Rhein-Sieg-Kreis Immer weniger wollen Fahrlehrer werden

Rhein-Sieg-Kreis · Wilfried Rang ist Fahrlehrer in Swisttal. Die Suche nach neuen Fahrlehrer bereitet seinem Betrieb massive Probleme. Der Fachkräftemangel erreicht eine boomende Branche.

 Fahrlehrer Wilfried Rang aus Swisttal-Heimerzheim (r.) beklagt wie viele den Nachwuchsmangel bei Fahrlehrern.

Fahrlehrer Wilfried Rang aus Swisttal-Heimerzheim (r.) beklagt wie viele den Nachwuchsmangel bei Fahrlehrern.

Foto: Axel Vogel

"Hände ans Lenkrad, Augen nach vorne, Schulterblick, Gang rein!" Wie oft er diese Anweisungen seinen Schülern schon gegeben hat, kann Wilfried Rang gar nicht mehr nachhalten. Seit 22 Jahren ist der 53-Jährige Fahrschullehrer, 2001 übernahm er die Fahrschule von Rainer Albrecht in Swisttal-Heimerzheim. Das Unternehmen ist das Einzige seiner Art in der Gemeinde Swisttal, seit einigen Jahren ist er aber auch Chef einer Dependance in Rheinbach. Was ihm - wie vielen seiner Kollegen - massive Probleme bereitet, ist die Suche nach neuen Fahrlehrern.

Im Laufe der Zeit hat sich viel geändert

Der Zufall brachte den gebürtigen Bonner in diesen Beruf, die Entscheidung hat er nie bereut. Denn seinen Schülern Theorie und Praxis für den Straßenverkehr zu vermitteln, mache ihm bis heute einfach Spaß, auch wenn sich im Laufe der Zeit viel geändert hat. Er bietet Unterricht für sämtliche Pkw- und Krafträder-Führerscheine (B und A) an, aber keine Prüfungen für Lkw und Bus (C und D). "Vielleicht in vier bis fünf Jahren, wenn mein 20-jähriger Sohn Philipp seine Fahrlehrerprüfung in den Klassen absolviert hat", erzählt der Heimerzheimer. Mit acht Fahrlehrern und zwei Fahrlehreranwärtern ist Rang personell noch vergleichsweise gut aufgestellt - eine Ausnahme in der Branche. Denn bundesweit ist die Anzahl der Fahrlehrer nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes zwischen 2010 und 2019 von 54.640 auf knapp 44.100 gesunken.

In NRW werden, so Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Nordrhein, 250.000 Schüler von rund 8000 Fahrlehrern unterrichtet. Den fehlenden Bedarf an Lehrern bezifferte er sowohl im Land als auch im Bund auf rund zehn Prozent - dabei sind die Ausbildungsstellen wie im Bezirk Nordrhein voll, da nach der Änderung der Eingangsvoraussetzungen für Fahrlehrer von Anfang 2018 "nicht mehr alle Führerscheinklassen als Voraussetzung für die Ausbildung notwendig sind, sodass sich in den Fachklassen mittlerweile auch viele Frauen ausbilden lassen, da die C-Klasse (Lkw) wegfällt", erklärt Rang.

Dringend Personal gesucht

Und dennoch: Auch für den Pkw-Bereich wird immer noch dringend Personal gesucht. "Wie andere Branchen auch leiden wir unter Fachkräftemangel. Dazu kommt, dass die meisten Menschen nur von acht bis 16 Uhr arbeiten wollen, Fahrlehrer aber abends und am Wochenende unterwegs sind", macht Bartels deutlich. Dass viele Fahrschulen momentan zu 100 Prozent ausgelastet sind, und dies seit etwa vier Jahren kontinuierlich, sieht er als Folge davon, dass viele Geflüchtete einen Führerschein machen wollen. Aber: Dieser Trend zur Vollauslastung könne sich mit Beginn einer Rezession auch schnell wieder ins Gegenteil verkehren. Besonders im Lkw- und Bus-Bereich sei die Nachfrage nach Führerscheinen sehr hoch. Und genau da werde der Mangel an Lehrern besonders spürbar.

Für Jan Kreiter, Juniorchef der gleichnamigen Fahrschule aus Siegburg, war die Änderung der Fahrlehrer-Eingangsvoraussetzung zwar kurzfristig eine "gute Lösung", da mehr Fahrlehrer in die Ausbildung gegangen sind. Mittelfristig jedoch sei sie eine "schlechte Lösung". Denn: "Wenn man die anderen Führerscheinklassen nachmachen muss, sind die Kosten eindeutig höher. Außerdem können Fahrlehrer ohne C-Klasse ihren Schülern gar nicht das Verkehrsverhalten der Brummis vermitteln, weil sie sie selber gar nicht fahren können", kritisiert der 30-Jährige. Sein Unternehmen hatte Glück, denn nach einer sechsmonatigen Suche konnte ein dritter Lehrer für den C- und D-Bereich eingestellt werden. "Die Nachfrage ist genauso groß wie bei Pkw", so Kreiter. Von seinen sieben Mitarbeitern sind nur zwei zwischen 50 und 60 Jahre alt - der Rest sei wesentlich jünger. "Wir haben bereits einen Generationenwechsel vollzogen", sagt der Siegburger sehr zufrieden. Damit bildet sein Betrieb eine Ausnahme, da das Durchschnittsalter, wie Rang weiß, um die 55 Jahre liege.

Seit knapp 50 Jahren Fahrlehrer

Viele gingen in den nächsten zehn Jahren in Rente und "dann haben wir ein Problem, wenn wir jetzt nicht nachrüsten". Die Zahlen in NRW machen deutlich, dass von 2015 bis 2018 zwar die Anzahl der Hauptstellen von 2526 auf 2333 gesunken ist, die Anzahl der sogenannten Zweigstellen von 1656 auf 1707 gestiegen ist. "Das macht deutlich, dass alte Fahrschulinhaber ihre Betriebe aufgeben und an Jüngere weitergeben. Dadurch bleibt die Zahl der Zweigstellen konstant und eine flächendeckende Versorgung bleibt erhalten", so Bartels.

Immer weniger Vorkenntnisse

In Bad Honnef ist mit Sascha Jurczik (30) schon die nächste Generation am Ruder, unterstützt von Seniorchef Heinz Jurczik, der seit knapp 50 Jahren als Fahrlehrer unterrichtet. In den vergangenen Jahren hat er beobachtet, dass "die Schüler heute mit 25 bis 30 Pkw-Fahrstunden deutlich mehr Unterricht benötigen als 2009", so Heinz Jurczik. Grund: Die meisten brächten weniger Vorkenntnisse mit. Mit 180 Schülern sind seine sechs Lehrer in Haupt- und Zweigstelle bestens ausgelastet. "Man braucht gute Fahrlehrer, und die gibt es zu wenig. Daher bilde ich meine Lehrer selber aus", erklärt der Senior.

Hintergrund: Rund 250.000 Fahrschüler können jährlich in NRW ihren Führerschein in Empfang nehmen - allein im Bezirk Nordrhein sind es 110.000. Ob der Mangel an Fahrlehrern mit den neuen Eingangsvoraussetzungen für den Beruf in NRW und im Bund gestoppt oder sogar rückgängig gemacht werden kann, bleibe abzuwarten, sagen die Fahrlehrer. Das neue Gesetz sei ja erst seit eineinhalb Jahren in Kraft.

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