Serie "Augustiner Köpfe" Boxer, Sankt Martin, Büttenredner: Hein Mück erinnert sich

SANKT AUGUSTIN · Hein Mück gehört zu den großen Originalen in Sankt Augustin. Als Boxer betritt er 370 Kämpfe und errang Meistertitel. Als Sankt Martin und Nikolaus erlebten ihn Generationen von Kindergartenkindern und Grundschülern.

 Pokale, Bilder, Souvenirs: Zu jedem Erinnerungsstück kann Hein Mück eine Geschichte erzählen.

Pokale, Bilder, Souvenirs: Zu jedem Erinnerungsstück kann Hein Mück eine Geschichte erzählen.

Foto: Monika (FM) Zierden

Er hat 24 Länder besucht, und die kann er in einer Geschwindigkeit aufzählen, da hat mancher noch nicht bis zehn gezählt. Heinz „Hein“ Mück reiste während seiner 18-jährigen Boxer-Karriere kreuz und quer durch Europa, Nordafrika und Asien. Selbst nach der Sportlerkarriere blieb er nicht nur zu Hause und ist auch heute oft zu Besuch bei Freunden im Ausland. In der Welt kennt man ihn als Boxer, in Sankt Augustin eher aus seiner 27-jährigen Zeit als Sankt Martin. Und den Nikolaus gab er mit Unterbrechungen sogar rund 40 Jahre lang.

„Um den Leuten Freude zu machen“, begründet der 76-Jährige sein Engagement in zahlreichen Kindergärten, Schulen und Altenheimen. „Das Strahlen der Augen ist wunderschön.“ So stand er auch etwa 140 Mal in der Karnevalsbütt und unterstützte 30 Jahre lang den Karnevalsempfang im Siegburger Kreishaus als Zeremonienmeister. Die Zeit der Ehrenämter begann nach der Zeit im Boxring, und das eher durch Zufall. Als er seine Tochter Simone zum Martinszug in die Schule begleitete, traf er auf den damaligen Sankt Martin, Vizelandrat Fritz Becker. Beide kamen über die gemeinsame Bekanntschaft zu Pferdebesitzer Ernst Abraham aus Krahwinkel ins Gespräch. Mück ging davon aus, dass die Aufforderung, als Sankt Martin beim Zug mitzumachen, „Jux und Tollerei“ gewesen sei. Doch ein Jahr später kam der Anruf. „Hein, komm die Klamotten holen“, habe Becker gesagt, und wenn er ihn imitiert, muss Mück sich das Lachen verkneifen.

Die „Klamotten“ zog er an, aber sie gefielen ihm nicht wirklich. In den folgenden Jahren kaufte er Accessoires dazu, seine Frau Marlies änderte manches und die Raiffeisenbank finanzierte ein neues Wams, eine Mischung aus Weste und Jacke. Geblieben ist bis heute das aus Kordel gestrickte Kettenhemd des Sankt Martin. „Das war das Schärfste“, sagt Hein Mück. An dem Kettenhemd befindet sich ein Stempel mit Reichsadler. Das zeige eindeutig, aus welcher Zeit es stamme.

Zeitweise tourte der ehemalige Boxer durch acht Kindergärten. „Wo ich einmal war, kam ich auch öfter hin.“ Seine Töchter machten Werbung. So sprang er als kurzfristiger Ersatz in Siegburg-Kaldauen ein, wobei Mück der Einsatz als gebürtiger Siegburger gerade dort nicht schwer fiel.

Wenn er erzählt, folgt eine Anekdote der nächsten. „Oh, da fällt mir was ein“: Mück hatte auf dem Gut von Peter Böckem reiten gelernt, auf einem Belgier namens Markur. Jedoch wäre er bei seiner Sankt-Martin-Premiere beinahe im Graben gelandet. Am Holzweg, wo das Feuer aufgebaut war, hatte im Frühjahr ein Zirkus gestanden, und wo der Zeltmast gestanden hatte, klaffte ein Loch. Das Pferd trat hinein, und er rutschte aus dem Sattel nach vorne. Das Tier erschrak jedoch, riss den Kopf hoch, und in dem Moment kam Mück wieder zurück in den Sattel. „So eine Niederlage – das wäre mir in all den 18 Boxjahren nicht passiert.“

Seine lange linke Gerade war gefürchtet

Seine Spezialwaffe im Ring: eine lange linke Gerade. Und meist schickte er die rechte Faust hinterher. „Ich war Techniker, kein K.o.-Schläger.“ So bestritt Mück insgesamt 370 Kämpfe, davon gingen 18 unentschieden aus, 27 verlor er. Entsprechend zählt Hein Mück 325 Siege, wozu nennenswerte Titel gehören: 1962 Nato-Europameister, 1963 Militär-Weltmeister, 1967 Deutscher Meister im Halbmittelgewicht. Den Olympia-Pass hatte er schon in der Tasche, da schied er verletzungsbedingt aus. „Das hat leider nicht geklappt.“ Die Enttäuschung ist noch spürbar.

Das Boxen hatte ihn schon als kleinen Jungen interessiert. „Wir haben uns am Fenster die Nasen platt gedrückt.“ Mit seinen Eltern wohnte er damals an der Aulgasse, 150 Meter vom Jägerhof entfernt, wo der Siegburger Box Club 21 trainierte. „Meinem Freund Heinz-Walter Lehmbach habe ich alles zu verdanken.“ Dieser hatte den Kontakt zum Verein hergestellt, wo Mück mit neun Jahren anfing zu trainieren. In der Zeit bei der Bundeswehr wurde aus Heinz Mück „Hein Mück“ nach dem Lied von Hans Albers. Hier wurde er auch gefördert und für die Meisterschaften trainiert. Der gelernte Maschinenschlosser schulte später zum Lager- und Versandleiter in einer Süßwaren- und Spirituosenfirma um. Um mehr Zeit fürs Training und die Vorbereitung zur Teilnahme bei Olympia hatte er seine Tankstelle in Sankt Augustin-Mülldorf verkauft.

Neben den Kämpfen, die Hein Mück noch einzeln aufzählen kann und zu denen er alle Zeitungsartikel und Mitschriften verwahrt hat, gab es vor allem einen Höhepunkt: 1967 war er mit der Deutschen Nationalmannschaft bei einer Papst-Audienz: „Da waren wir von den Socken.“ An diese „schönen Zeiten“ und an Begegnungen auch mit Max Schmeling und Henry Maske erinnert er sich gerne. Den Kontakt zur Boxszene hält er weiter, und dazu trifft er sich mit seinen Freunden vom Bonner Box-Club, den er häufig als Gastboxer unterstützte.

Nach seiner aktiven Laufbahn war er als Trainer und Ringsprecher im Einsatz. Heute ist er Ehrenvorsitzender im Siegburger Box-Club und Ehrenmitglied im Mittelrheinischen Amateur-Box-Verband. Im November 2001 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 2005 das Ehrenwappen der Stadt Siegburg.

Und wenn Hein Mück erzählt, ist es eine Reise in eine Welt aus Boxsport, Kämpfen, Ehrenamt – und Freude pur.

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