Lesung in Sankt Augustin "Die Alters-WG scheint extrem selten"

Sankt Augustin · Interview mit dem Autor Christoph Poschenrieder, der aus seinem Buch „Mauersegler“ liest.

 Journalist, Philosoph und Schriftsteller: Der in München lebende Autor Christoph Poschenrieder liest in der Sankt Augustiner Bücherstube. FOTO: GERI KRISCHKER/ © DIOGENES VERLAG

Journalist, Philosoph und Schriftsteller: Der in München lebende Autor Christoph Poschenrieder liest in der Sankt Augustiner Bücherstube. FOTO: GERI KRISCHKER/ © DIOGENES VERLAG

Foto: Geri Krischker

Eine Alters-WG mit Jugendfreunden, eine Computer-software zur Sterbehilfe und das nötige Kleingeld, um sich den Lebensabend in einer Villa am Starnberger See samt Haushälterin zu verschönern: Die Themen, die die fünf älteren Herren im neuen Roman von Christoph Poschenrieder umhertreiben, haben Tiefe. Und sie werfen Fragen nach der Art des Alterns und des Sterbens auf. Mit seinem feinnervigen, humoristischen Schreibstil geht Poschenrieder den Themen in seinem Roman „Mauersegler“ auf den Grund. Vor seiner Augustiner Lesung am morgigen Mittwoch sprach Christoph Poschenrieder mit über seine Schreibgewohnheiten, seine Wünsche für das Alter und die Wohnform der Zukunft.

Sie haben in München Philosophie studiert und arbeiteten unter anderem als Zeitungsjournalist, drehten Dokumentarfilme und waren Autor von Computersoftware-Handbüchern. Wie vereinbaren sich für Sie Philosophie und Informatik?

Christoph Poschenrieder: Viele Dinge habe ich nebeneinander gemacht, weil es auch immer darum ging, den Lebensunterhalt zu verdienen. Aber auch wenn es sich da grundsätzlich um verschiedene Sphären handelt, gibt es doch vielerlei Berührungspunkte. Die Grundlagen der klassischen und modernen Philosophie sind in die Informatik eingeflossen, das geht bis in die Sprachlogik und die Sprachphilosophie. Es ist wie im ganz normalen Leben, dass verschiedene Sphären koexistieren.

Sie sind momentan auf Lesereise, Dienstag in Köln, Mittwoch in Sankt Augustin, Donnerstag in Berlin. Stellen Sie dabei fest, dass sich bei Ihrem aktuellen Buch „Mauersegler“ eine bestimmt Zielgruppe angesprochen fühlt?

Poschenrieder: Das kann ich so nicht feststellen. Eigentlich ist das Publikum so wie bei meinen anderen Romanen auch, vielleicht ist diesmal der Anteil an älteren Herren etwas größer. Es gibt aber grundsätzlich immer ein aufgeschlossenes Publikum bei Autorenlesungen.

Ihr Buch „Mauersegler“ handelt von fünf alleinstehenden, gut situierten Herren, die sich seit Kindesbeinen kennen und zu einer Alters-WG zusammenschließen. Hat diese Wohnform Zukunft?

Poschenrieder: Ich hoffe doch. Nach meinen Lesungen frage ich immer gerne in die Runde, ob jemand in einer Alters-WG lebt oder eine kennt. Bisher war noch niemand dabei. Und wenn sie auf die Webseite des Bundesfamilienministeriums gehen, dann muss man doch leider feststellen, dass es dort auch keine Zahlen dazu gibt. Die Alters-WG ist zwar in aller Munde, scheint aber extrem selten zu sein.

Sie sind 51 Jahre alt. Wie würden Sie sich denn wünschen, im Alter zu leben? Bei den Kindern, im Seniorenstift oder in der Alters-WG?

Poschenrieder: Meine Frau und ich haben viele Freunde in München, und da wir keine Kinder haben, würden wir es uns auch wünschen, im Alter mit Freunden zusammenzuleben, zusammen mit Menschen, die man mag und mit denen man sich gerne umgibt – das wäre schon eine schöne Vorstellung. Aber eher nicht in einer Villa am Starnberger See.

Nimmt diese Vorstellung, im Alter mit Freunden zu leben, ein wenig die Angst vor dem Sterben?

Poschenrieder: Das könnte ich mir vorstellen. Freunde oder das familiäre Umfeld geben das Gefühl von Nähe und Geborgenheit. Das macht sicherlich vieles leichter.

Und auch das Thema Sterbehilfe ist ein Thema dieses Buches. Denken Sie, dass jeder Einzelne sich das Recht auf eine individuelle Beantwortung dieses Themas nehmen sollte?

Poschenrieder: Ich habe dazu keinen abschließenden Rat und auch keine Forderung dazu. Es wird wahrscheinlich immer eine gewisse Grauzone übrigbleiben. Denn keine Situation ist wie die andere. Wie jemand lebt, welche Erkrankung er hat, welcher Lebensumstand ihn dazu treibt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen – das alles sind Faktoren, die jeder für sich selbst beantworten muss.

Sie haben den Villa Concordia-Preis 2015 bekommen und befinden sich dazu seit elf Monaten in Bamberg, anschließend folgt ein weiterer Stipendienaufenthalt in Venedig, den sie dem Rom-Preis 2016 zu verdanken haben. Was machen Sie dort?

Poschenrieder: Wie bei jeglicher künstlerischer Betätigung lassen sich dazu keine Vorschriften geben. Ich könnte also einfach die Städte genießen und nichts tun. Das ist natürlich nicht so. Ich bringe mich hier in Bamberg die letzten elf Monate auch etwas in das Kulturleben der Stadt ein. Vor allem aber schreibe ich an meinem neuen Roman.

Verraten Sie uns ein wenig mehr darüber?

Poschenrieder: Dazu wäre es noch zu früh. Ich stehe noch am Anfang des neuen Buches und bin mit den Themen noch nicht ganz so weit, dass ich davon erzählen möchte. Aber ich kann verraten, dass es auch durch Schauplätze der Bamberger Gegend inspiriert ist.

Und wie schreiben Sie Ihre Romane – klassisch, mit Notizblock und Stift, oder am Computer mit einem Schreibprogramm?

Poschenrieder: Solange ich zurückdenken kann, schreibe ich am Computer. Das ist für mich eine solche Selbstverständlichkeit geworden, dass ich noch nicht einmal einen Notizblock dabei habe. Manchmal kritzele ich etwas spontan auf eine Fahrkarte, oder eine Quittung muss als Schreibunterlage herhalten. Aber ich denke, dass man sich einen guten Gedanken auch merken können muss. Und wenn ich etwas nicht für drei Stunden im Kopf behalten kann, dann war es wohl auch besser, den Gedanken verworfen zu haben.

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