Profanierte Gotteshäuser Im Rhein-Sieg-Kreis stehen kaum Kirchen leer

Rhein-Sieg-Kreis · Im Rhein-Sieg-Kreis sind profanierte Kirchen bisher die Ausnahme. Dennoch diskutieren Katholiken und Protestanten darüber, wie die Gotteshäuser trotz schrumpfender Gemeinden weiter genutzt werden können.

 In der Klosterkirche Geistingen hatten sich zwischenzeitlich Koch-Events ereignet. Inzwischen finden dort wieder Gottesdienste statt.

In der Klosterkirche Geistingen hatten sich zwischenzeitlich Koch-Events ereignet. Inzwischen finden dort wieder Gottesdienste statt.

Foto: Ingo Eisner

Eine Kirche mit Schwingboden und Basketballkörben wie die zur Schulturnhalle umgebaute Kirche St. Elisabeth in Münster findet man im Rhein-Sieg-Kreis noch nicht. Anders als im Ruhrgebiet tauchen auch nicht Gotteshäuser samt Turm und Pfarrheim in den Immobilienanzeigen auf. Trotzdem denken die katholischen und evangelischen Gemeinden in der Region darüber nach, wie die Kirche bei sinkenden Mitgliederzahlen im Dorf bleiben kann.

Flankiert wird das Ganze vom Projekt „Zukunft – Kirchen – Räume“ der Landesinitiative Baukultur NRW, die neue Nutzungskonzepte zur Diskussion stellt. Speziell mit den Kirchenbauten der Moderne beschäftigt sich außerdem die Wanderausstellung „Fluch und Segen“ des Museums für Architektur und Ingenieurkunst NRW, die nach der Eröffnung in Köln zurzeit in Gelsenkirchen Station macht. Dort gibt es Beispiele für umgenutzte Kirchen zu sehen.

Respekt vor der Bausubstanz

Die Niederländer waren Vorreiter. Seit 15 Jahren pilgern Architekturfans nach Maastricht, um sich das Kruisherenhotel in einem ehemaligen Kloster aus dem 15. Jahrhundert oder die Buchhandlung Dominicanen in der ältesten gotischen Kirche des Landes anzusehen. Dort haben die Architekten vorgemacht, wie man eine neue Nutzung in einen Kirchenraum setzt, die Abstand zur Substanz hält und das Vorgefundene nicht verändert.

Warum das nötig ist, zeigt ein Beispiel aus der Region. Das 1902 erbaute Redemptoristen-Kloster in Hennef-Geistingen wurde 2006 profaniert und zu Wohnungen umgebaut. Die Klosterkirche wurde für Kochevents und Kulturveranstaltungen genutzt. Inzwischen sind die Einbauten wieder verschwunden: Seit die freie evangelisch-lutherische Brüdergemeinde die Klosterkirche Ende 2018 übernommen hat, finden dort wieder Gottesdienste statt.

Keine Predigt mehr

Ende 2019 wurde die evangelische Erlöserkirche in Siegburg als regelmäßige Predigtstätte geschlossen, die Räume auf dem Brückberg werden aber weiter von Gruppen genutzt. Es ist eine der ersten Gemeindekirchen, für die ein langfristiges Konzept, zum Beispiel als Stadtteilzentrum, gesucht wird.

Die Klosterkirchen der Region haben mehr Wechsel hinter sich, zum Beispiel die Pallottikirche in Rheinbach. Das 1972 eingeweihte Gotteshaus war Teil des patresbetriebenen Vinzenz-Pallotti-Kollegs. Das Gymnasium ist seit 2016 geschlossen, die Kirche wird weiter für Gottesdienste und Konzerte genutzt. Eine Entscheidung, was künftig mit den Gebäuden geschieht, steht seitens der Pallottiner noch aus.

In der Klosterkirche Heiligkreuz in Bad Honnef brannten 2016 zum letzten Mal die Kerzen des Adventskranzes, zum Abschied erklang ein letztes „Tochter Zion“, bevor der Raum profaniert und das Allerheiligste in die Pfarrkirche Sankt Johann Baptist überführt wurde. Das benachbarte Tagungshaus der Schwestern vom Guten Hirten ist zu Seniorenwohnungen umgebaut.

