Wolfverdachtsgebiet So werden Tiere vor Wölfen im Rhein-Sieg-Kreis geschützt

Rhein-Sieg-Kreis · Der Wolf ist in der Region angekommen: Teile des Rhein-Sieg-Kreises gehören zum neuen „Wolfsverdachtsgebiet Oberbergisches Land“. Kein Grund zur Panik, meint Wolfsberater und Siebengebirgsförster Marc Redemann.

Teile des Rhein-Sieg-Kreises gehören seit Dezember zum „Wolfsverdachtsgebiet Oberbergisches Land“.

Teile des Rhein-Sieg-Kreises gehören seit Dezember zum „Wolfsverdachtsgebiet Oberbergisches Land“.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

„Ich bin mir sicher, dass der Wolf in Nordrhein-Westfalen sesshaft wird. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Die Prognose, die Marc Redemann, Förster im Siebengebirge und Wolfsberater für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis, im Juli 2018 im Gespräch mit dem GA geäußert hat, hat sich bewahrheitet. Der „Canis Lupus Lupus“ ist bei uns angekommen. Mit Erlass vom 6. Dezember 2019 hat die Landesregierung das „Wolfsverdachtsgebiet Oberbergisches Land“ ausgewiesen – das erste in Nordrhein-Westfalen.

Das 908 Quadratkilometer große Areal umfasst auch Teile des Rhein-Sieg-Kreises. Betroffene Städte sind Bad Honnef, Hennef, Königswinter, Lohmar und Siegburg sowie die Gemeinden Eitorf, Much, Neunkirchen-Seelscheid und Ruppichteroth.

Die wichtigste Nachricht für Nutztierhalter: Sie können jetzt Fördergelder beantragen, wenn sie in vorbeugende Maßnahmen zum Herdenschutz investieren möchten. Bezuschusst werden zum Beispiel der Erwerb von Elektrozäunen sowie die wolfssichere Optimierung bestehender Zäune.

Eine Wölfin hat sich angesiedelt

Der Hintergrund: Zwischen Juli und November 2019 wurden in Much und Lohmar sowie im Bereich des Rheinisch-Bergischen-Kreises (Lindlar) und des Oberbergischen Kreises (Hückeswagen, Engelskirchen, Nümbrecht) neun Risse von Nutztieren einem Wolf zugeordnet. Zudem wurde an zwei Fotofallen ein Wolf nachgewiesen. Die genetische Analyse ergab, dass die letzten sechs Risse derselben Wölfin zugeordnet werden konnten.

Auch im Kreis Neuwied, bei Sankt Katharinen, ist besagter Wolfsdame der Kennung GW1433f ein Tier zum Opfer gefallen. „Die Wölfin hat sich vermutlich zunächst im Oberbergischen angesiedelt, ist dann nach Süden gewandert und danach wieder zurückgekehrt“, so Redemann.

Begegnungen sind nicht unwahrscheinlich

Nicht zum Wolfsverdachtsgebiet zählen das Siebengebirge und der Ennert, da sie jenseits der Autobahn A 3 liegen, die quasi als Grenze fungiert. Es ist aber nicht auszuschließen, dass „Canus Lupus Lupus“ auch hier herumstreift.

Da die Reproduktionsrate bei Wölfen hoch ist und Jungtiere etwa im Alter von ein bis zwei Jahren das elterliche Rudel verlassen, um ein eigenes Revier zu suchen, ist es nicht mal unwahrscheinlich, einen Wolf auf Wanderschaft zu Gesicht zu bekommen. „Es ist viel Bewegung momentan“, so Redemann.

Bad Honnefer beobachtet mehrere Tiere

So ist sich der Bad Honnefer Eberhard Haake sicher, am 12. Dezember auf dem Stellweg im Siebengebirge Wölfe gesehen zu haben. „Ich war mit dem Hund unterwegs, als plötzlich in vierzig oder fünfzig Metern Entfernung ein ausgewachsener Wolf den Weg kreuzte, der zwei Welpen im Gefolge hatte“, berichtet er. Das Tier habe kurz zu ihm geschaut und sei dann im Unterholz verschwunden. Wenige Augenblicke später habe noch ein kleiner Nachzügler den Weg überquert.

