Fototouren mit dem Gleitschirm Der fliegende Fotograf

Hennef · Klaus Göhring aus Hennef segelt mit seinem Gleitschirm über die Region und macht spektakuläre Aufnahmen. Start und Ziel ist meist eine Wiese hinter seinem Haus in Wellesberg - sein eigener Flugplatz.

 Schwindelfrei: Der Hennefer Gleitschirmflieger Klaus Göhring macht Fotos aus der Luft. FOTO: KLAUS GÖHRING

Schwindelfrei: Der Hennefer Gleitschirmflieger Klaus Göhring macht Fotos aus der Luft. FOTO: KLAUS GÖHRING

Foto: Klaus Göhring

Klaus Göhrings Freiheit hat 21 PS. Wenn er seinen Propeller auf den Rücken schnallt, rattert hinter ihm ein Benzinmotor. Der ein Meter lange Propeller schiebt ihn nach vorne. Mit den beiden Steuerleinen in den Händen richtet er den Gleitschirm über sich in den Wind. Dann reichen wenige schnelle Schritte und er hebt ab. Göhring lässt sich in die Gurte fallen und fliegt. Wenn die Straßen zu Strichen und die Menschen zu Punkten werden, spürt er das, was ihn wirklich antreibt: „Die absolute Freiheit, mehr geht nicht.“

Klaus Göhring ist der fliegende Fotograf aus Hennef. Seit 15 Jahren segelt er mit seinem Motorgleitschirm über den Rhein-Sieg-Kreis. Immer dabei: die Bauchtasche mit der Olympus E 620. Wenn wenig Wind ist, lässt er die Steuerleinen los, holt die Kamera heraus und fotografiert. Auf diese Weise hat er mittlerweile mehr als 30 000 Bilder gemacht.

Fragt ihn jemand, wie das mit dem Fotografieren aus der Luft angefangen hat, dann erzählt er die Geschichte von der Bohnenstange. Als Zehnjähriger wollte Göhring das Haus seiner Eltern aus einer ungewöhnlichen Perspektive knipsen. Dazu befestigte er seine Kamera an einer Bohnenstange. Die wiederum band er an eine Leiter und machte so per Selbstauslöser seine ersten Luftbilder. Dass er noch höher hinaus wollte, merkte er wenig später auf einem Flugplatz bei Koblenz. Sein Vater war mit ihm zu einer Fallschirm-Übung der Bundeswehr gefahren. „Das war total faszinierend“, sagt Göhring heute. Er sah, wie die Menschen aus dem Flugzeug sprangen, wie sich die Fallschirme öffneten und die Springer langsam zur Erde segelten. „Da wusste ich sofort: Das will ich auch.“

Vom ersten eigenen Geld bezahlte Göhring einen Fallschirmkurs und machte mit 20 Jahren seinen ersten Fallschirm-Sprung. Zum Gleitschirmfliegen kam er später durch einen Zeitungsbericht. „Ich habe das gelesen und gedacht: 'Das ist genau für mich gemacht.'“ In 40 Unterrichtsstunden lernte er die Theorie: Luftrecht, Flugfunk und Navigation. Dann absolvierte er die praktische Piloten-Prüfung.

Heute darf er mit seinem Gleitschirm auf eine Höhe von etwa 500 Metern aufsteigen. Allerdings nicht überall. Die Einflugschneise des Flughafens Köln-Bonn beispielsweise ist tabu, dazu zählt auch der Luftraum über seiner Heimatstadt Hennef. Im April 2010 machten die Verantwortlichen im Flughafen-Tower jedoch eine Ausnahme. Damals war im Süden Islands gerade der Vulkan mit dem schwer auszusprechenden Namen Eyjafjallajökull ausgebrochen. Wegen der Vulkanasche in der Luft mussten viele Linienflugzeuge am Boden bleiben. Das war Göhrings Glück. So war im Luftraum über Hennef Platz für ihn und seinen Motorgleitschirm.

Start und Ziel von Göhrings Touren ist meist eine Wiese hinter seinem Haus in Wellesberg. Hier hat Göhring seinen eigenen Flugplatz, offiziell angemeldet beim Regierungspräsidium in Düsseldorf. „Das war ein ziemlich aufwendiges Verfahren“, erzählt der fliegende Fotograf. „Sechs verschiedene Behörden waren beteiligt.“ Es ging jedoch nicht anders: Ohne diese Genehmigung müsste er für jeden Start und jede Landung zu einem öffentlichen Flughafen fahren.

„Anfangs haben die Nachbarn noch neugierig geguckt, inzwischen kennen sie mich als fliegenden Fotografen“, sagt Göhring. Mehr als 700 Flüge hat er inzwischen hinter sich, kürzlich hat er die Marke von tausend Flugstunden geknackt. „So habe ich einmal die Erde umrundet.“ Solche Zahlen muss er nicht irgendwo nachschlagen – er hat sie im Kopf.

Fotografiert hat Göhring bei seinen Flügen fast von Anfang an. Am liebsten Burgen, Schlösser und Kirchen. Einige der Bilder schickt er an Zeitungen und Magazine. Außerdem arbeitet er an seinem zweiten Bildband mit Luftaufnahmen des Rheinlands. Doch er fotografiert nicht nur für andere. Jeden Morgen schaut er sich einige seiner Bilder an. Wenn er so in seinem Wohnzimmersessel sitzt, zurückgelehnt und die Beine übereinander geschlagen, strahlt der 62-Jährige das aus, was er in seinem Leben gar nicht haben möchte: Ruhe. Vor mehr als zwei Jahren Jahren hat er seinen Job bei der Bank aufgegeben – fünf Jahre vor dem offiziellen Rentenalter. Er wollte mehr Zeit für sich und seine Hobbys, sagt er.

Obwohl er nicht mehr arbeitet, sei er zu hundert Prozent ausgelastet. Mit dem Vorruhestand erfüllte sich Göhring einen weiteren Jugendtraum und kaufte einen alten VW-Bus. „Das ist toll. Wenn ich irgendwo Freunde besuche, kann ich meinen Gleitschirm mitnehmen und im Bus schlafen“, sagt er. Er möchte nicht alt sein. In 42 Berufsjahren sei er nur zweimal wegen einer Grippe krank gewesen. Pläne für weitere Routen hat er reichlich. Über Dubai würde er gerne einmal fliegen. Oder im New Yorker Central Park starten. „Manchmal tun mir andere Menschen richtig leid“, sagt Göhring. „Es gibt so viele Menschen, die die Welt nur vom Boden aus sehen können.“

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