Königswinterer engagieren sich für Flüchtlinge Mit Kopf, Herz und Hand

KÖNIGSWINTER · Es ist sehr heiß an diesem Tag im Stieldorfer Flüchtlingsheim. Aber nicht nur deshalb rauchen im Unterrichtsraum die Köpfe. Sie rauchen, weil die deutsche Sprache ihre Tücken hat. Sie rauchen, weil der Buchstabe H hierzulande in Verbindung mit einem Vokal gar nicht kehlig ausgesprochen wird, wie das im Arabischen der Fall ist.

 In der Flüchtlingsunterkunft in Stieldorf gibt es inzwischen zahlreiche ehrenamtliche Angebote für die Asylbewerber.

In der Flüchtlingsunterkunft in Stieldorf gibt es inzwischen zahlreiche ehrenamtliche Angebote für die Asylbewerber.

Foto: Frank Homann

Das H zieht den Vokal in die Länge und deshalb zieht auch Philine Heller wie an einem unsichtbaren Seil die Arme auseinander. Die pensionierte Grundschulpädagogin aus Thomasberg arbeitet mit Kopf, Herz und Hand, um die deutsche Sprache in die Köpfe der in Stieldorf Gestrandeten zu bringen.

Diese Köpfe sind nicht immer bei der Sache, wofür Philine Heller Verständnis hat. 175 Flüchtlinge kommen derzeit im Stieldorfer Heim unter. Vollbelegung. Sie kommen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlichen Kulturen, verstehen einander oder eben auch nicht. Viele teilen sich Küche und Aufenthaltszimmer mit einer weiteren Familie. Mimosa bewohnt mit Mann und vier Kindern über diese Gemeinschaftsräume hinaus ein Zimmer. Ihr entwaffnendes Lächeln hat sie nicht verloren, aber die Albanerin sagt: "Es ist manchmal Stress."

Philine Heller erfährt auch von diesen Geschichten. Sie hört von der Seelenpein eines ehemaligen Soldaten, der in seiner Heimat Menschen umgebracht hat. "Viele hier haben Traumatisches erlebt", sagt sie. Und dennoch haben sie es geschafft, auf teils abenteuerlichem Wege nach Deutschland zu kommen. "Sie kennen Pflanzen und Tiere, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Können Autos reparieren. Überleben."

Geben und nehmen: Die Pensionärin lehrt die Flüchtlinge die deutsche Sprache, organisiert mit anderen Ehrenamtlichen Umzüge und bekommt für diesen Einsatz viel an Dankbarkeit und Aufmerksamkeit zurück. Rund ein Dutzend Freiwilliger füllen den Stundenplan mit Deutschunterricht, Rechtsberatung oder Hausaufgabenhilfe. Seit Anfang des Jahres bietet der Königswinterer Psychologe Peter Jung kostenlose psychologische Beratung an: "Man verfolgt die Berichterstattung und fragt sich, was man selbst tun kann." In seinem Fall ist es zuhören. Nicht immer bedeutet das verstehen, denn es gibt Sprachbarrieren. Die englische oder französische Sprache beherrschen längst nicht alle. Aber wo Hindernisse sind, meint Peter Jung, kann man sie auch überwinden.

Das Forum Ehrenamt im Haus Heisterbach sieht das ähnlich. Aber Jochen Beuckers, Vorsitzender des Vereins Perspektiven für das Leben, hält nichts davon, dass jeder Engagierte für sich alleine diese Barrieren zu überwinden versucht. Hilfe für die Flüchtlinge müsse "organisiert ablaufen". Die Bereitschaft der Königswinterer sei jedenfalls enorm. Dennoch fehlt es an Dolmetschern und zupackenden Helfern, die mal bei einem Umzug mitmachen können.

Sorgen haben nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch manche Bürger. Der Stadt sind alleine in diesem Jahr 88 Flüchtlinge zugewiesen worden, insgesamt leben nun 232 in den Orten. Die Verwaltung hat die Paul-Moor-Schule gekauft, um sie kurzfristig für die erwarteten Neuankömmlinge herzurichten. In der Herresbacher Straße in Oberpleis, das hat der Planungsausschuss kürzlich beschlossen, soll eine Unterkunft für bis zu 80 Flüchtlinge gebaut werden. Einige Anwohner zeigten demonstrativ auf, als der Ausschussvorsitzende Franz Gasper nach den Gegenstimmen fragte. Auch sie haben Ängste. Es ist kein einfacher Schritt, Menschen aus fremden Kulturen einzubeziehen, sagt Psychologe Peter Jung. Soziale Unterstützung bedeute aber "in Kontakt treten".

So, wie es die Königswinterer Sportvereine versuchen. Der SSG Königswinter hat der Kreissportbund Fördergeld bewilligt, um eine offene Sportstunde anzubieten, die vor allem für Flüchtlinge gedacht ist. Auch beim HSV Bockeroth laufen Angebote beispielsweise mit regelmäßigen Akrobatikstunden für Jugendliche an. "Die Idee kam von den Mitgliedern, und wir müssen schauen, wie wir das über Mundpropaganda und Aushänge in den Heimen kommunizieren können", erklärt die Vorsitzende Martina Raderschall. Erst kommt die Kommunikation, dann das Verstehen.

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