Kandidat der Piraten im Wahlkreis 97 Martin Zieroth kämpft für mehr Transparenz und weniger Fluglärm

SIEGBURG · Es ist ein Ort, wie er typischer nicht sein kann für die Piratenpartei: eine Cryptoparty, also ein Workshop zum Verschlüsseln von E-Mails und eigenen Daten, in einer Siegburger Gaststätte. Und doch ist diese Veranstaltung aus vielerlei Gründen so antitypisch für die Piraten. Mittendrin Martin Zieroth (29), Bundestagskandidat der Piraten im Wahlkreis 97 und Gastgeber der Cryptoparty.

 Wirbt für mehr "Piratsphäre": Martin Zieroth aus Niederkassel.

Wirbt für mehr "Piratsphäre": Martin Zieroth aus Niederkassel.

Foto: Sebastian Fink

"Eine solche Veranstaltung zeigt, dass wir aktiv und nah am Bürger sind, und wir die Ängste der Menschen ernstnehmen", sagt Zieroth. Rund 20 Personen zwischen 18 und 70 Jahren haben sich zusammengefunden, um die Konsequenzen aus der NSA-Affäre um ausgespähte Daten zu ziehen. Los geht es aber mit einer Vorstellungsrunde, strikt geordnet, mit Angaben zum Alter, zum Grund des Besuches und zum genutzten Betriebssystem. Manch ein Besucher hat eine solch formelle Vorgehensweise bei den Piraten wohl nicht erwartet.

"Wir haben uns aus einer Nerd-Truppe in eine erwachsene Partei entwickelt", sagt Zieroth. Eine Entwicklung, die man auch bei den Themen erkennt, die Zieroth für seine Wahl nutzen will. "Wir wollen ein Mehr an Demokratie für die Bürger erreichen", sagt er und meint damit Volks- und Bürgerentscheide, "am besten noch auf Europa-Ebene".

Dafür bedürfe es ein Mehr an Informationen für die Bürger. "Keiner entscheidet sich für die Politik, weil niemand mitentscheiden kann." Durch mehr Transparenz sollen die Menschen an die Informationen kommen. "Dass sie mitentscheiden wollen, sieht man doch an den Reaktionen zum Berliner Flughafen, zu Stuttgart 21 oder auch dem Thema Fluglärm", erklärt der Diplom-Wirtschaftsinformatiker, der für die Telekom arbeitet.

Zieroth lebt in Niederkassel, bei der Piratenpartei ist er seit eineinhalb Jahren Mitglied. "Ich habe vorher lange Zeit nach Möglichkeiten gesucht, mich politisch zu engagieren, war sogar mal neun Monate in der SPD", sagt er heute. Erst als die Piraten kamen, fand Zieroth eine politische Heimat. Was für ihn den Reiz am politischen Engagement ausmacht? "Man kann etwas verändern, ein zukunftsfähiges politischen Umfeld schaffen. Dafür muss ich selbst aktiv werden." Die arrivierten Parteien würden dies nicht ändern. "Da müssen wir schon kommen und von der Seite treten."

Themen wie das Bonn-Berlin-Gesetz oder die Fluglärmdebatte machen für Zieroth deutlich, was in der Politik schief läuft. "All diese Diskussionen laufen politisch nicht zielführend ab, niemand will für irgendetwas verantwortlich sein, wir leben einen Stillstand", kritisiert der 29-Jährige. Dabei solle die Politik doch für den Bürger da sein.

"Wir müssen uns Gedanken machen, was passiert, wenn das Bonn-Berlin-Gesetz nicht mehr eingehalten wird, welche Konsequenzen dies für die Menschen in der Region hat." Aufgegeben hat er das Gesetz nicht. "Aber wir müssen den Menschen außerhalb der Region deutlich machen, was es bedeutet, warum es dieses Gesetz gibt", beschreibt er die Aufgaben der lokalen Politiker auf Bundesebene.

Gleiches gilt für das Thema Fluglärm. "Losgelöst vom Parteigezänke aber dafür themenbezogen muss hier diskutiert werden, wie wir den betroffenen Bürgern helfen können." Wenn eine gesetzliche Lösung bis 2030 nicht möglich wäre, müsse eben nach anderen Möglichkeiten gesucht werden. "Teile des Flugbetriebs könnten in den Tag verlegt und die Forschung zu leiseren Landeverfahren weiter vorangetrieben werden", betont der Niederkasseler.

Zieroth ist kein Klinkenputzer, die Wähler sollen ihn aufgrund seiner Ergebnisse und Arbeitsinhalte kennen. "Ich bin nicht derjenige, der den Menschen auf den Keks geht", sagt er und spricht damit Peer Steinbrücks (SPD) Hausbesuche im Wahlkampf an. "Die Wähler sollen sich inhaltlich informieren." Zu Hause mit Freundin Sophie (26) schaltet er vom Wahlkampfstress ab. "Politik soll Spaß machen, deshalb mache ich mir auch nicht allzu viel Stress."

Die Entwicklung seiner Partei sieht er entspannt. "Wir finden uns als Team noch zusammen, gingen jetzt durch die Phase des Bekriegens und kommen jetzt an den Punkt, an dem wir konstruktiv zusammenarbeiten können", sagt der 29-Jährige. Es sei eine normale Entwicklung, die Partei sei auf einem guten Weg.

Auf den Weg musste sich Zieroth zu Beginn der Cryptoparty in Siegburg auch erst einmal machen. Für den Workshop fehlte ein VGA-Kabel. Da muss der Bundestagskandidat selbst zum Computerladen fahren. Kaum vorstellbar bei vielen anderen Parteien und gerade darum typisch Pirat.

Fünf Fragen an Martin Zieroth

Welche drei Dinge haben Sie bei sicher immer im Kühlschrank liegen?
Martin Zieroth: Kirschjoghurt, Ketchup, Eier.

Welches Buch liegt gerade bei Ihnen auf dem Nachttisch?
Zieroth: "Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass" von Jürgen Todenhöfer, aber als E-book auf dem iPad.

Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule?
Zieroth: Informatik.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Zieroth: Unkraut jäten auf einer Autobahnraststätte.

Auf welchem Konzert waren Sie zuletzt?
Zieroth: Silbermond.

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