Kommunalpolitik im Rhein-Sieg-Kreis Dringlichkeitsentscheide sind auch in der Krisenzeit die Ausnahme

Rhein-Sieg-Kreis · Dringende Beschlüsse, nicht aufschiebbare Entscheidungen bleiben die Ausnahme: In den Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis funktionieren die politischen Mechanismen auch in der Corona-Krise.

 Die Stühle in den Sitzungssälen bleiben zurzeit leer, wie hier in Sankt Augustin.

Die Stühle in den Sitzungssälen bleiben zurzeit leer, wie hier in Sankt Augustin.

Foto: Martina Welt

Ratsbeschlüsse per Umlaufverfahren? Die NRW-Landesregierung hat am Mittwoch ein neues Pandemie-Gesetz verabschiedet. Darin sollen Kreisen, Städten und Gemeinden Beschlüsse im vereinfachten Verfahren ermöglicht werden. So könnte ein Stadtrat zum Beispiel schriftlich abstimmen, statt zusammenzutreten.

Nach dem sogenannten Umlaufverfahren könnten Beschlüsse ohne Zusammenkunft eines Gremiums durch Gegenzeichnung der Mitglieder auf schriftlichem Wege gefasst werden.

Kritik vom Präsidenten des Landkreistags

An dem Verfahren gibt es Kritik. Der Präsident des Landkreistags NRW, Landrat Thomas Hendele (Kreis Mettmann), sagt: „Mit dem Dringlichkeitsverfahren haben wir bereits im geltenden Recht ein Instrument, um kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Das vorgesehene Umlaufverfahren bietet keinen Mehrwert und ist zudem intransparent. Kommunale Demokratie kann und muss im Notfall handlungsfähig, aber auch nachvollziehbar bleiben.“

Kommunen warten auf weitere Informationen

Wie gehen die Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis damit um? Beim Kreis heißt es, man könne dazu noch nichts sagen, weil das Gesetz ja noch ganz frisch sei. Bei der Stadt Troisdorf laufen aktuell die Vorbereitungen für die am 21. April geplante Ratssitzung.

„Mitte kommender Woche hoffen wir dann, die notwendigen Informationen des Landes zu bekommen. Voraussichtlich am 8. April wird sich der Ältestenrat mit der Thematik beschäftigen“, so Stadtsprecherin Bettina Plugge. „Würde die Ratssitzung stattfinden, fände sie an einem Tagungsort statt, der die erforderlichen Mindestabstände zwischen den Teilnehmern gewährleistet.“

In Königswinter wurde der Sitzungszyklus vor der Einstellung des Sitzungsbetriebs nahezu abgeschlossen, so Carsten Herrmann, Leiter des Vorstandsbüros bei der Stadt Königswinter. Daher vereinbarten die Fraktionschefs mit dem Bürgermeister, nicht aufschiebbare Beschlüsse im Wege von Dringlichkeitsentscheidungen zu fassen. Herrmann betont, dass es sich „ausschließlich um bereits in Ausschüssen beratene Punkte“ handele.

Die Gemeindeordnung sehe vor, dass der Rat in seiner nächsten Sitzung diesen Dringlichkeitsentscheidungen zustimmen muss. „Der neue Sitzungszyklus beginnt erst Mitte Mai. Ob der im Gesetzentwurf aufgeführte entsprechende Paragraf zur Anwendung kommen soll, kann noch nicht abgeschätzt werden. Die Stadt Königswinter begrüßt jedoch die Initiative des Landes, geeignete Lösungswege zur Verfügung zu stellen.“

Im Einvernehmen mit allen im Rat der Stadt Sankt Augustin vertretenen Fraktionen werden die unbedingt notwendigen Entscheidungen zurzeit per Dringlichkeitsentscheidung getroffen, teilt die Pressesprecherin der Stadt, Claudia Oberdörfer, mit. Die Öffentlichkeit sei derzeit dadurch gewährleistet, dass alle Dringlichkeitsentscheidungen in der nächsten Sitzung des zuständigen Gremiums zur Genehmigung auf der Tagesordnung stehen. Die öffentlichen Dringlichkeitsentscheidungen sind dann auf der Internetseite der Stadt einsehbar.

