Flüchtlingsintegration in Sankt Augustin Ausflug mit der Aktion „Neue Nachbarn“

Sankt Augustin · Die Aktion „Neue Nachbarn“ in Mülldorf lädt Flüchtlinge zu einem Ausflug ins Siebengebirge auf die Löwenburg ein.

Gut in Form zeigen sich die syrischen Flüchtlinge auf ihrer Wanderung mit der Aktion „Neue Nachbarn“ aus Sankt Augustin.

Gut in Form zeigen sich die syrischen Flüchtlinge auf ihrer Wanderung mit der Aktion „Neue Nachbarn“ aus Sankt Augustin.

Foto: Hannah (FM) Würbel

Manche Begeisterung steckt an, unabhängig vom Thema. „Stellt mir mal eine Rechenaufgabe”, bittet der elfjährige Aladdin aufgeregt die Wandergruppe, als alle in der Straßenbahn 66 in Richtung Königswinter sitzen. Der junge Syrer und seine Brüder freuen sich auf den Ausflug ins Siebengebirge, doch anstatt sich auf der Bahnfahrt zu langweilen, wollen sie rechnen. Vom kleinen Einmaleins bis hin zu komplexeren Rechnungen. Ungewöhnlich?

Ungewöhnlich ist für manch einen vielleicht die Gruppe, die sich auf Einladung der Aktion „Neue Nachbarn“ aus Sankt Augustin-Mülldorf auf den Weg ins Siebengebirge macht und Buggys den Berg hinaufschiebt.

Viele Familien mit Kindern sind gekommen, das Jüngste erst acht Monate alt. Die meisten von ihnen sind aus Syrien geflohen und nun seit etwa einem Jahr in Sankt Augustin. Ein paar andere sind hier aufgewachsen, kennen die Gegend und kamen bisher mit Flucht und Vertreibung kaum in Berührung.

Während die Kinder während der Fahrt rechnen und raten, welche Farbe die nächste U-Bahn-Haltestelle in Bonn hat, erzählen sie von der Schule. „Da habe ich von acht Uhr morgens bis abends nur andere Kinder um mich herum, die Deutsch mit mir sprechen“, berichtet Aladdin, der genau wie seine Brüder nach einem Jahr schon fast fließend Deutsch spricht.

„Das lernt man schnell“, sagt er. Seinem Vater hingegen fällt es schwer, Deutsch zu sprechen. Hin und wieder holt er sich Unterstützung bei seinen Kindern. Aladdins Mutter hingegen schüttelt den Kopf. Sie musste sich bisher um den acht Monate alten Sohn kümmern, da blieb keine Zeit für einen Sprachkursus.

Suhila Nabo ist 39 Jahre alt und auch seit etwa einem Jahr in Deutschland. Wenn sie von ihren vier Kindern spricht, strahlt sie. Ihre 19-jährige Tochter ist mittlerweile verheiratet, ihre 17-jährige bereits verlobt. In dem Alter hat die 39-Jährige selbst geheiratet, für sie ist das nicht erstaunlich. Hier in Deutschland dagegen prallen manchmal Welten aufeinander.

Allerdings nicht beim Wandern, das können alle. Weil es immer aber fußstärkere und -schwächere gibt, sind zwei Gruppen auf unterschiedlich schwierigen Strecken unterwegs. Das Ziel bleibt gleich: die Löwenburg. Besonders für die Kinder ist ein umgestürzter Baum oder steiler Abhang kein zu großes Hindernis. Auch in Syrien gebe es Berge, sogar viel höhere, erklären sie. Da kann das Siebengebirge wohl kaum mithalten.

Ashraf Matar, 34 Jahre alt, stammt auch aus Syrien. Der ausgebildete Architekt sagt zwar, sein Deutsch sei noch nicht gut genug, und er fällt immer wieder ins Englische zurück, aber er kann schneller als so mancher Deutscher die grammatikalische Form eines Wortes bestimmen. Auch die politische Situation in Deutschland verfolgt Matar interessiert.

Für ihn könnten die Flüchtlinge allerdings auch öfter einmal persönlich gefragt werden. „Es wäre schön, wenn die Menschen mal nicht nur über uns, sondern mit uns reden.“ Oft würden nur die negativen Seiten gesehen. Dass sich viele aber trotz aller Probleme bemühten, sich zu integrieren, werde dagegen ignoriert.

Dann, nach ein paar Stunden und vielen Gesprächen, ist bei strahlendem Sonnenschein die Löwenburg endlich erreicht. Eine Familie hat sogar gesüßten Tee, Fladenbrot mit Hähnchenfleisch und Orangensaft für die ganze Gruppe mitgebracht – ein Festessen mit Panoramablick. Da ist man bald wieder gestärkt.

Und spätestens als die Kinder mit lautem Lachen den Berg wieder hinunterlaufen, sind auch die letzten müden Geister nach dem vorangegangenen Anstieg auf die Burgruine wieder wach. Auf die Frage, ob sie nicht langsam erschöpft seien, antworten die Kinder nur, der Ausflug könne gar nicht lang genug sein. Müdigkeit ist ihnen kaum anzumerken.

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