Ausstellung in der IAC Galerie Berlin-Königswinter Zwischen Meditation und Groteske

Königswinter · Noch bis Ende März zeigt die Galerie IAC Berlin-Königswinter in der Altstadt Arbeiten der Stuttgarter Künstlerin Regina Nieke. Unter dem Titel "Die Sinnlichkeit des Augenblicks" bannt sie die Momenteindrücke auf die Leinwand.

 Selten eindeutig interpretierbar: In ihren Werken versucht Regina Nieke die Sinnlichkeit des Augenblicks einzufangen.

Selten eindeutig interpretierbar: In ihren Werken versucht Regina Nieke die Sinnlichkeit des Augenblicks einzufangen.

Foto: Frank Homann

Regina Niekes Werke leben von, durch und für Figuren. Fasziniert von der Fotografie Antoine d'Agatas und der Malerei Marlene Dumas', übte das reine, ungetrübt Figürliche schon immer einen starken Reiz auf die gebürtige Stuttgarterin aus.

So stark, dass der Hintergrund ihrer frühesten Bilder gelegentlich weiß blieb: Nur die Figur, sonst nichts, lautete einst ihr Credo – bis ihr Professor an der Berliner Universität der Künstlerin nahelegte, auch mit der Gestaltung des Hintergrundes etwas über die Figuren auszusagen.

Nieke begann, animiert unter anderem von der Kunst Mark Rothkos, die Tiefenwirkung großflächiger Farblandschaften für sich zu entdecken, die die Figuren rahmten und nach und nach aus dem Bildmittelpunkt verdrängten. In allerlei Großstädten rund um den Globus hat sie bereits ausgestellt, nun zeigt sie in der Galerie IAC Berlin-Königswinter unter dem Titel „Die Sinnlichkeit des Augenblicks“ noch bis Ende März eine Auswahl ihres Œuvres, das über mehrere Jahre hinweg eine Vielzahl stilistischer Einflüsse zu einem ebenso eigensinnigen wie faszinierenden Wechselspiel zwischen Meditation und Groteske vereint.

Der Impuls, den sinnlichen Augenblick mit Spray-, Acryl- und Ölfarben einzufangen, entspringt ihrem Interesse für die Philosophie: Nur in der Erinnerung, sagt sie, erhalte der einzelne, unmittelbare Moment Beständigkeit – „eigentlich aber ist das Leben ein flüchtiger Moment nach dem anderen“.

Nieke bemüht sich deshalb nicht, die Welt so zu malen, wie sie ist, sondern tastet sich mit jedem Pinselstrich an ihre eigene Wahrnehmung eines solchen Momentes heran. „Ich male nicht, wie eine Person aussieht“, resümiert sie, „sondern ich male den Eindruck, den die Person auf mich hinterlässt“. Ihr Ziel: das Wesen einer Person dadurch exakt zu erfassen, dass ihr Äußeres alles andere als genau dargestellt wird.

Künstlerische Weiterentwicklung

Jähe Momenteindrücke des Menschseins, isolierte Existenzen in Augenblicken von Schmerz, Sehnsucht und Einsamkeit zieren die eine Hälfte von Niekes Leinwänden – daneben die traumhafte Ruhe scheinbar endlos weiter Farblandschaften, die Figur zum kleinen Detail in üppigen Farbschleiern reduziert.

Was auf den ersten Blick wie ein radikaler Gegensatz wirken mag, ist tatsächlich eine künstlerische Weiterentwicklung. Während die früheren Werke – „voller verdrehter, grotesker Gestalten“, wie eine Besucherin erstaunt anmerkt – an die deformierten Figuren Francis Bacons und das Düstere in d'Agatas Fotografien erinnern, vereint Niekes jüngeres Schaffen unter anderem Rothkos geschickten Einsatz leuchtender Farbflächen mit der Weite des Horizonts, der sich der Fotograf Hiroshi Sugimoto in seiner „Seascapes“-Reihe verschrieben hat.

Diese Mehrdeutigkeit des erlebten Augenblicks – soll heißen: Jeder erlebt denselben Moment etwas anders – möchte Nieke auch dem Betrachter vermitteln. Ihre Bilder sind selten eindeutig interpretierbar, nicht einmal Titel zieren die ausgestellten Werke – „weil man sonst meinen Titel liest und sich denkt, 'Ach, ich hab' verstanden, worum es geht'“, erklärt die Künstlerin.

„Ohne Titel“, so heißen offiziell alle Ausstellungsstücke, Niekes ganz persönlicher Titelvorschlag ist in Klammern dahinter gesetzt. Denn: „Ich will nicht vorgeben, was man in meinen Bildern zu sehen hat.“ Geschichten erzählen möchte sie mit ihren Werken nicht, vielmehr den Betrachter ansprechen und anregen.

Etwa mit „Der Spieler“, so nennt Nieke eines ihrer Gemälde, inspiriert von Dostojewskis gleichnamigem Roman über Spielsucht. Zu sehen: eine geisterhaft anmutende Figur, die auf einem ins violette Nichts hineinragenden Schachbrett kauert. In „Das weiße Band“, ein Verweis auf den Spielfilm von 2009, lugt ein graubraun verzerrtes Gesicht zwischen Gitterstäben hervor. „Wie der Film eine unglaubliche Grausamkeit darstellt, ohne sie völlig offensichtlich zu machen, hat mich tief bewegt“, kommentiert die Künstlerin.

Im selben Raum, neben weiteren düster verzerrten Figuren mit klauenartig verkrampften Gliedmaßen, die Gesichter zu Fratzen verzogen, das meditativ-träumerische Kontrastprogramm. Hier ziehen ort- und zeitlose Wasserlandschaften in Blaugrau und leuchtendem Magenta in den Bann, auf dem Wasser je eine winzige Figur samt Boot als einsamer Fixpunkt. Innere Zerrissenheit kontra melancholische Seelenruhe, zersetzender Schmerz wider sanfte Geborgenheit. Intensiver ist die Sinnlichkeit des Augenblicks kaum einzufangen.

Regina Niekes Werke sind noch bis Freitag, 31. März, in den Räumen der Galerie IAC Berlin-Königswinter, Hauptstraße 276, zu sehen. Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung.

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