Rhein-Sieg-Kreis Projekt deckt NS-Medizinverbrechen im Kreis auf

Hennef · Im Rahmen eines bundesweiten Forschungsprojektes befassen sich Wissenschaftler auf Initiative des Rhein-Sieg-Kreises und des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) mit Medizinverbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus. In der Hennefer Meys Fabrik werden die Ergebnisse präsentiert.

Ansgar Klein präsentiert 70 Zuhörern in der Meys Fabrik erste Ergebnisse seiner Recherchen zu den NS-Medizinverbrechen im Siegkreis.

Ansgar Klein präsentiert 70 Zuhörern in der Meys Fabrik erste Ergebnisse seiner Recherchen zu den NS-Medizinverbrechen im Siegkreis.

Foto: Inga Sprünken

Der Wissenschaftler Ansgar Klein berichtet in der Hennefer Meys Fabrik über ein Forschungsprojekt. Experten werten Archivalien aus, befragen Zeitzeugen und bereiten Publikationen über Zwangssterilisationen und Morde an kranken Menschen während der NS-Zeit im Kreis vor.

„Viele Menschen wurden auf Verdacht angezeigt“, sagte Ansgar Klein. Der Historiker verwies auf die 111 Anträge auf Zwangssterilisation, die während der NS-Zeit im Gesundheitsamt des Siegkreises eingingen. 70 davon wurden genehmigt, bei 32 Prozent die Operationen durchgeführt. Im Rahmen eines bundesweiten Forschungsprojektes befassen sich Wissenschaftler auf Initiative des Rhein-Sieg-Kreises und des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) mit den NS-Medizinverbrechen wie Euthanasie, Zwangssterilisationen und Humanexperimenten im Rhein-Sieg-Kreis. Die Forscher werten Archivalien aus, befragen Zeitzeugen und bereiten Publikationen vor. So auch Ansgar Klein, der auf Einladung von Hennefs Stadtarchivarin Gisela Rupprath den ersten Vortrag dazu in der Meys Fabrik hielt. So erfuhren die über 70 Zuhörer, die im Anschluss daran Fragen stellten und mit Klein diskutierten, die Namen einiger Opfer und Ärzte, die die Zwangsmaßnahmen veranlassten. Ein Opfer war etwa Theodor B., 1914 geboren und am 23. April 1934 wegen Schizophrenie angezeigt. Der Antrag auf Zwangssterilisation erfolgte einen Monat später. „Am 13. Juli wurde er in der Chirurgie der Bonner Uni-Klinik unfruchtbar gemacht“, so Klein. Auch Jakob U., 1901 in Dambroich geboren, erlitt dieses Schicksal. Er wurde am 4. Juni 1935 sterilisiert. Nicht sterilisiert werden konnten die Kinder, die wegen Missbildungen oder Behinderungen angezeigt wurden – ein Grund, warum viele ihre Kinder versteckten.

Zwangssterilisation und Tötungen

Die Unterschrift unter die Anträge setzten Menschen wie der Kreisarzt für den Siegkreis, Bruno Bange. Er wurde zum 1. Juni 1938 zum Obermedizinalrat ernannt, war aber auch Zweifeln an seiner Gesinnung ausgesetzt, da er eine starke kirchliche Bindung hatte – und die Kirche stellte sich gegen die Zwangssterilisationen. „Auffallend war, dass er sehr viel Anträge unterschrieben hat“, so Klein. Ab 1937 war er Mitglied der NSDAP gewesen, was er damit rechtfertigte, dass dies eine Existenzfrage gewesen sei. Bange hatte Lothar Diehm als seinen Stellvertreter empfohlen. Der leitete ab 1. Januar 1936 die Abteilung für Erb- und Rassepflege, kündigte aber zum 1. Oktober 1937 wieder. In seinem Zeugnis wurde beklagt, dass er „eine große Reihe von Sterilisationsanträgen nicht zum Abschluss gebracht“ habe.

Neben den Zwangssterilisationen wegen vermeintlicher „Erbkrankheiten“ wurden auch viele kranke Menschen getötet. 200 000 psychisch Kranke und Juden im damaligen Deutschen Reich seien durch Ärzte in Form von Überdosierung von Medikamenten oder durch Mangelernährung in den Krankenhäusern getötet worden, darunter 5000 Kinder, so Klein.

Andere landeten in der Tötungsanstalt in Hadamar, in der zwischen Januar 1941 und März 1945 an die 15 000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in die Gaskammer kamen. „120 Personen davon stammen aus dem Siegkreis“, so Klein, der für Hennef mindestens sechs benennen konnte. Einer von ihnen war etwa Hans Peter Jonas, der 1882 in Dambroich geboren und im Juni 1941 in Hadamar getötet worden ist.

Zu lesen waren solche Details auch auf den Aufstellern im Foyer der Meys Fabrik, für die die Hennefer Gesamtschüler der Klasse 10d Fakten aus Akten des Gesundheitsamtes zusammengetragen hatten.

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