Dialekt auf dem Lehrplan Sprachforscherin bringt Bönnsch in die Zukunft

Region · Charlotte Rein hat beim Landschaftsverband Rheinland den bekannten Sprachwissenschaftler Peter Honnen beerbt. Die Mendenerin überlegt jetzt, wie sie das Wissen um das Rheinische Platt an künftige Generationen weitergeben kann.

 Sprachforscherin Charlotte Rein interessiert sich für die Entstehung von Ortsnamen. Der Römerkran (im Hintergrund) in Bonn erinnert sie an die Gründungsgeschichte der heutigen Bundesstadt.

Sprachforscherin Charlotte Rein interessiert sich für die Entstehung von Ortsnamen. Der Römerkran (im Hintergrund) in Bonn erinnert sie an die Gründungsgeschichte der heutigen Bundesstadt.

Foto: Benjamin Westhoff

Generationswechsel bei den Dialektforschern des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR): Nachdem der renommierte Sprachwissenschaftler Peter Honnen im November vergangenen Jahres in den Ruhestand gegangen ist – zuvor hatte er noch sein Opus magnum „Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr“ herausgebracht – hat nun die Germanistin Charlotte Rein aus Sankt Augustin seine Nachfolge angetreten.

Seit März hat sie ihr Büro im LVR-Institut

Sie ist seit März im Amt und sitzt an der Endenicher Straße 133 in Bonn. Dort ist das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte inklusive der Sprachabteilung beheimatet, die sich vor allem den rheinischen Dialekten widmet. Abteilungsleiter ist Georg Cornelissen, der sich zuletzt intensiv mit dem Bönnschen Platt zu Beethovens Zeiten befasst hat.

Eigenes Profil für die Dialektforschung

Unterdessen ist Charlotte Rein damit beschäftigt, erste Schritte in die großen Fußstapfen ihres Vorgängers zu setzen. Wobei sie durchaus darüber nachdenkt, die Ausrichtung der Sprachforschung mit modernen Akzenten und einem eigenen Profil zu versehen. Nicht umsonst hatte sie ihr Studium der Sprachwissenschaft in Bonn unterbrochen und zeitweise in Dresden fortgesetzt, weil die dortige Universität neue Ansätze verfolgte.

Aufgewachsen mit Hessisch

Aufgewachsen ist Rein in Meckenheim und Rheinbach, ihre Eltern stammen aus Hessen. In der Familie war der Dialekt immer ein Thema. „Wobei ich einer Generation entstamme, denen die Eltern nur Hochdeutsch beigebracht haben“, berichtet Rein.

Vater und Mutter haben untereinander lupenreines Hessisch gesprochen, aber im Gespräch mit den Kindern virtuos auf die Hochsprache umgeschaltet. Sie selbst kann Hessisch und Rheinisch durchweg gut verstehen, aber eben nicht so richtig sprechen.

Schon im Studium für den LVR tätig

Für ihren Arbeitgeber, den Landschaftsverband, war sie verschiedentlich auch schon während ihres Studiums tätig. Unter anderem hatte sie in Bonn eine Umfrage unter Dialektsprechern zur rheinischen Verlaufsform unternommen. Zur Erklärung: Der Rheinländer unterscheidet etwa die Intensität des Regens eskalierend durch die Formulierungen: Es regnet, es ist am regnen und es ist dran am regnen.

Ortsnamen sind zurzeit ihr Steckenpferd

Ein Lieblingsthema für Rein sind aktuell die Ortsnamen. „Die verraten sehr viel über die Zeit ihrer Entstehung und damit ihrer Geschichte“, sagt sie. So sind etwa die Endungen -rott und -roth untrügliche Hinweise darauf, dass der Ansiedlung einst eine Rodung vorausgegangen ist.

Man kann daraus ableiten, dass es sich hier nicht um ein sehr altes Siedlungsgebiet handelt. Sehr spezifisch für das Rheinland ist die häufige Vorkommensweise des Ortsnamenappendix -oven, -hofen oder -kofen. Da wissen die Sprachwissenschaftler: Die Keimzelle dieses Ortes war einst eine Hofschaft, die aus mehreren unabhängigen, aber nahe beieinander stehenden Höfen bestand. Darum herum haben sich dann später weitere Häuser angesiedelt.

Und es gibt noch ein prominentes Beispiel der Ortsnamensentstehung: Bonn ist ein Überbleibsel aus der römischen Entstehungszeit und hieß vor 2000 Jahren Castra bonnensia. Anders als Universitätswissenschaftler erhalten die Mitarbeiter der LVR-Sprachabteilung sehr viele Anfragen von außen. Da geht es um Namenskunde, um Schreibweisen und um Lautungen, um Redewendungen und um örtliche Verschiedenheiten.

Rein denkt viel darüber nach, welche Fragestellungen in Zukunft von den Dialektforschern zu bearbeiten sind, denn auch hier ist einiges im Wandel. So hat die Digitalisierung und das Internet insgesamt zu einer höheren Reichweite geführt, was Umfragen, aber auch die Verbreitung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse angeht.

Aber man kann auch einen thematischen Wandel erkennen, sagt sie. Zunehmend müsse man sich mit dem sogenannten Regiolekt auseinandersetzen und seltener mit den lokalen Dialektformen. Letztere sterben mit ihren Sprechern so langsam aus. Zurück bleibt quasi eine abgeschliffene, weniger ausgeprägte Variante des Dialektes, in der aber auch ganz neue Formen entstehen können, die weder im Dialekt noch in der Hochsprache vorkommen.

Beispiel ist das „Pferd“, das im Hochdeutschen mit Pf- ausgesprochen wird, im Regiolekt wie „Ferd“ und im Dialekt mit P- wie „Pääd“. „Und dabei ist es interessant zu erforschen, woran denn dann Außenstehende dennoch erkennen, dass der Sprecher aus einer bestimmten Gegend stammt“, so Rein.

Aktuell ist die Forscherin dabei, die Internetseite ihrer Abteilung auf Vordermann zu bringen. Und sie überlegt, wie sie das Wissen um den Dialekt noch mehr in die Schulen bringen kann.

„In der Ober- und Mittelstufe stehen Dialekt und Umgangssprache im Lehrplan, und das ist für uns die Chance, ein paar spannende Dinge zu vermitteln, dafür müssen wir uns neue Konzepte überlegen.“

Sprachforscherin Charlotte Rein ist erreichbar unter charlotte.rein@lvr.de. Das Interview mit ihr hören Sie auch in unserem GA-Podcast „So geht Rheinisch“ auf der Internetseite „www.ga.de/podcast“ und auf allen Podcastplattformen und Spotify.

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