Tod eines Säuglings in Hennef Vater der 22-Jährigen gibt sich die Schuld

HENNEF/BONN · Als ihr Vater im Zeugenstand Platz nimmt, blickt die 22-jährige Angeklagte nur einmal kurz zu ihm hin. In den folgenden zwei Stunden meidet sie den Blick des Vaters und kämpft gegen die Tränen an.

Das Bonner Schwurgericht hat den 51-jährigen Bundeswehroffizier als Zeugen geladen, in der Hoffnung auf eine Erklärung dafür, warum die Angeklagte den Eltern ihre Schwangerschaft verheimlichte und ihr Kind am 16. November heimlich in der elterlichen Wohnung in Hennef zur Welt brachte und tötete.

Im Gegensatz zu seiner Frau, die die Schwangerschaft erkannte und ihre Tochter zwei Wochen vor der Geburt darauf ansprach, ahnte der Vater nichts, wie er nun sagt. Seine Frau sagte ihm kein Wort und sprach auch ihre Tochter nicht mehr darauf an. Der 51-Jährige erfuhr es erst am Tag der Geburt, als er gerade Karten für ein Bundesligafußballspiel kaufen wollte.

Da habe er einen Anruf von der Polizei bekommen, er solle sofort zur Wache nach Hennef kommen. Und dort hätten ihm die Beamten erklärt, er sei Großvater geworden, und sein Enkel sei in einer Babyklappe. Das hatte die Angeklagte der Polizei als erstes wahrheitswidrig erzählt, bevor die Beamten den toten Säugling in einer Mülltüte fanden und sie die Tötung gestand.

"Ich gebe mir die Schuld am Tod des Kindes", sagt der Vater nun. "Wenn ich zu Hause geblieben wäre, wenn das Verhältnis zu meiner Tochter besser gewesen wäre, wenn sie mit mir gesprochen hätte, wäre es nicht so weit gekommen."

Ab 2008 sei es mit der Familie bergab gegangen, schildert er. Er habe seitdem eine Freundin gehabt, und er habe immer seltener zu Hause gewohnt. Ab da habe sich seine früher so lebenslustige Tochter immer mehr verschlossen und von ihm zurückgezogen. Auf Nachfrage des Gerichts gibt er zu, sich zu seinem Fremdgehen nie bekannt zu haben.

Über die Probleme in der Familie sei nie gesprochen worden, auch nicht über die Alkoholprobleme seiner Frau und deren Selbstmordversuch Ende 2012. Danach sei seine Tochter völlig fertig gewesen, aber auch das sei nicht weiter thematisiert und erst recht nicht verarbeitet worden. Dabei, so antwortet er auf die entsprechende Frage der psychiatrischen Sachverständigen, sei die 22-Jährige immer "ein Papakind" gewesen.

Seine Stimme bricht ihm, als er das sagt, und auch seine Tochter bricht in Tränen aus. "Ich habe versagt", erklärt der 51-Jährige mehrfach. Dabei fiel ihm die Veränderung der Tochter im vergangenen Jahr auf, wie er schildert. Sie sei noch verschlossener geworden. Die 22-Jährige hatte am ersten Verhandlungstag erklärt, sie habe ihren Eltern die Schwangerschaft aus Angst verschwiegen.

Nun wird der Vater gefragt, was passiert wäre, wenn er davon erfahren hätte. "Ich wäre Opa geworden und hätte mich gefreut", antwortet er mit erstickter Stimme. Auch seiner Tochter kommen die Tränen. Richterin Anke Klatte rät ihm wie zuvor schon seiner Frau, dringend mit der Aufarbeitung zu beginnen. Dann verlässt der Vater den Saal, sucht den Blick seiner Tochter. Die aber sieht ihn nicht an.

Als das Gericht sie noch einmal eindringlich befragt, wie sie es schaffte, ihre Schwangerschaft so zu verleugnen, beteuert die 22-Jährige schluchzend: "Es tut mir so leid, was ich getan habe. Ich verstehe es nicht, ich habe es nicht absichtlich getan."

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