horrorszenario aus verschiedenen „Sounds“ für ein Krimihörspiel am Mischpult zusammengemixt. Aus rund 150 000 Dateien, archiviert in sogenannten Sound Effects Libraries, kann er auswählen. Rund 20 000 davon hat er selbst im Freien oder in Räumen mit einem portablen Aufnahmegerät eingefangen oder nach eigenen Vorstellungen kreiert. Die Palette reicht vom Tassenklappern bis zum Stimmengewirr auf einem Bahnhof. Hilfreich sei dabei seine Fähigkeit, auch Details zu hören, sagt der 46-Jährige. Er kann Geräusche, die andere vielleicht gar nicht wahrnehmen, „filtern“ und sie wie ein Puzzle neu zusammensetzen.

„Es gibt nicht nur das eine Geräusch“, sagt der Fachmann, der oft stundenlang an einem Geräusch tüftelt, bis es seinen Vorstellungen entspricht. Manchmal muss er auch Geräusche „erfinden“, weil sie in der Realität gar nicht existieren oder er sie nicht nachstellen kann. So hat er das Werfen eines leblosen Körpers auf den Boden und das Wegschleifen mit einem Kissen simuliert, an das er ganz nahe ein Mikrofon gehalten hat.

Das Ergebnis ist schaurig-schön, selbst das Knirschen von kleinen Steinchen ist zu hören. Die Kunst besteht laut Muhlack darin, alles authentisch erscheinen zu lassen. So machte er für die Hörspielproduktion „Der kleine Drache Kokosnuss“, die bereits eine Millionen Mal verkauft wurde, mit Hilfe eines Ledertuchs den Flügelschlag des Fabeltiers nachvollziehbar. „Es ist die Vielzahl an Geräuschen, die eine Stimmung und Atmosphäre erzeugt oder einen Ort beschreibt“, sagt er. Denn erst Laute, Töne, Klang und Musik, die er ebenfalls komponiert, hauchten einem Hörbuch oder Hörspiel Leben ein, ließen einen Film im Kopf des Hörers entstehen, erklärt der Autodidakt, der mit der Produktion eines Radiospots für das ehemalige Lokal „poco loco“ in Siegburg Anfang der 1990er Jahre seine Karriere begann.

Muhlack gibt ein Beispiel: Im Drehbuch – das er immer selbst schreibt – spielt eine Szene in der Küche eines Altbaus. „Ich muss mir also überlegen, wie ich dem Hörer diesen Ort, den er nicht sehen kann, akustisch vermittele.“ Ein alter Kühlschrank surrt im Hintergrund, durch das geschlossene Fenster ist eine vorbeifahrende Straßenbahn zu hören, Holzstühle werden gerückt und der Klang muss einen kleinen aber hohen Raum suggerieren. Ganz wichtig bei der Produktion ist das Briefing der Sprecher, deren Sprachbeiträge zunächst „nackt“ aufgenommen und dann später mit der Musik und den Geräuschen gemischt werden.

Vorher hat Muhlack genau festgelegt, wie sich etwas anhören soll. Die Entstehung des „Basismaterials“ demonstriert er bei einer Szene mit der Schauspielerin Daniela Bette-Koch, die schon für einige Sprechrollen von ihm ausgesucht wurde. Ihre Stimme klingt im Tonstudio sehr steril. Sie weiß, an welchem Ort und in welcher Umgebung die Szene spielt. Damit sie sich besser in ihren Part hineinfinden kann, liest Muhlack den Text des Gesprächspartners, der später separat eingespielt wird. „Wenn es jetzt um einen Dialog neben einer Autobahn ginge, müsste Daniela der Umgebung angepasst laut sprechen “, erklärt Muhlack.

Anschließend spielt er zum Vergleich eine schon fertig geschnittene Szene vom Band ein. Bette-Koch klingt jetzt wie die Roboterstimme aus einem Science-Fiction-Film – und das soll sie auch. Dank des Geräuschemachers mit dem guten Gehör und Gespür für Stimmung, Atmosphäre und Spannung ist die Illusion perfekt gelungen.Zwischenüberschrift

Zum Anhören: So klingt...

Und so klingen...

Und jetzt alles zusammen:

(Quelle der Audio-Dateien: M!music Muhlack & Sünner Musikproduktions-GbR)

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