Oberdollendorf Spaziergang offenbart Orts- und Baugeschichte

Oberdollendorf · Fachwerk, wohin man blickt: Ein Der Treffpunkt erstaunt mich schon. Mit Karl Schumacher und Jörg Brüßler verabrede ich mich zum Spaziergang zu Fachwerkhäusern - und die Mitglieder des Heimatvereins beordern mich ausgerechnet in die Weinberge.

 Zeugnisse von Zimmermannskunst: Von der Treppe an Gut Sülz blicken Karl Schumacher und Jörg Brüßler über Oberdollendorf.

Zeugnisse von Zimmermannskunst: Von der Treppe an Gut Sülz blicken Karl Schumacher und Jörg Brüßler über Oberdollendorf.

Foto: Frank Homann

Na gut, vom "Rosenhügel" aus habe ich einen Traumblick auf den "Hinterhof" des Örtchens mit der darüber thronenden Laurentius-Kirche. Aber hier? Kein Fachwerk, nur Rebstöcke um mich herum. Aber schnell lassen meine Führer ihre Absicht erkennen.

"Früher hatten fast alle Familien mit der Weinerzeugung zu tun. So kann es nicht verwundern, dass die meisten vor dem 17. Jahrhundert erbauten Häuser über die typischen Merkmale von Winzerhäusern verfügten. Neben den einfachen Wohn- und Schlafstuben gab es einen Kelterraum, einen Weinkeller, einen Handwerksraum und Stallungen für die Haustierhaltung.

Die klassische Bauart war das Holzfachwerk. Und die Häuser der Handwerker besaßen große Ähnlichkeit mit den Häusern ihrer Nachbarn, den Winzern, so Schumacher. Am Fuße des Weinbergs angekommen, fällt der Blick auf den Sülzenhof, heute als Gut Sülz bekannt.

"Bereits 966 wird das Gebäude urkundlich als Eigentum des Aachener Marienstiftes erwähnt. 1246 erwarb die Abtei Heisterbach Rechte an den Einkünften durch Lehen vom Marienstift", erzählt Jörg Brüßler. Gut 100 Jahre später war der Hof Eigentum der Abtei. Einst gehörte zum Anwesen eine Mühle, in der die Vorfahren Hexen wähnten.

Schumacher: "Sie flogen auf dem Besen zum Paffelsberg in Römlinghoven, wo mutige Männer sie beim Tanz beobachtet haben sollen." Dieses Treiben war längst passé, als 1890 der holzgeschnitzte Balkon von Gut Sülz entstand und den Charakter des Hauses veränderte. Sichtbar wird das Fachwerk vom Hof aus an der Ostseite, wo die Zahl "1654" das Baujahr verrät.

Meine Begleiter weisen auf die gebogenen Streben im Obergeschoss hin. Eine Verzierung, die den Reichtum der Erbauer erahnen lässt. Anders als bei den Häusern mit krummen Balken, auf die mich später Brüßler an der Turmstraße aufmerksam macht. "Die ärmeren Leute nahmen die schief gewachsenen Bäume. Das war billigeres Material."

Auf den nicht weit vom Sülzenhof entfernt liegenden Grevenhof trifft das nicht zu. Der gehörte zeitweise sogar dem Herzog von Berg und dem Kölner Erzbischof gemeinsam. Ab 1415 war auch hier die Abtei Eigentümerin. Nach der Säkularisation 1803 verkam das Anwesen zu einer Ruine. 90 Jahre später nahm sich Familie Münz des Besitztums an; heute ist es ein bauliches Kleinod.

Brüßler: "Das Hofgebäude bestand aus einem deutlich von der Bachstraße abgerückten Pächterhaus mit winkelförmigem Grundriss und einem vorgelagerten Wirtschaftsgebäude." An die Straße grenzen drei noch erhaltene Lehnshäuser des Grevenhofes an. Zwei davon stehen mit ihren krummen Wänden noch wie im Mittelalter da. Bei ihrer Restaurierung wurden die Balkenfachwerke mit einem Gertenverbund und einem Lehm-Strohmörtel ausgefüllt.

Auch beim Wohnhaus des Mertenhofes von 1620 wird aktuell so vorgegangen. In einem winzigen Kelterhaus in einem Hinterhof ist diese Technik deutlich zu erkennen. Da sind wir bereits am Weinhaus Lichtenberg angelangt, das noch Fachwerk aus dem Jahre 1673 aufweist. "Mal sehen, was wir mit dem Häuschen machen", sagt Juniorchef Ralph Schumacher.

Beim Brückenhof klärte sich diese Frage schon vor Jahren: Im einstigen Winzerhof hat sich das Heimatmuseum etabliert. Jörg Brüßler erläutert: "Eigentümlich ist der Schwellenkranz, der das Geschoss unterbricht." Fachbegriffe der Fachwerkkonstruktion wie Ankerbalken, Brustriegel, Knagge oder Rähm bekomme ich zu hören. Die Vorfahren haben mit ihren Bauwerken Oberdollendorf zur Fachwerk-Metropole der Stadt Königswinter gemacht.

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