Hausgeschichten aus dem Siebengebirge So lebt es sich mit Blick auf Petersberg und Drachenfels

Königswinter · Hausgeschichten: Zu Besuch bei Silke Pfister in ihrem Gründerzeitbau an der Wilhelmstraße in Königswinter. Die 55-Jährige hatte sich auf Anhieb in das Haus verliebt - und brauchte viel Durchhaltevermögen.

 Petersberg, Drachenfels, Palastweiher: Die Aussicht vom Balkon entschädigt Silke Pfister für den Lärm von der Bahnstrecke.

Petersberg, Drachenfels, Palastweiher: Die Aussicht vom Balkon entschädigt Silke Pfister für den Lärm von der Bahnstrecke.

Foto: Frank Homann

Die Züge rattern über die Gleise. Silke Pfister öffnet dennoch das große Fenster ihres Wohnzimmers und genießt trotz des Bahnlärms die Morgensonne auf dem Balkon. Die Königswinterin schaut aus ihrem Haus auf Petersberg und Drachenfels und auf den Palastweiher.

„Wenn der Vollmond über dem Drachenfels hängt, habe ich von hier aus einen Traumblick, das ist richtig mystisch.“ Passanten auf der Wilhelmstraße indes blicken auf das Gebäude, das Silke Pfister 1989 erworben hat. „Es wird oft fotografiert“, sagt die 55-Jährige.

Die ganze Häuserzeile aus der späten Gründerzeit ist sehenswert. Hier haben sich Architekten ausgetobt – ob Neogotik oder -renaissance. Oder eben im neobarocken Jugendstil des Pfisterschen Hauses. „Das ist üppig, das ist jeck und vor allem selten“, sagt Werner Dahm, der gerade an einem Buch über besondere Häuser in Königswinter sitzt.

 Beliebtes Fotomotiv: Die Villa Wilhelmstraße 9 ist Teil einer Hausreihe.

Beliebtes Fotomotiv: Die Villa Wilhelmstraße 9 ist Teil einer Hausreihe.

Foto: Frank Homann

Und in Heinrich Blumenthals Architektur-Buch sind die Villen an der Wilhelmstraße ebenfalls aufgeführt. Es ist schon atemberaubend, wie vor mehr als 100 Jahren die Reihenhäuserzeile an der Bahnlinie „komponiert“ wurde.

Das Haus trägt die Handschrift von Architekt Ottomar Stein

Das grün gestrichene Haus Nummer 9 ist ein zweigeschossiger, reich gestalteter Putzbau mit Mansarddach. Balkon und Schweifgiebel weisen runde, geschwungene Dekors auf – Jugendstil trifft Barock. Gleich hinter der alten Haustür hat Silke Pfister den gerahmten Bauplan aufgehängt. Schlossermeister Wilhelm Vogel und seine Frau Therese hatten sich 1901 das Haus von dem Architekten Ottomar Stein entwerfen lassen.

Der Sachse Stein, der 1898 nach Honnef gezogen war, hinterließ im Siebengebirge zahlreiche Spuren – Villen auf Hohenhonnef, die Brücke zur Insel Grafenwerth, den Park vom Wintermühlenhof mit Teehaus und Tempel für Ferdinand Mülhens. Der 4711-Fabrikant ließ von Stein auch das prächtige Volkswohlgebäude errichten, heute das Kunstforum Palastweiher. Auch die bürgerliche Villa Wilhelmstraße 9 trägt Steins Handschrift. Er konnte Jugendstil, wovon es in Königswinter wenig gibt.

 Von alten Farbschichten befreit: Der Hausflur ist hell und freundlich.

Von alten Farbschichten befreit: Der Hausflur ist hell und freundlich.

