Nahverkehr in der Region Rhein-Sieg-Kreis sucht Lösung für günstigere Tickets

Rhein-Sieg-Kreis · Fahrgäste im VRS-Gebiet sollen ab 2022 nicht mehr draufzahlen. Der Ausschuss für Planung und Verkehr des Rhein-Sieg-Kreises hat über eine künftige Finanzierung diskutiert.

Eine Bahn der Linie 66 steht an der Haltestelle in Sankt Augustin. Über die Finanzierung des Nahverkehrs wird derzeit diskutiert.

Eine Bahn der Linie 66 steht an der Haltestelle in Sankt Augustin. Über die Finanzierung des Nahverkehrs wird derzeit diskutiert.

Foto: MEIKE BÖSCHEMEYER/MEIKE BÖSCHEMYER

Um die künftige Finanzierung des Nahverkehrs ist eine Debatte entbrannt. Bislang hat der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) die Tarife stetig erhöht, um steigende Kosten für Infrastruktur und Angestellte auszugleichen. Ab 2022 sollen die Fahrgäste jedoch nicht mehr kontinuierlich draufzahlen, beschloss die Verbandsversammlung. Die beiden VRS-Geschäftsführer Michael Vogel und Norbert Reinkober sprachen aus diesem Grund am Dienstagabend im Planungs- und Verkehrsausschuss des Kreises über die künftige Finanzierung, was zu einer regen Diskussion unter den Politikern führte.

Rund 65 Prozent der Betriebskosten finanziert der VRS durch Fahrkartenerlöse (680 Millionen Euro im Jahr). Den Rest steuern überwiegend die Kommunen bei, im Rhein-Sieg-Kreis waren es 2018 rund 30 Millionen Euro.

„Die Tarife sind zu hoch und für viele nicht transparent“

Die Ausschussmitglieder waren sich einig, dass die Fahrgäste nicht weiter belastet werden sollen. „Die Tarife sind zu hoch und für viele nicht transparent“, sagte Dietmar Tendler (SPD). Der Preisanstieg im VRS-Gebiet zum Jahresbeginn um durchschnittlich 2,5 Prozent hatte die Verbandsversammlung mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen, 2021 steigen die Abo-Preise noch einmal um 2,5 Prozent. Ohne diese Erhöhungen kämen Mehrkosten von 4,1 Millionen Euro auf den Rhein-Sieg-Kreis zu, rechnete Vogel vor. „Die Finanzierung muss angepasst werden“, sagte er. Möglicherweise durch öffentliche Mittel. Allerdings steht im Etat der Kommunen bislang nicht mehr Geld für Nahverkehr bereit. Der Geschäftsführer sagte daher: „Die politische Zielsetzung und die Beschlusslagen der Gremien sind nicht konsistent.“

Ein weiteres Problem ist die Infrastruktur. „Wir können uns es derzeit nicht erlauben, die Preise zu erhöhen, weil das Angebot nicht stimmt“, sagte Michael Schroerlücke (Grüne). „Es fehlt hinten und vorne an der Infrastruktur“, sagte auch Oliver Krauß (CDU).

Reinkober bestätigte das: „Wir müssen massiv in den Ausbau gehen und dort investieren.“ Er nannte ein Beispiel: 2015/16 sei die Zahl der Fahrgäste aufgrund von zusätzlichen S-Bahnen in Köln um 7,6 Prozent gestiegen. Allerdings hatte dies 28 Prozent mehr Verspätungen zur Folge, weil die insgesamt volleren Züge länger an den Bahnsteigen halten mussten.

„Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir ein Nutzer- oder ein steuerfinanziertes System?“, fragte Krauß. Tendler nahm den Bund in die Pflicht: „Mit den Mitteln, die wir jetzt haben, kommen wir nicht zurecht.“ Krauß will „den Rückenwind nutzen“, der durch die Klimadebatte kommt, und auch für Tendler ist die Zeit zum Handeln gekommen: „Wir müssen neue Wege finden.“

„Wir müssen weg von einer Nutzerfinanzierung“

Welche das sind, ist noch offen. Vogel stellte das „Wiener Modell“ vor. Österreichs Hauptstadt investiere jährlich rund 500 Millionen Euro in den ÖPNV, finanziert werde dies unter anderem durch eine Parkraumbewirtschaftung. 2012 sei die Parkgebühr um 66 Prozent erhöht worden. Doch was für Städte wie Bonn oder Köln noch umgesetzt werden könnte, funktioniert im Rhein-Sieg-Kreis wegen seiner großen Fläche nicht. „Das hilft uns im Ländlichen nicht weiter“, verdeutlichte Friedrich Wilhelm Kuhlmann (FDP), für den das Thema jedoch „nach ganz oben auf die politische Agenda“ gehört.

Eine weitere Idee: die Nutznießerfinanzierung. Dahinter verbirgt sich in Wien eine sogenannte Dienstgeberabgabe. Nahezu alle Arbeitgeber sind demnach verpflichtet, für jeden Mitarbeiter zwei Euro pro Woche als Abgabe für den Nahverkehr („U-Bahn-Steuer“) zu entrichten. Der VRS betonte, dass für eine solche Arbeitgeberabgabe in Deutschland noch die Rechtsgrundlage fehle.

„Wir müssen weg von einer Nutzerfinanzierung hin zu einer breiteren Finanzierung“, fasste Ausschussvorsitzender Ingo Steiner (Grüne) zusammen und fügte an: „Die rechtliche Grundlage muss geschaffen werden, ebenso die Voraussetzungen bei den Arbeitgebern.“ Bis eine Lösung für 2022 gefunden ist, wird das Thema die Politik noch häufiger beschäftigen. „Wir haben noch viel vor uns“, sagte Steiner.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort