Foodsharing in Hennef Hennefer retten Essen vor dem Müll

Hennef · Es ist ein Sommertag Anfang Juli. In der Bäckerei Oehmigen in Buisdorf hat vor wenigen Minuten der letzte Kunde an der Theke bestellt – Feierabend. Wie in den meisten Geschäften bleibt am Ende des Tages eine Menge Ware liegen, die nicht mehr verkauft werden kann.

 Spenden statt wegwerfen: Anna-Maria Hellmeier (v.l.) und Antoinette Burgwinkel übergeben Foodsharing-Botschafterin Charlotte Horn übrig gebliebene Backwaren.

Spenden statt wegwerfen: Anna-Maria Hellmeier (v.l.) und Antoinette Burgwinkel übergeben Foodsharing-Botschafterin Charlotte Horn übrig gebliebene Backwaren.

Foto: Franziska Jünger

Statt in die Mülltonne kommt sie aber in die Körbe von Charlotte Horn. Die 52-Jährige ist seit etwa einem Jahr Botschafterin von Foodsharing Hennef – einer bundesweiten Initiative gegen die alltägliche Lebensmittelverschwendung. Das Prinzip: Lebensmittel teilen, die sonst weggeschmissen werden würden.

„Es gibt alle möglichen Typen von Foodsavern“, sagt Charlotte Horn. Für die einen sei es eine politische Frage, für die anderen eine ethische. Die Henneferin ist über die Medien auf das Thema aufmerksam geworden und hat den Kontakt zu Foodsharing in Köln geknüpft, um gegen die Wegwerfgesellschaft aktiv zu werden. Zunächst nahm sie selbst kleine Mengen an Lebensmitteln mit nach Hause, die durch Foodsharing gesammelt wurden. „Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Banane, in die ich gebissen habe“, sagt sie. Nach zwei Monaten reichte ihr das nicht mehr: Die 52-Jährige fuhr nach der Arbeit zu Bäckern und verteilte übrig gebliebenen Lebensmittel an Schulen oder Bedürftige.

Gründe sind politischer wie ethischer Natur

Auf dem Hennefer Stadtfest im September 2015 versuchte Horn gemeinsam mit der zweiten Botschafterin, Sabine Herkenhöner, in ihrer Heimatstadt Aufmerksamkeit für Foodsharing zu erregen. Inzwischen hat ihre Facebook-Gruppe „Foodsharing Rhein-Sieg-Kreis“ mehr als 3000 Mitglieder. Sie gibt Hintergrundinformationen zum Thema Lebensmittelverschwendung, zudem können private „Foodsharer“ ihre Lebensmittel anbieten.

Etwa 30 Personen sind im Team der Hennefer Foodsharing-Gruppe und holen mehrmals die Woche Lebensmittel bei derzeit drei Betrieben in der Umgebung ab, die sie für eine Kooperation gewinnen konnten. 150 Kilogramm Gemüse, Obst, Backwaren und Wurst retten sie so jede Woche vor der Tonne und bieten sie über ihre Netzwerke – vor allem via WhatsApp-Gruppen – an und bringen sie zu zentralen Plätzen. „Ganz wichtig sind aber auch die kleineren Mengen, die Privatleute teilen“, findet Horn. „Die helfen, das Thema zu streuen und das Bewusstsein zu schärfen."

Der private Tausch läuft über soziale Netzwerke

Was bei einer Party oder vor dem Urlaub übrig bleibt, wird anderen über die Facebook-Plattform angeboten. Der private Tausch von Lebensmitteln läuft fast ausschließlich über das soziale Netzwerk und bei unverderblichen Lebensmitteln in den Wintermonaten auch über den „Fairteiler“, der auf einem Privatgrundstück an der Steinstraße 3 eingerichtet wurde.

„Das Schöne ist, dass Menschen quer durch die Gesellschaft mitmachen“, sagt Horn. Von Mitte 20 bis 60 seien alle Altersgruppen und Bildungsschichten vertreten. Auch die Motive seien sehr unterschiedlich. „Es gibt auch die, die einfach froh sind, ihre Haushaltskasse dadurch zu entlasten“, sagt Horn. „So lange sie uns nicht zur Tafel machen, ist das o.k.“

Eine Konkurrenz zur Tafel will Foodsharing nämlich nicht sein. Anders als die gemeinnützige Organisation, die ausschließlich Lebensmittel an Bedürftige mit einem entsprechenden Berechtigungsschein austeilt, ist Foodsharing nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft. Kooperiert wird nur mit inhabergeführten Betrieben. Die großen Ketten scheuen in der Regel den Wirbel um das Thema Müll.

Charlotte Horn ist zufrieden mit dem Engagement der Hennefer. „Wir wachsen eigentlich jede Woche um eine Person“, freut sie sich. Trotzdem ist sie sich der Begrenztheit von Foodsharing bewusst: „Wir können nur das Bewusstsein schärfen.“ Alles andere müsse durch klarere Gesetzgebung der Politik beeinflusst werden. „Ich würde mir wünschen, dass die Überproduktion in den Kantinen und Geschäften verringert wird.“

Ein weiteres Problem sei, dass viele Betriebe einen Kaufkraftverlust befürchten, wenn sie überschüssige Waren an Foodsharing abgeben. „Viele machen nur mit, wenn sie nicht namentlich genannt werden“, sagt Horn. „Ich wünsche mir, dass sich mehr Betriebe dazu bekennen.“ Das macht die Bäckerei Oehmigen: mit einem Foodsharing-Logo am Eingang.

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