Talentschmiede der Kreativen Rhein-Sieg-Akademie für Realistische Bildende Kunst und Design in Hennef

Hennef · Klaus Kinski! Dieser Blick! Wer das Büro von Heinz Lingen betritt, kann sich ihm nicht entziehen. Da schaut der Jahrhundertschauspieler garstig von einem Filmposter auf den Besucher hinab. "Ich will Deinen Kopf" lautet der reißerische Titel - irgendein Italowestern aus den 70ern. Lingen hat das Plakat gestaltet. Es ist nur eine von tausenden Illustrationen, die er angefertigt hat. Für Bücher, für Zeitschriften, für Plakate. "Diese Action-Sachen habe ich gerne gemacht", sagt der 74-Jährige.

Doch eines haben die Bilder gemein: Realismus, Präzision, Detailtreue. Das will Lingen Schülern und Studenten weitergeben: in der in Hennef ansässigen Rhein-Sieg-Akademie für Realistische Kunst und Design (RSAK), die er 1986 gegründet hat und heute noch leitet. In der ehemaligen Schreibwarenfabrik an der Wehrstraße hat sich eine Talentschmiede für Designer entwickelt. Sie wird von aktuell 370 Studenten besucht, mehr als 30 Dozenten unterrichten. Die Stundenpläne sind mit rund 40 Wochenstunden voll gepackt. Im Mai stellten 33 Diplomanden ihre Abschlussarbeiten vor, so viele wie nie zuvor an der RSAK.

Damit nicht genug. Im vergangenen Jahr hat Lingen mit dem Kunstkolleg noch einen schulischen Unterbau geschaffen - als private, staatlich genehmigte allgemeinbildende Ersatzschule mit kreativem Schwerpunkt. Sie besteht aus einer Gesamtschule (bis zur 10. Klasse) und einem Gymnasium für Gestaltung (11. bis 13. Schuljahr). Die Schüler sollen den Lehrstoff visuell-gestalterisch aufnehmen. Heißt: Modelle bauen statt Theorie pauken, selber zeichnen statt Kopien abheften. "Auf die eine gute alte Schultafel möchte ich nicht verzichten", sagt Lingen. "So ein Whiteboard kommt mir nicht ins Klassenzimmer."

Ein Rundgang durch die alte Fabrik. Heinz Lingen schaut seinen Studenten über die Schulter, es ist einer der letzten Tage des Semesters. Im Computerraum werden am PC zweidimensionale Darstellungen geübt. Linda Silz visualisiert gerade eine Vitrine, wobei sie Grundkenntnisse über Licht und Reflexion anwenden muss. Noch ist der Schrank etwas schief, aber das hat die 20-Jährige zusammen mit Dozent Werner Gabriel schnell mit ein paar Mausklicken korrigiert. Linda Silz, die aus dem Münsterland vor einem Jahr zum Studium nach Hennef kam, interessierte sich anfangs am meisten für plastisches Gestalten und für Karikaturen. "Inzwischen bin ich da viel offener. Ich habe hier an der Akademie viele Möglichkeiten."

Im Basisstudium steht Malerei-, Grafik- und Kommunikationsdesgin im Mittelpunkt. Danach können sich die Studenten spezialisieren. Angeboten werden Foto- und Filmdesign, Modedesign, Industrie- und Produktdesign, Illustrationsdesign und Videospiel-Animationsdesign. Die Akademie kooperiert mit Verbänden und Firmen der Werbewirtschaft.

Videospiel-Design - so etwas lag in ferner Zukunft, als Heinz Lingen mit seiner kreativen Arbeit anfing. Er ist ein Kind des Zweiten Weltkriegs. Die damaligen Erlebnisse haben ihn tief geprägt. Aus Köln stammend, wuchs er in Ruinen auf. Mit 14, das Wirtschaftswunder nahm gerade seinen Lauf, absolvierte er im Kaufhof in Köln eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker. Er gestaltete Werbung und auch schon mal Märchenkulissen. Später studierte er auf Lehramt Kunst und Deutsch, um Gymnasiallehrer zu werden. Doch verschlug es ihn in den 60er Jahren in den Journalismus. Er war Redakteur beim Kölner "Express", und es überrascht nicht, dass er sich neben dem Schreiben dort vor allem dem Layouten widmete.

Wie es zur Gründung der Akademie in Hennef kam? Eine lange Geschichte. Lingen erzählt sie nicht sehr gerne, weil sie mit vielen Widerständen und Widrigkeiten verbunden war. Seinen Platz in der regionalen Bildungslandschaft musste er sich über Jahre hart erkämpfen. Am Anfang war er mit dem Kunstunterricht seiner Kinder in der Schule unzufrieden. Also regte er in seiner Wahlheimat Hennef die Gründung einer städtischen Malschule an. Die baute er ab 1980 dann auch auf und führte sie später privat weiter. Er unterrichtete zeitweise in einer ehemaligen Schule in Neunkirchen, zeitweise aber auch in einem ehemaligen Fitnessstudio in Hennef.

1986 gründete Lingen als Alternative zu den öffentlichen Einrichtungen die "Freie Fachhochschule für Gestaltung" - mit dem Ehrgeiz, dass seine Absolventen am Ende eine bessere Qualität bieten als die von staatlichen Hochschulen. Die RSAK hat den Status einer anerkannten berufsbildenden Ergänzungsschule. Die Ausbildung ist staatlich anerkannt, allerdings nicht der Abschluss - was Lingen bis heute wurmt. Es wird ein Leistungsdiplom in Kooperation mit der weltweit renommierten Werbeagentur "Grey Worldwide" vergeben.

Bei seinem Rundgang ist der Akademieleiter unterm Dach der alten Fabrik angekommen, bei den Aktzeichnern. Der Saal ist leer - fast. Student Jonas Habbel ordnet ein paar Zeichnungen, es sind Studien über den menschlichen Körper. "Wenn man sich die Arbeiten der letzten zwei Jahre anschaut, merkt man den Fortschritt", sagt er. An den Wänden des Akt-Saals hängen zahllose Zeichnungen von Studenten. Heinz Lingen schaut sich um. "Wer als Designer dieses klassische Handwerk nicht perfekt beherrscht, wird auch das digitale Arbeiten nicht beherrschen."

Mein Hennef-Bild
Jonas Habbel (23) studiert an der RSAK im fünften Semester Kommunikationsdesign. Er ist in Hennef aufgewachsen. Der GA bat ihn, ein persönliches Bild über seine Stadt anzufertigen. Jonas Habbel entschied sich für den Hennefer Stadtsoldatenplatz, den er mit Pilotstift, Markern und Aquarellfarben zeichnete. "Vor ein paar Jahren lag dort noch auffälliger roter Schotter, man traf sich dort zum Feiern."

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