Anwohner stoppen Politiker Niederkasseler Straße bleibt nach Hitler-Verehrerin benannt

Niederkassel · Eigentlich wollte der Hauptausschuss die Agnes-Miegel-Straße in Niederkassel umbenennen. Doch auf Wunsch der Anwohner legt das Gremium den Plan jetzt zu den Akten.

 Die Agnes-Miegel-Straße in Lülsdorf sorgt für kontroverse Diskussionen. Sie wird nun nicht umbenannt.

Die Agnes-Miegel-Straße in Lülsdorf sorgt für kontroverse Diskussionen. Sie wird nun nicht umbenannt.

Foto: Martina Welt

Aus der Agnes-Miegel-Straße sollte die Helene-Weber-Straße werden. Ein entsprechender Beschlussvorschlag lag dem Hauptausschuss am Donnerstagabend vor, und offenbar hatte es interfraktionell dazu bereits eine Einigung gegeben.

Doch die Politiker hatten ebenso wie die Verwaltung ihre Rechnung ohne die Anwohner der Agnes-Miegel-Straße gemacht. Drei von ihnen war stellvertretend anwesend und zeigten sich empört angesichts des Vorhabens der Stadt, ihre Straße umzubenennen. Das wird nun doch nicht so sein. Der Ausschuss beschloss mit einer Gegenstimme, dass es so bleibt, wie es ist. Am Straßenschild soll allerdings ein Zusatzschild angebracht werden, das darauf hinweist, dass die Heimatdichterin Agnes Miegel in ihren Gedichten den Nationalsozialismus verherrlicht und Adolf Hitler verehrte.

Agnes Miegel blieb auch nach 1945 NS-Ideologie verbunden

Schon im Jahr 1996 wurde die einstige Planstraße F nach der ostpreußischen Heimatdichterin Agnes Miegel benannt. Der Vorschlag dazu kam damals von der SPD, wie Fraktionsvorsitzender Friedrich Reusch im Ausschuss mehrfach zugab. Was ihm dabei jedoch nicht klar gewesen sei, war die Verbundenheit der Dichterin mit dem Nationalsozialismus, von dem sie sich Zeit ihres Lebens nicht distanziert hatte. Das störte bis vor einigen Monaten niemanden, denn das Straßenschild wurde erst mit den Erschließungsarbeiten und dem Bezug der ersten Häuser dort installiert.

Ein Bürger der Stadt habe das Schild entdeckt und die Verwaltung auf die Problematik aufmerksam gemacht, heißt es weiter in der Verwaltungsvorlage. Und: „Die Verwaltung ist der Ansicht, zur Vermeidung weiterer Diskussionen um das Geschichtsbild der Agnes Miegel die Straße umzubenennen.“ Dieser Position schlossen sich die Fraktionen an und einigten sich zunächst auf die Umbenennung nach Helene Weber, eine Bonner Sozialpolitikerin, die Mitglied des Parlamentarischen Rates und somit Mitbegründerin der Bundesrepublik Deutschland war. In die entsprechende Debatte im Hauptausschuss mischte sich Agnes Wunderlich von den Zuschauerrängen ein. Nachdem Bürgermeister Stephan Vehreschild die Sitzung unterbrochen hatte, bekam die Anwohnerin der Agnes-Miegel-Straße Rederecht.

Anwohner sprechen sich für Beibehaltung des Namens aus

„Wir wohnen seit gut einem halben Jahr mit insgesamt zehn Familien in der Straße, und keine der Familien stört der Name“, führte sie aus. Man sei sich einig, dass der Name bleiben solle, schließlich seien deutschlandweit 87 Straßen nach Agnes Miegel benannt. „In unserer Straße leben viele Kulturen wie Türken, Italiener, Polen und Thailänder“, Probleme gebe es keine. Im Fall einer Namensänderung müsse man Banken verständigen, den Kaufvertrag des Hauses beim Notar ändern lassen, Kita-Anträge umändern und Nachsendeanträge stellen. Neben viel Arbeit sei das auch kostspielig. „Das ist nicht zumutbar für die Anwohner“, stellten René und Agnes Wunderlich klar. Die gesamte Straße sei bewohnt, und man sei geschlossen der Meinung, dass der Straßenname vertretbar sei.

Sie erinnerten zudem an eine telefonische Nachfrage nach dem Straßennamen im Jahr 2015, woraufhin man ihnen gesagt habe, dass der seit fast 20 Jahren festgeschrieben sei und alles schon seine Richtigkeit habe. Dass dem nicht so ist, stellte Vehreschild klar. „Es ist unstrittig, dass Agnes Miegel Hitler bis zu ihrem Tod glühend verehrt hat“. Das sei der Grund für die angestrebte Änderung des Straßennamens.

Offenbar beeindruckt von der Vehemenz, mit der sich die Anwohner gegen die Änderung wehrten, machte der CDU-Fraktionschef Marcus Kitz den Anfang zur Kehrtwende. „Angesichts der Einstimmigkeit möchten wir das Thema zu den Akten legen“, formulierte er. Er forderte jedoch, eine ergänzende Erklärung unter dem Straßenschild anzubringen. Wichtig sei es, bei der gefassten Meinung zu bleiben, auch wenn ein weiterer Spaziergänger das Straßenschild moniere. „Das massive Engagement der Anwohner hat mich auch beeindruckt“, schloss sich Reusch an. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Anette Wickel führte aus, dass sich ihre Fraktion aus praktischen Gründen der Anwohner-Argumentation anschließe. Für Barbara Schlüter, Fraktionschefin der Grünen, solle die Debatte Anreiz sein, „dass wir uns nicht in ähnliche Versuchung führen lassen“ wie die Heimatdichterin in ihrer Zeit. Die Diskussion zeige aber auch, dass sich das Bewusstsein in den letzten zehn Jahren geändert habe.

Einen Streit um den Namen Agnes-Miegel-Straße hatte es 2011 auch in Sankt Augustin gegeben. Dort verständigten sich Verwaltung, Politik und Anwohner letztlich darauf, den Namen beizubehalten und am Straßenschild ein Zusatzschild mit entsprechenden Hinweisen zu Agnes Miegel anzubringen.

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