Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Hennef Der fast vergessene Campus

Hennef · Internat statt WG, Urlaub statt Ferien: 200 Studenten lernen am Hochschulstandort Hennef. Für manche ist die Lehranstalt ihre Ersatzfamilie.

 Marlene Klier, Martin Brassat und Anika Stadje (von links) studieren im vierten Semester am Campus Hennef.

Marlene Klier, Martin Brassat und Anika Stadje (von links) studieren im vierten Semester am Campus Hennef.

Foto: Franziska Jünger

9.45 Uhr: Die Türen des Hörsaals öffnen sich, und etwa 30 Studenten strömen auf den Flur des Hennefer Standorts der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg. Zwischen Backsteinwänden und kleinen Oasen aus künstlichen Pflanzen und Wasserspielen studieren diese jungen Menschen nicht nur, sie leben hier auch. Vielen Hennefern ist es nicht bewusst, aber seit 2003 ist der Fachbereich Sozialversicherung der Hochschule am Steimelsberg in Hennef untergebracht – ein Standort, der weniger wahrgenommen wird als in Sankt Augustin oder Rheinbach.

In dem 70er-Jahre-Bau der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die auch Kooperationspartner des Fachbereiches ist, gibt es viele Dinge, die typisch sind für einen Campus: Hörsäle und Seminarräume, PC-Pools, eine Bibliothek und Mensa sowie etwa eine Bierstube und einen Billardraum. 214 Einzelzimmer ermöglichen es den Studenten, am Campus zu leben. Das ist notwendig, denn die jungen Menschen, die der duale Bachelor-Studiengang Sozialversicherung mit Schwerpunkt Unfallversicherung anzieht, kommen aus ganz Deutschland.

Martin Brassat verließ seine Heimatstadt Berlin für das Studium in Hennef: „Es war natürlich schon eine Umstellung. Ich freue mich aber immer auf Hennef und die Leute hier. Das Internatsleben hat irgendwie was.“ Und so ganz muss er auch nicht auf das Großstadtleben verzichten. Regelmäßig fährt der 22-Jährige zum Arbeiten nach Berlin. Zum dualen System gehören praktische Phasen, die die Studenten bei Berufsgenossenschaften verbringen, mit denen sie nach erfolgreicher Bewerbung einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben und von denen sie an die Hochschule gesandt wurden.

Finanzielle Sicherheit

Anika Stadje schätzt neben der Praxis- und Arbeitserfahrung vor allem die finanzielle Sicherheit: „Wir bekommen Geld, während wir studieren, und die Berufsgenossenschaften übernehmen einen in der Regel. Da hat man schon in jungen Jahren eine sichere Basis.“ Jura, BWL, psychologische oder medizinische Vorlesungen – das Spektrum an Themen mache den Studiengang so attraktiv. Dass so ein großes Gemeinschaftsgefühl entsteht, ist offensichtlich. „Manchmal sind die Leute hier wie eine Ersatzfamilie“, sagt Anika.

Bei aller Begeisterung für das Fach und die Menschen sieht die Essenerin auch Nachteile: „Es gibt schon mal Momente, in denen einem die Decke auf den Kopf fällt. Dann ist es hier oben doch ein bisschen einsam und verlassen, und man kann nicht so spontan irgendwohin.“

Das Hennefer Zentrum ist für diejenigen, die kein Auto haben, nur zu Fuß zu erreichen. Ein Bus fährt nicht. Die Studenten wissen sich aber zu helfen: Einmal im Monat veranstaltet der Fachschaftsrat eine eigene Party. Ob sich an der Verkehrsanbindung etwas ändern wird? „Es gab zwar schon Gespräche mit der Stadt, bisher war der Bedarf aber einfach nicht groß genug“, erklärt Vincenzo Cusumano, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich.

"Besser als Hotel Mama"

Einkaufen müssen die Studenten bei vier Mahlzeiten am Tag aber auch nur selten etwas. „Das ist hier schon großer Luxus. Besser als Hotel Mama“, findet Martin Brassat. Die Zimmer werden zwei Mal die Woche geputzt.

Nur um die Wäsche müssen sich die jungen Leute selbst kümmern. Dafür müssen die Studenten auf Semesterferien verzichten. 30 Urlaubstage im Jahr stehen ihnen zu – so wie später im Berufsleben. Am späten Freitagvormittag klackern schon die ersten Rollkoffer durchs Foyer. Viele Wochenendfahrer werden erst am Sonntagabend zurückkehren – zurück zu ihrer Ersatzfamilie.

Der Fachbereich Sozialversicherung

Nach Abschluss ihres Studiums arbeiten die Absolventen in der Regel weiter bei gewerblichen Berufsgenossenschaften oder bei Unfallkassen der öffentlichen Hand, die alle unter dem Dachverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) stehen und Menschen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichern.

Zu den Arbeitsbereichen zählen beispielsweise die Rehabilitation, Prävention, IT oder die Personalentwicklung. Neben dem Bachelorstudiengang Sozialversicherung gibt es am Hennefer Standort seit dem Wintersemester 2015/2016 auch den internationalen Master „Analysis and Design of Social Protection Systems“. Ab 2017 soll zudem das weiterbildende Studium „Präventionsberatung und betriebliche Beschäftigungssicherung“ angeboten werden. Weitere Infos gibt es im Internet unter der Adresse www.h-brs.de/de/sv.

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