Erster Bad Honnefer Erbrechtstag Wenn der Nachlass zum Streit führt

BAD HONNEF · Manchmal schrecke er vor dem Kauf eines schönen Stückes zurück. "Ich frage mich dann nämlich, was die Erben später mit der Vase machen werden", sagte Rechtsanwalt Eberhard Rott schmunzelnd.

Was scherzhaft und überspitzt gemeint war, verdeutlichte aber die Krux. "Bei jeder sechsten Erbschaft kommt es zum Streit." In der Internationalen Hochschule führte der Verein "Bonner Erbrechtstag" in Zusammenarbeit mit der Stadtsparkasse Bad Honnef am Samstag den ersten Bad Honnefer Erbrechtstag durch.

Nach dem einführenden Vortrag durch die beiden Fachanwälte für Erbrecht, Eberhard Rott und Hansjörg Tamoj, hatten die 150 Teilnehmer die Möglichkeit, in Workshops die Thematik zu vertiefen. Die hohe Besucherzahl bei dieser Premiere zeigte den Bedarf an Aufklärung. Kaum verwunderlich: 77 Prozent der Deutschen haben gar kein Testament, 20 Prozent nur ein mangelhaftes. "Lediglich bei drei Prozent ist es korrekt", gab Rott zu bedenken.

Dabei haben sich die Vermögen in den vergangenen 20 Jahren enorm entwickelt. Hansjörg Tamoj nannte Zahlen: So kletterte das Reinvermögen der Deutschen zwischen 1991 und 2011 von rund 3953 Milliarden Euro auf insgesamt 9304 Milliarden; das Immobilienvermögen in privaten Händen stieg in diesem Zeitraum von rund 1943 auf 4140 Milliarden Euro. Während das Erbrecht noch von 1900 stamme, hätten sich die sozialen Strukturen aber stark verändert.

Neben den klassischen Familienhaushalten gebe es immer mehr Patchworkfamilien und Singlehaushalte, die das Thema Vererben nicht leichter machen würden. Begriffe wie Berliner Testament, Erbengemeinschaft, Testamentsvollstreckung, Schenkung oder Pflichtteilsverzicht wurden erläutert. Die beiden Fachanwälte rieten, sich rechtzeitig mit der Nachlassregelung zu befassen. Rott: "Zwei Drittel aller über Fünfzigjährigen planen ihren Nachlass, Frauen weit konsequenter als Männer. Frauen erben auch öfter als Männer."

Hilfreich sei es, sich gedanklich Klarheit über die Aufteilung des Vermögens zu verschaffen, dies aufzuschreiben und sich von Fachleuten beraten zu lassen, um Stolperfallen zu umgehen. "Nur erfahrene Juristen durchschauen hoch komplizierte Sachlagen." Wichtig sei es, Prioritäten zu setzen. Zum Beispiel: "Die Versorgung meines Partners ist mir wichtiger, als den letzten Cent Erbschaftssteuer zu sparen."

Die Anwälte rieten auch zum regelmäßigen Testament-Check. "Karl Lagerfeld sagte in einer TV-Sendung, er verändere es dauernd", machte Eberhard Rott deutlich, dass sich auch Prominente wie der Modezar mit diesem Thema herumschlagen müssen und sich Nachfolgeregelungen auch in Königshäusern als schwierig gestalten können. Eine Teilnehmerin sagte: "Ich bin jetzt über 60 und möchte mein Haus bestellen. Die Informationen sind sehr wertvoll, es ändert sich viel im Erbrecht."

KURZ GEFRAGT

Hansjörg Tamoj (52) leitet den Standort Bad Honnef der Anwaltskanzlei Hümmerich legal. Er ist Fachanwalt für Erb- und Verwaltungsrecht und Vorstandsmitglied des Vereins "Bonner Erbrechtstag". Mit dem Bad Honnefer sprach Roswitha Oschmann.

Ein Ehepaar will seinen Nachlass regeln - wo stecken die größten Stolperfallen beim Vererben?

Hansjörg Tamoj: Der größte Stolperstein ist die Erbschaftsteuer. Danach lösen sich viele Dinge von selbst auf - oder auch nicht. Während angehörige Abkömmlinge und Ehegatten sehr hohe Steuerfreibeträge haben, müssen andere Personen, die Erbvermögen erwerben, jeden Betrag, der über 20 000 Euro liegt, versteuern. Das kann zum besonderen Problem bei Patchworkfamilien werden.

Es sind drei Geschwister, die Stieftochter wird vom Erbe ausgeschlossen?

Tamoj: Das gibt es nur in der Soap-Opera im Fernsehen. Sie verliert nie ihren Pflichtanspruch.

Wird die Erbschaft vom Erblasser mit einem Vermächtnis belastet, ist das ein Knebel oder ein interessantes Gestaltungselement?

Tamoj: Das ist ein interessantes Gestaltungselement, weil das Vermögen zielgenau weitergegeben werden kann. Andererseits ist es auch möglich, durch Vermächtnisse Einfluss auf das Verhalten der Erben zu nehmen.

Es gibt ein Ferienhäuschen in Frankreich oder auf Mallorca zu vererben? Was tun?

Tamoj: In jedem Falle ein Testament machen, weil ohne Testament möglicherweise französisches oder spanisches Erbrecht Anwendung findet, vor allem ab August 2015, wenn die neue Erbrechtsreform in Kraft tritt.

Die Workshops

Testamentsgestaltung, Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung, Kontrollbemächtigung, Patientenverfügung oder Bestattungs- und Trauerverfügung waren Gegenstände der Workshops. Der Bad Honnefer Bestattungsunternehmer Christoph Prinz etwa riet, zu Lebzeiten alles zu regeln. So würden eventuelle Unstimmigkeiten zwischen den trauernden Hinterbliebenen über die Art der Bestattung vermieden. Und die Kosten, die schnell bis zu 20.000 Euro erreichen könnten, fielen nicht in die Erbmasse, was zu Steuerersparnis führe.

"Als uns der Verein 'Bonner Erbrechtstag' fragte, ob wir kooperieren wollen, haben wir schnell zugesagt. Erben hängt mit Vermögen zusammen. In diesem Bereich ist es wichtig, aufzuklären und Lösungen aufzuzeigen", sagte Matthias Weiler, Bereichsleiter der Privatkunden bei der Stadtsparkasse, die ebenso wie die Kanzlei Hümmerich legal, die Steuerberatungsgesellschaft Hema, Bestattungen Prinz und der General-Anzeiger als Sponsor auftraten.

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