Es geht nicht nur ums Geld

Das Erzbistum Köln will „auch in Zeiten starker gesellschaftlicher Veränderungen“ Kirchengebäude möglichst erhalten. „Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass im Zuge der zukünftigen Entwicklung auch über die Verwendung einzelner Kirchengebäude nachgedacht wird. Für das Erzbistum Köln steht jedoch fest, dass Kirchengebäude keinesfalls aus rein finanziellen Erwägungen zur Disposition gestellt werden“, sagt Ulrich Nitsche aus der Kommunikationsabteilung des Generalvikariats. „Denn Kirchen sind mehr als nur ein prägendes Symbol des Glaubens. Auch Menschen, die nicht oder nicht mehr der Kirche angehören, spüren, dass unserer Gesellschaft etwas verloren geht, wenn wir Kirchen aufgeben.“

Vor diesem Hintergrund seien seit dem Jahr 2000 im Erzbistum Köln 28 Gotteshäuser profaniert oder ihre katholische Nutzung aufgegeben worden. 14 davon haben inzwischen eine andere Funktion, sieben stehen derzeit noch leer und sieben wurden abgebrochen. Zum Vergleich: Im Bistum Münster wurden im selben Zeitraum etwa 55 Kirchen profaniert und 24 abgerissen; in Essen werden seit 2005 seitens des Bistums 105 Kirchengebäude nicht mehr bezuschusst, davon wurden 52 profaniert und 31 abgerissen.

Profan, aber nicht unwürdig

Eine belastbare Prognose fällt laut Nitsche schwer, denn das Erzbistum Köln stehe hier eher noch am Anfang der Entwicklung. „Mittelfristig ist wohl davon auszugehen, dass wir bis zu fünf Anträge auf Profanierung pro Jahr zu bearbeiten haben – dies bedeutet aber nicht, dass bis zu fünf Kirchen pro Jahr außer Dienst gestellt werden“, so der Sprecher. Vorher finde eine intensive Prüfung und Beratung statt, vom Antrag der Kirchengemeinde bis zur Entscheidung dauere es in der Regel mehrere Jahre. Falls der Beschluss für eine Profanierung fällt, dürfen die Kirchen „profanem, aber nicht unwürdigem Gebrauch zurückgegeben werden“.

Und was bedeutet das? „Welche Nutzung für eine profanierte Kirche infrage kommt, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Der Abriss einer Kirche ist dabei immer die Ultima Ratio“, sagt Nitsche. Vorrang habe immer die Weiternutzung als Kirche durch eine andere christliche Konfession oder eine soziale Umnutzung als Altenheim, Sozialstation oder Kindergarten. Auch kulturelle Nutzungen beispielsweise als Galerie oder Ausstellungshalle seien denkbar.

Kooperationen werden kommen

Auch bei den Protestanten der Region ist die Zahl der aufgegebenen Kirchen bisher gering. Im Zuständigkeitsbereich von Mathias Mölleken, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel, wurde bisher nur die Marienforster Kirche von der dortigen Godesberger Johannes-Gemeinde verkauft. 2017 zog dort die Russisch-Orthdoxe Gemeinde Bonn ein. Alle weiteren Kirchen und Gemeindehäuser sind laut Mölleken noch in Betrieb.

„Es gibt Überlegungen, ob man andere kirchliche Einrichtungen wie die Diakonie mit einziehen lässt“, berichtet der Meckenheimer Pfarrer. An seiner früheren Wirkungsstätte Duisburg sind bereits Gemeindehäuser in Seniorenwohnungen umgebaut worden. „Solche Überlegungen werden hier im Rahmen von nötigen Kooperationen und Gemeindezusammenschlüssen auch kommen“, so der Superintendent.

Kirchengebäude als Heimat

Seine Kollegin Almut van Niekerk, Superintendentin des Kirchenkreises an Sieg und Rhein, berichtet, dass aktuell nur die Gemeinde Herchen eine kleine Kapelle im Ortsteil Stromberg an eine Privatperson verkaufe. „Konkrete Planungen gibt es derzeit nicht, aber es wird durchaus als Leitungsaufgabe verstanden, als Presbyterium zu überlegen, welchen Immobilenbestand wir uns in Zukunft leisten können“, sagt van Niekerk. „Da aber Kirchengebäude immer ‚Heimat’ bedeuten, ist das ein Thema, das sehr sorgfältig geprüft und abgewogen werden muss.“

Leider werde zurzeit viel mehr darüber gesprochen, Kitas abzugeben. „Der Eigenanteil, circa zehn Prozent der Gesamtkosten, ist für Gemeinden mit Kindergärten das große Thema“, berichtet die Superintendentin.

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