Bildungs- und Teilhabepaket Nur bei der Lernförderung hapert es

KÖNIGSWINTER · Zwei Jahre nach seinem Start kommt das Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder aus Geringverdienerfamilien langsam in die Gänge.

 Lernförderung gehört zu den Angeboten des Teilhabepakets. Unser Bild zeigt Rudolf Grupp mit Kindern bei der Hausaufgabenhilfe in Niederdollendorf, bei der er sich ehrenamtlich engagiert.

Lernförderung gehört zu den Angeboten des Teilhabepakets. Unser Bild zeigt Rudolf Grupp mit Kindern bei der Hausaufgabenhilfe in Niederdollendorf, bei der er sich ehrenamtlich engagiert.

Foto: ARCHIVFOTO: HOMANN

Nach sehr zähem Beginn wurden im vergangenen Jahr in Königswinter und Bad Honnef über 1100 Anträge beim Jobcenter und direkt bei den beiden Städten gestellt. Nur bei der Lernförderung hapert es weiter erheblich: Hier gab es lediglich 75 Anträge.

Rudolf Grupp glaubt zu wissen, dass das an der mangelhaften Information über Angebote liegt. "Es fehlt eine verlässliche Auskunftsstelle über Lernhilfeangebote, die vom Jobcenter anerkannt und finanziert werden", sagt der Oberdollendorfer. Für die Eltern bedeute dies, dass sie sich selber auf die Suche nach geeigneten Nachhilfelehrern machen müssen mit der Gefahr, dass deren Qualifikation nicht anerkannt wird oder nur eine Teilfinanzierung möglich ist.

Grupp ist 74 Jahre alt, war Ministerialbeamter und engagiert sich heute beim Forum Ehrenamt als einer von fünf Integrationslotsen in Königswinter für Migranten. Außerdem gibt er selbst seit zwei Jahren Hausaufgabenhilfe an der Longenburgschule. Vor zwei Jahren vertraute man ihm eine Familie mit vier Kindern aus dem Nahen Osten an. Das genaue Land möchte er lieber nicht nennen, weil die Familie als Christen aus ihrer Heimat vertrieben wurde.

Die Ämter in Deutschland schickten die Migranten nach Königswinter. Als sie in der Altstadt landeten, sprachen sie kein Wort Deutsch. Bis heute übernimmt Grupp die meisten Behördengänge und unterstützt die Eltern bei Schreiben an die Ämter.

Die Kinder besuchen die Drachenfelsschule und die Lemmerzschule. Sie brauchten dringend Lernförderung, was die Schulen auch bescheinigten. Weil der Familie nach dem SGB II eine finanzielle Förderung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets zusteht, stellte sie mit Grupps Hilfe einen Antrag beim Jobcenter in Rhöndorf. Für eine Fachkraft gibt es dort eine Unterstützung in Höhe von 20 Euro, sonst zehn Euro.

Doch weder beim Jobcenter noch bei der Stadt konnte man Lehrer nennen, die Förderunterricht geben. Dabei sieht Grupp ein erhebliches Potenzial beim Ehrenamt als Ergänzung der Lernhilfe durch erwerbswirtschaftliche Institute, zumal diese bis zu 30 Euro in der Stunde nehmen. "Ich könnte mir denken, dass viele ehemalige Lehrer zur Mithilfe bereit sind, wenn sie von ihren Schulen darum gebeten werden. Die Schulen könnten die Initiative ergreifen", sagt er. Das Beispiel von vier Mitgliedern seines Tennisclubs zeigt ihm, dass viele gerne helfen, wenn sie angesprochen werden. "Sie waren direkt bereit, Lesehilfe zu geben."

Ein besonderes Ärgernis ist laut Grupp auch die lange Bearbeitungszeit der Anträge beim Jobcenter in Rhöndorf. Dies bestätigten auch mehrere Königswinterer Schulen. So wurde ein Antrag auf Lernförderung vom 26. September 2012 von der Behörde erst am 29. Januar 2013 genehmigt. "Das sind wirklich Einzelfälle. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt vier bis sechs Wochen", beteuerte Sabine Schultz von der Pressestelle der Jobcenterzentrale in Sankt Augustin. Besonders in der Anfangszeit seien die Bearbeitungswege oft nicht ganz geklärt gewesen. Dadurch sei es zu Verzögerungen gekommen.

Sehr viel schneller geht die Bearbeitung bei der Stadt Königswinter. "Bei uns gibt es keine Rückstände. Die Bearbeitung geht zügig vonstatten", sagte Hans-Peter Giesen vom Geschäftsbereich Schule und Jugend. Mit den Schulen hat er im Januar ein Gespräch geführt, bei dem auch die Initiative von Rudolf Grupp Thema war. "Es hat ganz unterschiedliche Reaktionen gegeben. Seine Wahrnehmung wird nicht von jedem geteilt", so Giesen. Bei allen Schulen gebe es jedoch eine grundsätzliche Bereitschaft, sich mit den Ideen auseinanderzusetzen.

Im Fall der Familie aus dem Nahen Osten hat Grupp nach langer Suche eine Referendarin und zwei Pensionäre gefunden, die den Kindern Hausaufgabenhilfe geben.

Statistik:
Für Anträge nach dem Bildungs- und Teilhabepaket gibt es zwei Wege. Beim Jobcenter werden Anträge nach dem SGB II (insbesondere Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld) gestellt. Für Königswinter und Bad Honnef liegen hier keine getrennten Zahlen vor. 2012 wurden aus beiden Städten 208 Anträge auf Mittagessenzuschuss, 119 Anträge für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben und 48 Anträge auf Lernförderung gestellt. Direkt bei den Städten können Bezieher von Wohngeld oder Kinderzuschlag Anträge stellen. Dies waren im vergangenen Jahr in Königswinter 82 und in Bad Honnef 52 Anträge auf Mittagessenzuschuss, in Königswinter 75 und in Bad Honnef 50 Anträge auf soziale oder kulturelle Teilhabe sowie in Königswinter 21 und in Bad Honnef sechs Anträge auf Lernförderung. Die Gesamtantragszahlen liegen höher, weil auch Anträge für Schulausflüge, Klassenfahrten, Schulausstattung oder Schülerbeförderung gestellt werden können. Nach dem SGB II lagen sie in beiden Siebengebirgsstädten im Jahr 2012 bei 557, nach dem Bundeskindergeldgesetz bei 591, davon 232 aus Königswinter und 359 aus Bad Honnef.

Informationen über das Bildungs- und Teilhabepaket finden Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Jobcenters Rhein-Sieg und der Stadt Königswinter. (www.bildungspaket.bmas.de, www.jobcenter-rhein-sieg.de. www.koenigswinter.de)

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