Prozessauftakt im Fall Sigrid Paulus "Ich wollte nur noch meine Ruhe haben"

KÖNIGSWINTER/BONN · Als der 52-Jährige in Handschellen in den Bonner Gerichtssaal gebracht wird, sind alle Augen im Zuschauerraum und viele Kameras auf ihn gerichtet.

Auch seine Tochter, sein Sohn und drei Schwestern seiner Frau blicken auf ihn, sie nehmen als Nebenkläger teil am Prozess gegen den Mann, der seine Ehefrau und die Mutter seiner Kinder am 14. Februar 2008 erwürgte und ihre Leiche im Keller des Reihenhauses in Königswinter-Ittenbach im Sockel eines Weinregals einbetonierte.

Was ist das für ein Mann, der seinen Kindern und allen anderen jahrelang weismachte, die damals 40-jährige Sigrid Paulus habe sich einfach davongemacht? Und wäre der Fall überhaupt aufgeklärt worden, wenn sich seine Tochter 2011 nicht an die Medien gewandt hätte?

Der Fall erinnert fatal an den Fall Trudel Ulmen, deren Ehemann 16 Jahre lang Lügengeschichten über das angebliche Verschwinden seiner Frau erzählte, bevor er 2012 als derjenige überführt und verurteilt wurde, der sie getötet hatte. Und wie Trudel Ulmens Ehemann will auch der Mann von Sigrid Paulus seine Frau im Streit getötet haben. Was also ist das für ein Mann, der eine solche Tat beging? Das will auch das Schwurgericht wissen, und der Angeklagte ist zur Aussage bereit.

Ausführlich schildert er seinen Lebenslauf und seine Ehegeschichte, und glaubt man ihm, so hat der Mann, der sich mit Leib und Seele der Gastronomie verschrieben hat, alles für die Familie getan, doch seine Frau war nie zufrieden. Dass er immer wieder mit seinen Versuchen, sich selbstständig zu machen, scheiterte und neue Schulden anhäufte, habe sie ihm vorgeworfen. Mit mehreren Kellnerjobs gleichzeitig habe er für die Familie gesorgt, doch sie habe immer nur genörgelt und mit ihm gestritten. Auch am Morgen des 14. Februar 2008.

Sie seien im Bad gewesen, kurz vorher hätten sie beide ihre Kellnerjobs auf einem Schiff verloren, und wieder habe sie rumgeschimpft. Sie sei aus der Dusche gekommen, habe gemeckert, ihn von hinten geschubst, und er habe zurückgeschubst. Sie sei mit nassen Füßen ausgerutscht und rückwärts mit dem Kopf gegen die Badewanne geknallt. Und da habe sie erst recht angefangen zu schreien und sei auf ihn losgegangen.

[kein Linktext vorhanden]"Da hat es plötzlich bei mir Klick gemacht", sagt er. "Und plötzlich hatte ich mein Hände an ihrem Hals." Sie seien beide hingefallen, er immer noch die Hände um ihren Hals. Sie habe sich gewehrt. Dann wisse er nur noch: Er sei zu sich gekommen, habe sich wie in Watte gefühlt, seinen Herzschlag in den Ohren gehört, und sie sei tot gewesen.

Er habe an Polizei gedacht, an Gefängnis, an seine erst 15-jährige Tochter, die ihn brauchte - und die Leiche erst mal in den Keller geschafft. Dann habe er seinen Kindern erzählt, ihre Mutter sei im Streit gegangen. In den folgenden Tagen habe er die Tote dann im Sockel des Weinregals einbetoniert. Er schildert alles völlig nüchtern, emotionslos. Und wird gefragt, warum er es getan habe. Er habe es nicht mehr ertragen, "ich wollte nur noch meine Ruhe haben", sagt er. Was er gefühlt habe, als er seine tote Frau sah, fragt das Gericht.

"Tierisches Entsetzen", sagt er. Auch das kommt ohne jede Regung. Genauso regungslos wie sein Bericht darüber, wie ihn das ständige Lügen belastet habe, wie er alles getan habe, um nicht nachdenken zu müssen. "Ich musste in Bewegung bleiben", erklärt er. Er habe sich mit Frauen getroffen und schließlich 2013 wieder geheiratet, obwohl in dem Fall ermittelt wurde. Seine Tochter hatte sich an RTL gewandt, nachdem sie im Oktober mit dem Vater und einer Tante bei der Polizei noch einmal nach der Mutter gefragt und gehört hatte: Die sei Ende 2009 bei einer Verkehrskontrolle in Düsseldorf aufgefallen. "Ich war fassungslos", sagt der Angeklagte nun dazu. Und er habe gedacht: "Jetzt kann mir nichts mehr passieren."

Doch zwei Bonner Kripobeamte ermittelten seit Januar 2013 mit Hochdruck in dem Fall. "Es hat mich nicht losgelassen", sagt der 55-jährige Ermittler nun als Zeuge. Im Oktober rückte die Polizei mit schwerem Gerät beim Angeklagten an, um seinen Garten umzugraben. Da gab er auf und führte die Beamten in den Keller. Er habe gewusst, dass alles vorbei ist, und daran gedacht, was seine Tochter jetzt durchmachen müsse: "Aber ich war wie befreit, mir ist eine Tonne vom Herzen gefallen." Am Montag sollen Tochter und Sohn als Zeugen gehört werden.

Eine Chronik der Ereignisse

  • 14. Februar 2008: Der heute 52-Jährige erwürgt seine Ehefrau Sigrid Paulus nach einem Streit im Badezimmer ihres Reihenhauses in Ittenbach. Die Leiche betoniert er an den darauffolgenden Tagen im Keller ein. Den Kindern erzählt er, die Mutter sei mit Hab und Gut ausgezogen und habe die Familie verlassen.
  • Dezember 2012: Anscheinend auf Drängen der inzwischen erwachsenen Tochter wird eine Vermisstenanzeige erstattet. Die Polizeiermittler sehen Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt, da Sigrid Paulus sich überhaupt nicht mehr gemeldet hat. Erstmals berichten auch die Medien über den Fall.
  • Januar 2013: In einem Fernseh- Interview mimt der Aushilfskellner den Ahnungslosen.
  • 16. Oktober 2013: Gleiches gilt bei seinem Auftritt in der Sendung "Aktenzeichen XY", wo der Fall der vermissten Sigrid Paulus vorgestellt wird.
  • 30. Oktober 2013: Bei einer Hausdurchsuchung zeigt der Angeklagte den Polizeiermittlern die Stelle im Keller des Wohnhauses, an der er die Leiche seiner Frau einbetoniert hat. Er wird vorläufig festgenommen.
  • 31. Oktober 2013: Das Bonner Amtsgericht erlässt einen Haftbefehl wegen Totschlags. Seitdem sitzt der 52-Jährige in Untersuchungshaft.
  • 14. November 2013: Auf dem Friedhof in Königswinter-Ittenbach wird Sigrid Paulus unter großer Anteilnahme der Bevökerung beigesetzt.
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