Kommunalreform 1969 Vor der Neuordnung flogen im Siebengebirge die Fetzen

HEISTERBACHERROTT · Bevor die Städte Bad Honnef und Königswinter entstanden, gab es sogar Bedenken, Berg- und Talbewohner seien sich fremd. Friedrich Müller hat die Zeit als Bürgermeister von Heisterbacherrott miterlebt und erinnert sich.

Er war der jüngste Bürgermeister nicht nur im Siebengebirge, sondern in Nordrhein-Westfalen. Und letztlich war Friedrich Müller sogar der Fortschrittlichste, ein "Leddekopp", wie die Heisterbacherrotter genannt werden, aber einer, der einen kühlen Kopf behielt und mit Weitsicht agierte. Als die Politiker vor der kommunalen Neuordnung 1969 stritten und diskutierten, sagte Müller als Bürgermeister von Heisterbacherrott auf einem Anhörtermin der sogenannten Fliegenden Kommission im Juli 1967 in Oberpleis, seine Gemeinde sei mit jeder Lösung einverstanden. Hauptsache, sie habe das Wohl der Bevölkerung im Auge. "Wir sind sogar bereit, dafür auch unsere Ratssessel zur Verfügung zu stellen", erklärte Müller.

1960 war er mit 26 Jahren in den Gemeinderat eingezogen, vier Jahre später war er Heisterbacherrotter Bürgermeister. Bereits sein Vater Wilhelm ("ein Zentrums-Mann", so der Sohn) engagierte sich in diesem Gremium für den Ort, war im Sportverein und bei der Feuerwehr aktiv. Das Gen, sich einzumischen für die Gemeinschaft, hatte Friedrich Müller, eines von sieben Kindern, nicht von ungefähr. Dabei hatte der junge Raumausstatter und Tapeziermeister noch am Tag der Lossprechung im September 1958, ein Jahr nach der Hochzeit, mit seiner Frau Therese sein eigenes Geschäft eröffnet. Eigentlich genug Arbeit, auch ohne Politik.

Die Politik der kurzen Wege

Aber da waren ein überalterter Gemeinderat in Heisterbacherrott und die Idee, etwas zu verändern. Friedrich Müller arbeitete sich in die kommunalpolitischen Fragen ein, erhielt Offerten von CDU und FDP für einen Platz auf der Reserveliste. Mit anderen jüngeren Kandidaten übersetzte er auf einem Wahlplakat mit den Fotos der Protagonisten die Abkürzung "FDP" als "Freie Dorf-Politik". Mit Erfolg: "Wir wurden stärkste Gruppe in Heisterbacherrott."

So kamen junge Gemeindevertreter zum Zuge, aus deren Mitte der nun 30-jährige Müller zum Bürgermeister gewählt wurde, mit sieben zu sechs Stimmen samt je einer CDU- und SPD-Stimme. Das war 1964. Damals erfolgte die Anregung, nach jeder Gemeinderatssitzung eine Aussprache mit der Bürgerschaft durchzuführen. Es war die Politik der kurzen Wege. "Die Leute kamen ins Geschäft, sagten, 'Fritz, komm mal, die Straßenlampe brennt nicht mehr!'", erzählt Friedrich Müller heute.

Plan schlug wie eine Bombe ein

Nach der Kommunalreform gehörte Müller auch dem neuen Königswinterer Stadtrat an. Aber von den ersten Gesprächen in Sachen Neuordnung im Jahre 1966 bis zur Wahl des neuen Stadtrates flogen zunächst die Fetzen. Auf jener Versammlung in Oberpleis 1967 hatte der neue Kieras-Plan wie eine Bombe eingeschlagen: Eine Super-Großgemeinde aus Berg und Tal wollte der Oberkreisdirektor Paul Kieras installieren.

Günter Hank, Vorsitzender der CDU-Fraktion aus Königswinter, nannte diese Konstruktion "ein übel Ding"; der Plan sei zu plötzlich gemacht worden und hätte nicht mehr von den Räten diskutiert werden können. Hank plädierte dafür, die ganz große Lösung ohne Oberkassel und Stieldorf, die sich Beuel anschließen wollten, mit Bad Honnef zu machen, da tiefe geschichtliche Bindungen vorlägen.

Vorschlag: Raumordnung in zwei Schritten

Dem widersprach der Bundestagsabgeordnete Georg Kliesing aus Bad Honnef heftig: Im Kieras-Plan ohne Bad Honnef würde Königswinter an die Peripherie rücken – und deshalb wünsche Hank wohl Honnef dazu. Dessen Bürgermeister Jakob Mölbert wiederum war einverstanden mit dem Zusammenschluss mit Aegidienberg. Der Höhenort aber wollte sich viel lieber mit den Pleistal-Gemeinden zusammentun.

Der Oberpleiser Ratsherr Heinrich Klümper schlug eine Raumordnung in zwei Schritten vor – erst sollten sich im Tal die Rhein- und auf dem Berg die Berggemeinden zusammenschließen. Und in 50 Jahren, "wenn dann vielleicht einmal die Südbrücke gebaut ist", könnte immer noch über den Zusammenschluss von Berg und Tal gesprochen werden. Jetzt sei das Gebirge dazwischen, eine unüberwindbare Grenze. Worauf der damalige Oberdollendorfer Bürgermeister Fritz Nenzel riet: "Sehen Sie im Siebengebirge keine Grenze!"

Rat befürwortete große Lösung

Die Berg- und die Talgemeinde wurde auch von CDU-Leuten aus Nieder- und Oberdollendorf, Königswinter und Oberpleis um deren Sprecher Karl Lamers in einer Denkschrift zur Raumordnung favorisiert. Ihr Credo: Die Menschen in den Berggemeinden seien anders geartet als die Bevölkerung in den Rheingemeinden.

In einer Gegenkonferenz bekräftigte Friedrich Müller die Haltung des Heisterbacherrotter Rates, der weiterhin eine große Lösung im Interesse des Allgemeinwohls befürwortete. Für Müller ist 50 Jahre nach Gründung der neuen Stadt Königswinter klar: "Auf Dauer hätte eine kleine Gemeinde es nicht leisten können, dem Bürger das zur Verfügung zu stellen, was er benötigt."

Ein weiteres Plus aus seiner Sicht: Durch den Zusammenschluss seien auch viele Gewerbegebiete entstanden. Der Nachteil: "Die kleinen Geschäfte in den Orten gingen verloren." Friedrich Müller gehörte bis 1989 dem Rat der Stadt Königswinter an.

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