Flüchtlinge in Sankt Augustin Helfer im Behördendschungel

SANKT AUGUSTIN · Flüchtlingspaten aus Sankt Augustin berichten über ihre Erfahrungen und werben für Engagement in den Unterkünften.

 Arm in Arm: Die Flüchtlingspaten beim Treffen mit den Asylbewerbern im Pfarrheim Mülldorf.

Arm in Arm: Die Flüchtlingspaten beim Treffen mit den Asylbewerbern im Pfarrheim Mülldorf.

Foto: Holger Arndt

Die Stimmung ist gut im Mülldorfer Pfarrheim. Es wird gescherzt, gelacht – aber auch ernste Töne sind zu vernehmen, vor allem aus dem Mund von Ashraf Matar (33). Er ist ebenso wie seine vier Landsleute Omar Al Hamoud (20), Osama Safar (32), Yamen Al Hboubati (27) und Sewar Al Tarboush (22) im vergangenen Jahr aus Syrien nach Deutschland geflohen. Die fünf Syrer repräsentieren das, wovor derzeit einige Deutsche Angst haben: Sie sind allein reisende und junge Männer.

Natürlich ist an diesem Abend auch die Rede von den Straftaten an Silvester am Kölner Hauptbahnhof und es drängt den jungen Architekten Matar, seinen Standpunkt dazu öffentlich kundzutun. „Wir wünschen uns ein Leben in Frieden, lernen Deutsch und suchen nach einer Arbeit“, versucht er zu erklären, dass die Wünsche der Flüchtlinge denen der Deutschen sehr ähnlich sind. Was sie suchten, sei ein normales Leben – am liebsten in ihrem Heimatland. Und für einige der Syrer aus der Schiffstraße ist jetzt schon klar, dass sie wieder zurückkehren möchten, sobald der Krieg in ihrem Land beendet ist.

Negatives über Deutschland oder die Deutschen kommt den Fünfen nicht über die Lippen. Sie lernen die Sprache, versuchen zu verstehen, wie die Lebensgewohnheiten hier sind und staunen über die Busse, die sich an den Haltestellen nach unten bewegen, um den Einstieg zu erleichtern, berichtet Maschinenbauingenieur Yamen Al Hboubati.

Hilfe bekommen die Fünf und die mehr als 30 weiteren Flüchtlinge in der Turnhalle an der Schiffstraße von den Flüchtlingspaten, die dieses Gespräch organisiert haben. An diesem Abend sind es Peter und Veronika Hecken, Margret Halbach, Christina Wortmann, Anna Prange und Susanne Keiser mit Klaus Hanebuth. Es war ein Bericht im General-Anzeiger, der Christina Wortmann dazu bewog, im September vergangenen Jahres in die Turnhalle zu gehen. „Ich wollte wissen, ob da jemand ist und man vielleicht Hilfe braucht.“ Ausgestattet mit Brezeln und Gebäck machte sich die Eigentümerin einer Marketing-Agentur auf den Weg. „Plötzlich war ich umringt von zehn bis zwölf Männern, wir kamen ins Gespräch, auf Englisch, Französisch, mit Händen und Füßen“, erinnert sie sich.

Die übrigen Paten fanden den Weg in die Schiffstraße einen Monat später über eine Informationsveranstaltung der Kirchengemeinde. Sie wurde im Rahmen der Aktion „Neue Nachbarn“ des Erzbistums Köln initiiert. Die Hilfe kam ins Rollen. Sprachpaten oder Begleiter zu Gängen in Behörden, Kitas, Schulen oder Ärzten wurden gesucht und gefunden.

Einmal monatlich treffen sich die Paten, tauschen Erfahrungen aus und planen neue Aktionen. Inzwischen sind Freundschaften zu den Flüchtlingen, aber auch untereinander entstanden. Vier der fünf Männer haben bereits den Bescheid, dass sie im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind. Im Durchschnitt rund vier Monate leben sie bereits in der Turnhalle gemeinsam mit anderen Männern aus elf Nationen. Die täglichen Sprachkurse sind da eine willkommene Abwechslung in dem nervenzehrenden Alltag. Die Langeweile, der immer selbe Küchengeruch verschiedener Köche: All das mache die Situation auf Dauer nicht einfacher. Dennoch: Die Fünf sind sich einig, dass es bisher in der Turnhalle noch keine größeren Zwischenfälle gegeben hat – und darauf sind sie auch ein bisschen stolz. „Für mich ist es wichtig, Vertrauen für beide Seiten aufzubauen, denn nur dann ist Integration möglich“, glaubt Veronika Hecken. Anna Prange ist Ärztin und hat selbst Migrationshintergrund. Die Polin ist zunächst einmal begeistert, dass die katholische Kirche sich um überwiegend muslimische Flüchtlinge kümmert. „Ich war überrascht, wie nett die Leute sind“, meint sie.

„Die Berührungsängste sind auf beiden Seiten da“, versucht Christina Wortmann zu erklären. Viele syrische Frauen trauten sich kaum, aus dem Haus zu gehen. Peter Hecken ärgert sich über so manches geflügelte Wort, denn für ihn gibt es keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der Verwaltung wegen Überforderung. Auch den Begriff Willkommenskultur findet er „blöd“, denn das sollte einfach Normalität sein.

Weitere Flüchtlingspaten werden gesucht: Das nächste Begegnungsfest wird am Samstag, 20. Februar, ab 14 Uhr im Mülldorfer Pfarrheim gefeiert. Das nächste Treffen der Paten findet am Freitag, 12. Februar, ab 19.30 Uhr ebenfalls im Pfarrheim statt. Anfragen an die E-Mail-Adresse neue-nachbarn@katholisch-sankt-augustin.de.

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