"Heimweh ist ein zentrales Thema" Königswinterer Psychologin unterstützt Bundeswehrsoldaten

KÖNIGSWINTER · An der Grenze zu Syrien - auch in der Weihnachtszeit: Es ist still, ganz still. Ein Soldat spielt Gitarre, die anderen blicken stumm ins Gesangbuch oder singen den Begleittext mit. Vorweihnachtsstimmung im Südosten der Türkei. Die Gazi-Kaserne ist derzeit das Zuhause von rund 260 Soldatinnen und Soldaten.

 Pfarrer Martin Klein bei einem Gottesdienst in der Gazi-Kaserne. Fotos: Enric Boixadós/Bundeswehr/Aftur/dpa

Pfarrer Martin Klein bei einem Gottesdienst in der Gazi-Kaserne. Fotos: Enric Boixadós/Bundeswehr/Aftur/dpa

Gemeinsam haben sie einen Auftrag: Die Stadt Kahramanmaras und ihre mehr als 500.000 Bewohner zu schützen.

Pfarrer Martin Klein beginnt mit der Predigt. Er erzählt vom Wunder der Weihnacht und auch von jenen, die vertrieben wurden. Der Text passt gut in eine Gegend, in der immer mehr Menschen Zuflucht suchen. In der Industriemetropole unweit der syrischen Grenze gibt es zurzeit mehr als 50.000 Flüchtlinge.

Regelmäßig wird der nüchterne Raum mit den weißen Wänden zu einer Art Heimat für die Soldaten. Erinnerungen an zu Hause, an die Adventspredigten und die Weihnachtsstimmung. Sie hier in einer Umgebung zu finden, in der man 24 Stunden am Tag einsatzbereit sein muss, ist schwer.

Auch Oberstleutnant Christiane R. besucht den Gottesdienst. Die Frau aus Königswinter, deren Nachname nach einer Regel der Nato aus personenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt werden darf, ist Truppenpsychologin. Mit dem Militärseelsorger teilt sie sich ein Arbeitszimmer.

Sie blickt nach draußen auf die Stellungen der "Patriot", dem Waffensystem, das hier erstmals durch die Bundeswehr zum Einsatz kommt. "Patriot" steht für "Phased Array Tracking to Intercept Of Target". Das Flugabwehrraketensystem dient zur Abwehr von Flugzeugen und Marschflugkörpern. Und Kahramanmaras, 150 Kilometer von der Grenze entfernt, liegt in Reichweite syrischer Raketen.

Es ist friedlich hier. So scheint es zumindest. Das prächtige Bild der drittgrößten Moschee des Landes passt so gar nicht in die karge Landschaft. Ihre Arbeit macht Christiane R. längst nicht nur am Schreibtisch. "Ich gehe auf die Soldaten zu, wenn sie mich brauchen." Vor ihr auf dem Schreibtisch steht Karl.

Ein Teddybär in Soldatenuniform. "Mein Bärenreporter", schmunzelt sie. Die Mutter einer zwölfjährigen Tochter hat die Abenteuer des Plüschgefährten weiterentwickelt. Denn er verkörpert für die Kinder daheim den Vater oder die Mutter im Einsatz. Christiane R. nutzt den Teddy, den sie Karl getauft hat, als Symbol und hat ihn in den Mittelpunkt einer Vortragsreihe gestellt.

Durch die eigene Tochter weiß sie, wie schwer es Kindern von Soldateneltern fällt, Abschied zu nehmen. Durch die Präsentation am Computer, in der Karl die Hauptrolle spielt, kann gezeigt werden, was die Eltern im Einsatz erleben. Karl, der Bär, findet viel Anklang unter den Soldaten und hilft sogar manchmal, das eigene Heimweh etwas zu lindern. Gerne unterstützt die 48-Jährige die Soldaten bei der Aufarbeitung von Fotos und Texten für ihre ganz eigene Präsentation. Das fertige Werk wird dann wie jetzt zu Weihnachten in die Heimat geschickt.

Der Teddybär ist nur eines von vielen Projekten, mit denen sich die gebürtige Hessin beschäftigt. Im zivilen Leben ist sie Oberregierungsrätin und auch als Trauerbegleiterin ausgebildet.

"Das kommt mir hier zugute", sagt sie. Sie ist in Köln-Wahn stationiert. Die Türkei ist ihr erster Auslandseinsatz. Ihr gefällt es in Kahramanmaras. "Im Unterschied zu anderen Einsätzen kann man hier auch mal rausgehen, unbewaffnet und ohne Angst, dass gleich etwas passiert." Zwar gelte hier die Regel "Ausgang immer nur zu zweit", doch sei die türkische Bevölkerung äußerst gastfreundlich.

Sie möchte gerne einen zweiten Einsatz in der Türkei machen. "Die Rahmenbedingungen sind gut. Als persönliche Einschränkung erlebe ich jedoch, dass ich hier nie allein sein kann." Nach dem Gottesdienst kommen einige Soldaten zu ihr und Pfarrer Klein, mit Fragen oder einfach, um zu reden: über die Sehnsüchte, die Ängste um die Familie zu Hause und die Zukunft. "Ich finde den präventiven Aspekt meiner Arbeit sehr wichtig."

Dass sie früher in der Personalberatung tätig war, kommt der 48-Jährigen im Gespräch mit den Soldaten zugute. "Sie akzeptieren mich. Das ist ein gutes Gefühl", gibt sie zu. Christiane R. hat ein Gespräch beendet. Dabei ging es um Heimweh, ein zentrales Thema gerade in der Weihnachtszeit.

"In meinem Job ist es wichtig, dass man Freude an der Begegnung mit Menschen hat." Und die hat Christiane R. Jetzt klemmt sie ihren Bärenreporter unter den Arm und geht nach draußen. Neue Fotos müssen gemacht werden. Schließlich möchte nicht nur ihre Tochter mehr über das tägliche Leben im Einsatz erfahren.

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