In der Corona-Krise gab es bislang 20 Dringlichkeitsentscheidungen, davon waren zwölf öffentlich und acht nicht öffentlich. Da die genaue Ausgestaltung des neuen Gesetzes noch nicht bekannt sei, warte die Stadt noch ab. Oberdörfer: „Über dann gegebenenfalls mögliche neue Entscheidungs- und Beschlussverfahren wird die Stadt die Fraktionen informieren.“

Ähnlich sieht es bei der Stadt Hennef aus. „Momentan sind Rats- und Ausschusssitzungen für die Zeit nach Ostern terminiert und im Übrigen ja trotz der Corona-Verordnung prinzipiell möglich“, sagt Stadtsprecher Dominique Müller-Grote. „Sofern es nötig wird, dass Beschlüsse im Wege des vereinfachten Verfahrens gefasst werden, wie es der Gesetzentwurf vorsieht und sofern dieser auch Gesetzeskraft erlangt, müssen diese eilbedürftigen Angelegenheiten öffentlich im geeigneten Wege bekannt gemacht werden.“ In Hennef seien das das Ratsinformationssystem und das Mitteilungsblatt.

 Für die Woche nach den Osterferien, am Donnerstag, 23. April, plant die Stadt Bornheim die nächste Ratssitzung. Das Gremium kommt nicht wie üblich im Ratssaal zusammen, sondern in der Turnhalle des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, „um die entsprechenden Abstände sicherzustellen“, wie Stadtpressesprecher Christoph Lüttgen sagt.

Zum Erliegen komme die Kommunalpolitik in Bornheim nicht. Seit dem 13. März informiere der Bürgermeister die Fraktionschefs „laufend, manchmal mehrmals täglich – auch am Wochenende“, so Lüttgen, per E-Mail über Sachstand und Maßnahmen zur Corona-Pandemie. Vor zwei Wochen gab es ein interfraktionelles Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden zu Corona. Der Termin fand im Ratssaal statt, um den Abstand zwischen den Teilnehmern einhalten zu können.

Vereinbart wurde, alle Sitzungen bis nach den Osterferien abzusagen und nicht aufzuschiebende Entscheidungen im Wege von Dringlichkeitsentscheidungen zu treffen. „Mehrere Dringlichkeitsentscheidungen mussten insbesondere bei Vergaben bereits auf den Weg gebracht werden, um Maßnahmen nicht unvertretbar zu verzögern“, so Lüttgen. Aktuell stehe die Dringlichkeitsentscheidung über die Elternbeitragsregelung an. Bürgermeister Wolfgang Henseler (SPD) stimme sich mit den Fraktionsvorsitzenden telefonisch oder per E-Mail ab.

Dringlichkeitsentscheide habe es in Rheinbach weder in den vergangenen Wochen noch zuvor in der nahezu 21-jährigen Amtszeit von Bürgermeister Stefan Raetz (CDU) gegeben, wie Stadtpressesprecher Norbert Sauren erklärt. Das in der Gemeindeordnung verankerte Instrument „Dringliche Entscheide“ sei nämlich „rechtlich bedenklich, auch wenn diese Entscheidungen dem Rat beziehungsweise dem Ausschuss in der nächsten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen wären“, so Sauren. Entscheidende Kriterien seien, dass eine Einberufung der Gremien nicht rechtzeitig möglich ist und eine Entscheidung nicht aufgeschoben werden kann.

„Einer rechtzeitigen Einberufung steht – auch unter Beachtung der aktuellen Fassung der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus – nichts entgegen“, sagt Sauren. „Darüber hinaus müssen sich die erheblichen Nachteile oder Gefahren aus dem Beratungsgegenstand ergeben, nicht aus der von uns subjektiv empfundenen gefährlichen Lage aufgrund der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus.“ Darum begrüßt die Stadt den Gesetzentwurf der Landesregierung: „Sollte dieser Gesetzeskraft erlangen, wäre das für Rheinbach eine Alternative zum üblichen Verfahren“, so Sauren.

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