Foto: Frank Homann

Silke Pfister hatte sich auf Anhieb in das Haus verliebt. Sie wohnte damals in Bonn, stammt aber aus Königswinter. Dann stand sie mit ihrem Freund, einem Baufachmann, und 50 weiteren Interessenten vor der Villa. „Aber wir erhielten den Zuschlag.“

Vielleicht hatte die alte Dame, in deren Familienbesitz sich das Haus bis dahin befunden hatte, ein Gespür für echtes Interesse. Silke Pfister brauchte Durchhaltevermögen: „Das Gebäude war so renovierungsbedürftig, es bedurfte einer ganzen Portion Mut, damit anzufangen, aber peu à peu ging es vorwärts.“

Den Terrazzoboden mit der Wurzelbürste geschrubbt

Mit Herzblut machten sie sich ans Werk. „Ich freue mich immer, wenn ich das Resultat sehe.“ Vergessen die Abende, an denen ihr sämtliche Knochen wehtaten, die Finger wund waren, nachdem sie knieend den Terrazzoboden im Flur mit der Wurzelbürste geschrubbt oder die Holztreppen abgeschliffen hatte.

Ob im Wohnzimmer in der Bel­etage oder im Erdgeschoss: „Alles war in einer Farbe“, von der Tapete bis zur Fußleiste. Die Dielenböden waren ochsenblutrot gestrichen, da­rüber hatte jemand Filzfliesen geklebt. Pfister riss alles heraus, beließ das Nadelholz im Naturton.

Als vor Jahren das Haus gestrichen wurde, war das schmiedeeiserne Balkongeländer abgebaut. Pfister traute ihren Augen nicht, als sie entdeckte, dass der Altmetallhändler das wertvolle Stück mitgenommen hatte. Nachforschungen ergaben, dass es bereits eingeschmolzen war. Ihr Vater, Kfz-Mechaniker und Kunstschmied, schuf Ersatz. „Von dem habe ich wohl auch das Kreative“, vermutet die Verwaltungsangestellte.

Als die Bahn vor 20 Jahren Schallschutzfenster einbauen ließ, bearbeitete Pfister den Rahmen des alten Oberlichtes vom Balkonfenster und ließ ihn verspiegeln; dieses dekorative Element hängt im Flur. Die beiden kleineren Rundbogenfenster nebenan waren bereits vor ihrer Zeit nicht optimal renoviert worden. Sie gehören zum Wohnzimmer mit Kamin, das durch Herausbrechen einer Wand großzügig wirkt. Von einem Minibalkon hat man den Blick nach hinten auf den hübschen Garten.

Anfang des 20. Jahrhunderts schick: Züge anschauen

Ein Hingucker an der Hausfront: die Balustradenreihe als Giebelaufsatz, zur Bauzeit große Mode. Vier Jahre dauerte es, bis das Gebäude saniert war. „Jedes Jahr eine Sache anpacken und noch etwas verschönern“, war Silke Pfisters Vorsatz. An die Fenster geht sie wohl noch einmal ran.

Die Fassade soll frische Farbe erhalten, aber damit will sie warten, bis die Arbeiten am nahen Bahnübergang über die Bühne sind. Sie fürchtet Schmutz und Risse. „Ich habe mein Traumhaus, aber die falsche Lage. Der Schienenverkehr wird immer lauter und stärker.“ Und die Wilhelmstraße, die durch Kanalbau schon 22 Bäume verlor, diene der Altstadt immer mehr als Entlastungsstraße. „Für uns Anlieger ist sie allerdings eine vielbefahrene Belastungsstraße. Und dafür müssen wir noch in diesem Jahr Wertsteigerungsausgleichsbeiträge zahlen.“

Als damals so schick entlang der Bahnlinie gebaut wurde, war das en vogue: Es galt als Vergnügen, auf die Erkerbalkone zu treten und die vorüberfahrenden Züge anzuschauen. Vielleicht haben auch die Bauherren Ausschau gehalten nach Sonderzügen mit illustren Passagieren wie der Königin Sophia von Schweden, wenn sie wieder einmal auf dem Weg in die Sommerfrische nach Honnef war.

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