Angst hatte Haake beim Anblick der Raubtiere nicht: „Ich habe noch nie gehört, dass ein Mensch durch einen Wolf zu Schaden gekommen ist.“ Er bezeichnet es vielmehr als Glück, die Tiere gesehen zu haben: „Ich hätte hier gar nicht mit Wölfen gerechnet.“ Haake ist sich absolut sicher, dass es sich nicht um einen großen Hund oder ein anderes Tier gehandelt hat: „In Schweden habe ich schon viele Wölfe in freier Wildbahn gesehen.“

Experten begutachten Spuren und Fotos

Bestätigte Wolfssichtungen gebe es allerdings im Siebengebirge nicht, so Redemann. Nur die Aussage, einen Wolf gesehen zu haben, reiche dafür nicht aus. Wolfsberater sichern und dokumentieren Spuren, die dann von Experten im Landesumweltamt bewertet werden. Auch anhand von Fotos können Fachleute mit großer Sicherheit sagen, ob es sich um das Großraubtier handelt.

Bedenken, künftig im Wald spazieren zu gehen, muss laut Redemann niemand haben. „Der Wolf ist ein scheues Tier, das dem Menschen aus dem Weg geht. Vor einer Attacke durch einen nicht angeleinten Hund muss man sich da viel eher fürchten.“

Nutztierhalter im betroffenen Gebiet sollten sich allerdings schon Gedanken um die Sicherheit ihrer Tiere machen. „Wenn ich Schafe hätte, die nur durch eine einfache Stacheldrahtlitze gesichert auf einer Wiese stehen, würde ich mir schon Sorgen machen.“ Das Problem sei, dass es dem Wolf zu einfach gemacht wird, Nutztiere zu reißen. „Wir müssen daher die Nutztiere besser schützen, zum Beispiel durch spezielle Zäune oder Herdenschutzhunde.“ Tierhalter und Landwirte können sich entsprechend beraten lassen.

Schafzüchter erhalten bis zu 20.000 Euro

Zu den Weidetierhaltern gehört Simon Darscheid aus Hennef-Söven. Er ist erleichtert, dass Teile des Kreises nun zum Wolfsverdachtsgebiet gehören. Als Bezirksvorsitzender des Schafzuchtverbandes NRW hat er vor wenigen Tagen in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer einen Herdenschutztag organisiert, bei dem sich 170 Teilnehmer informieren konnten.

„Die Wölfin ist seit Anfang Juli da. Das Land hat mit seinen Möglichkeiten schnell reagiert“, lobt Darscheid. Er hält seine rund hundert Schafe derzeit im Stall. Sobald sein Antrag genehmigt ist, will er mobile Zäune bestellen und hofft, dass die Tiere dann wieder raus können. „Einen Festzaun kann ich nicht beantragen, der ist zu teuer“, erklärt er mit Blick auf die De-Minimis-Deckelung, die besagt, dass ein Weidetierhalter nur bis zu 20.000 Euro innerhalb von drei Jahren beantragen kann.

Darunter fallen neben den Zäunen auch Tierarztkosten, Kosten für Tierkörperbeseitigung und der Marktwert des Tieres. Ein Wegfall dieser Deckelung wird derzeit diskutiert, weil sie dem Aufwand der Weidetierhalter nicht gerecht wird. Nicht gefördert werden laut Darscheid Herdenschutzhunde. „In NRW ist noch kein Hund gefördert worden“, bedauert er und berichtet von einem Schäfer am Niederrhein, der 18 Hunde angeschafft habe.

Kreis verleiht Elektrozäune

Für die Kommunen wie Hennef, Much und Eitorf gibt es indes keine Auswirkungen, „da es sich lediglich um ein Verdachtsgebiet handelt“, teilt Kreissprecherin Alexandra Wellner mit. Der Kreis unterstützt Nutztierhalter zusätzlich, indem er zwei Elektrozäune verleiht. „Halter, denen ein Tier gerissen und dies durch den Wolfsberater bestätigt wurde, können sich den Zaun ausleihen, um gegen den Wolf gerüstet zu sein, bis sie ein eigenes Netz beschafft haben“, erklärt Wellner.

Auch Hennefs Stadtsprecherin Mira Steffan verweist an die Fachleute beim Kreis und der Bezirksregierung. „Das ist für uns keine besondere Aufgabenstellung“, so Steffan, die über Wolfssichtungen in Hennef nicht informiert ist. Darscheid verweist indes darauf, dass es bereits eine Entschädigung in Hennef gegeben habe, allerdings ohne eindeutiges DNA-Ergebnis.

Auch eines seiner Tiere sei gerissen, ein Wolf jedoch nicht bestätigt worden, so der Landwirt. „Die Kommunen sind nur zuständig, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit auftritt“, sagt Eitorfs Erster Beigeordneter, Karl Heinz Sterzenbach.

Zum Thema Wolfsverdachtsgebiet informiert der Rhein-Sieg-Kreis an diesem Donnerstag im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Landwirtschaft. Die Sitzung beginnt um 16 Uhr im Raum Rhein des Siegburger Kreishauses.

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