InsoFa in Bad Honnef und Königswinter Wenn das Kindeswohl gefährdet ist

Königswinter · In Bad Honnef helfen Betreuer beruflich, nebenberuflich oder ehrenamtlich auf dem Gebiet des Kindeswohl. Nach dem Fall Anna im Jahr 2010 hat die Stadt reagiert und die Arbeit von Jugendamt und Beratungsstellen stärker vernetzt.

 Standen schon rund 80 Fachkräften beratend zur Seite: Die InsoFa Christine Schulz, Cornelia Glagla und Ruth Richrath (v. l.).

Standen schon rund 80 Fachkräften beratend zur Seite: Die InsoFa Christine Schulz, Cornelia Glagla und Ruth Richrath (v. l.).

Foto: Hansjürgen Melzer

Der kleine Daniel kommt meistens in schmuddeliger Kleidung in den Kindergarten. Oft hat das Wickelkind auch eine nasse Windel an. In seiner Frühstücksdose befinden sich vor allem Süßigkeiten. Die Erzieherinnen sind in Sorge. Sie wollen sich nicht gleich an das Jugendamt wenden, sie wollen aber auch ihre Fürsorgepflicht für den kleinen Jungen nicht vernachlässigen.

Genau an dieser Stelle könnte die Beratung durch eine Insoweit erfahrene Fachkraft (InsoFa) ansetzen, die die Familien- und Erziehungsberatungsstelle der Städte Bad Honnef und Königswinter seit dem 1. Januar 2014 anbietet.

Personen, die mit Kindern und Jugendlichen beruflich, nebenberuflich oder ehrenamtlich in Kontakt stehen, können bei Verdachtsmomenten einer möglichen Kindeswohlgefährdung ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Neben Erziehern können das Lehrer oder Personen in der Tagespflege, aber zum Beispiel auch der Trainer im Fußballverein sein. Die Beratung ist vertraulich und erfolgt auf Wunsch anonym.

Fall Anna sorgte für Umdenken

„In den ersten beiden Jahren haben wir das als Pilotprojekt kommissarisch gemacht. Nach einem Ratsbeschluss im Jahr 2015 sind die Stellen seit vergangenem Jahr fest im Stellenplan verankert“, berichtet Jürgen Scheidle, der Leiter der Beratungsstelle. Das Bundeskinderschutzgesetz verpflichtet Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Schulen sowie Geheimnisträger wie Ärzte und Therapeuten dazu, in Fragen des Kinderschutzes eng miteinander zu kooperieren.

Wer das Wort Kindeswohlgefährdung hört, denkt in Königswinter und Bad Honnef immer an den Mord an dem neunjährigen Pflegekind Anna im Jahr 2010. Anna wurde von ihrer Pflegemutter in der Badewanne ertränkt. Für das Kind war damals das Königswinterer Jugendamt zuständig. Alle Schutzmechanismen hatten versagt, alle Verantwortlichen waren von der Pflegemutter getäuscht worden, wie später im Prozess deutlich wurde.

Danach versuchten beide Städte, ein System zu installieren, um frühestmöglich Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen. Kein Mitarbeiter des Jugendamtes ist heute mehr allein mit einem Fall und einer Entscheidung. Alles wird im Team besprochen. Dazu gehört auch, dass die Familien- und Erziehungsberatungsstelle räumlich und inhaltlich vom Jugendamt getrennt ist und niederschwellige Angebote wie eben die InsoFa-Beratung anbietet.

Die Häufung von derart traurigen Fällen vor einigen Jahren hat den drei für Bad Honnef und Königswinter zuständigen InsoFa-Beraterinnen Ruth Richrath, Christine Schulz und Cornelia Glagla letztlich zu ihrer heutigen Tätigkeit verholfen. „Die Änderung im Bundeskinderschutzgesetz ist darauf zurückzuführen, dass es bundesweit eine Anzahl von Kindestötungen und Kindesmisshandlungen gab“, sagt Ruth Richrath.

Pro Jahr rund 35 Anfragen

Die Kontaktaufnahme erfolgt meistens telefonisch. Nach dem Anruf im Sekretariat der Beratungsstelle wird ein Termin vereinbart. Wenn sich im Laufe der Beratung der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung erhärtet, erhält die Hilfe suchende Person oder Einrichtung ein Protokoll mit der Empfehlung, den Fall dem Jugendamt zu melden. „Wir haben keine Fall-Verantwortung“, betont Scheidle. Rund 80 Fachkräften aus Kitas, Familienzentren, Schulen und Arztpraxen haben die drei Beraterinnen bisher zur Seite gestanden.

Pro Jahr verzeichneten sie rund 35 Anfragen. Dabei ist es auch schon zu einigen Meldungen von Kindeswohlgefährdungen gekommen. In den meisten Fällen bestätigen sich die Befürchtungen jedoch nicht oder es kann durch das frühzeitige Eingreifen Schlimmeres verhindert werden. „Oft führen schon unsere Gespräche mit den betroffenen Personen zum Erfolg“, berichtet Ruth Richrath. Etwa wenn Familien an die Kollegen von der Familien- und Erziehungsberatungsstelle weitervermittelt werden könnten.

Jürgen Scheidle weist auf den hohen präventiven Anteil der Beratung hin. „Die Qualität liegt auch darin, dass man viele Kinder schon vorher im Blick hat und schon früh eine Handlung passiert.“ Damit werde genau das erreicht, was mit der Änderung des Bundeskinderschutzgesetzes bezweckt worden sei, nämlich Familien früher zu begleiten, sagt Richrath. „Auf jeden Fall ist es besser, einmal zu viel als einmal zu wenig bei uns anzurufen“, sagt Christine Schulz.

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