Kivi-Fachtag in Hennef „Wer keine Aufgabe hat, gibt sich auf“

HENNEF · Die renommierte Bonner Professorin und ehemalige Bundesfamilienministerin Ursula Lehr sprach auf Einladung des Vereins Kivi e. V. am Dienstag in der Hennefer Meys Fabrik über das Älterwerden und den Umgang damit.

 Diskussion über das Älterwerden (von links): Almut van Niekerk, Hermann Allroggen, Gastrednerin Ursula Lehr, Wilfried Müller, Klaus Pipke, Heinz-Willi Schäfer und Wolf Kiesewetter beim Kivi-Fachtag in Hennef.

Diskussion über das Älterwerden (von links): Almut van Niekerk, Hermann Allroggen, Gastrednerin Ursula Lehr, Wilfried Müller, Klaus Pipke, Heinz-Willi Schäfer und Wolf Kiesewetter beim Kivi-Fachtag in Hennef.

Foto: Stephanie Roller

Wer kennt noch das Wort „Pensionstod“? Geprägt wurde dieser Begriff vor mehr als 50 Jahren. Er umschrieb ein Phänomen, das in der damaligen Gesellschaft gar nicht selten anzutreffen war: die Angst vor dem Ruhestand, den viele ältere Menschen als endgültiges Abstellgleis empfanden.

Wer heute hingegen aus dem Beruf ausscheidet, hat oft noch 20 aktive Jahre vor sich. Ursula Lehr hat diesen gesellschaftlichen Wandel über Jahrzehnte in Nahaufnahme mitverfolgt – als Wissenschaftlerin.

Projekt „Mitten im Leben“

Unter den rund 70 Gästen konnte Kivi-Vorsitzender Hermann Allroggen unter anderem Landrat Sebastian Schuster sowie Bürgermeister Klaus Pipke (Hennef) und Bürgermeisterin Nicole Sander (Neunkirchen-Seelscheid) begrüßen. Hintergrund war das Projekt „Mitten im Leben“, mit dem Kivi das Leben der Älteren in sechs ländlichen Kommunen des östlichen Kreisgebiets in den Fokus genommen hat.

Seit 2015 wurden in mehreren Orten Projektgruppen gegründet. „Wir wollen, dass die Bewohner möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und es ihnen dort gut geht“, sagte Pipke. „Es wird aber immer schwieriger, Rahmenbedingungen zu schaffen.“

Die Gastronomie – ein klassischer Treffpunkt – breche vielerorts weg, und nicht in jedem Dorf könne es ein Bürgerhaus geben. Pipke plädierte dafür, dass die Kommunen sich dem Thema „Demografischer Wandel“ gemeinsam widmen. Denn dieser trifft im Rhein-Sieg-Kreis besonders ländliche Gebiete. Der Anteil der 65- bis 79-Jährigen an der Gesamtbevölkerung steigt laut IT.NRW bis 2030 in Windeck um 33 Prozent, in Eitorf um 39 Prozent, in Hennef gar um 56 Prozent. In Hennef und Eitorf wird sich die Zahl der über 80-Jährigen verdoppeln.

Forderung nach Eigeninitiative von älteren Bürgern

Über Statistiken zu Überalterung und sinkende Geburtenzahlen näherte sich auch Ursula Lehr dem Thema. Schon in den 50er Jahren war sie in der Alternsforschung aktiv. Die inzwischen 85-jährige Psychologin beeindruckte mit einem leidenschaftlichen Vortrag, in dem sie von den älteren Bürgern Eigeninitiative einforderte.

Wesentliche Bausteine seien nicht nur körperliche, sondern auch geistige Aktivitäten. „Auch die grauen Zellen wollen bewegt werden“, so Lehr. Ebenso wichtig seien im Alter aber soziale Kontakte und Aufgaben. „Wer keine Aufgabe hat, gibt sich auf.“ Eine Möglichkeit sei ehrenamtliches Engagement, mit dem man aber nicht erst im Alter beginnen solle.

Zugleich appellierte die stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) an die Gesellschaft, sich stärker auf die Bedürfnisse der Älteren einzustellen. „Es fängt schon bei Kleinigkeiten an“, so Lehr.

Kopfsteinpflaster, zu niedrige Bänke, zu kurze Ampel-Grünphasen, Treppen ohne Handlauf, zu kleine Erklärtafeln im Museum – all das könne älteren Menschen den Alltag erschweren und dazu führen, dass sie aus Unsicherheit nicht mehr vor die Tür gehen. „Präventive Umweltgestaltung“ nannte Ursula Lehr das. In einer Talkrunde tauschte sie sich mit Experten von der Basis aus: Gesprächspartner waren Almut van Niekerk (Diakonisches Werk an Sieg und Rhein), Heinz-Willi Schäfer (Arbeiterwohlfahrt Bonn/ Rhein-Sieg und Wolf Kiesewetter von der Hennefer Seniorenselbsthilfegruppe „Zwischen Arbeit und Ruhestand“.

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