Historischer Verein im Siebengebirgsmuseum "Es gab damals keine Stadt"

KÖNIGSWINTER · Vornehmlich ein kleines Fragezeichen hat rund 70 Historiker und Geschichtsinteressierte ins Siebengebirgsmuseum gelockt. Der Historische Verein für den Niederrhein hat dort gestern seine Herbsttagung abgehalten.

 Eine Kunstausstellung zu 1000 Jahre Königswinter hatte es gegeben.

Eine Kunstausstellung zu 1000 Jahre Königswinter hatte es gegeben.

Foto: Frank Homann

Nach Grußworten des Vorsitzenden Heinz Finger und von Bürgermeister Peter Wirtz stand der Vortrag des renommierten Geschichtsprofessors Rudolf Schieffer im Mittelpunkt, der in Bonn und bis zu seiner Emeritierung in München lehrte. "1000 Jahre Königswinter?" war er überschrieben.

Warum nun das Fragezeichen? Was die Geschichte von Königswinter im Mittelalter betrifft, stehen den Historikern nicht gerade viele Dokumente zur Verfügung. Die älteste Urkunde stammt vom 25. Februar 1015 und hat dazu geführt, dass im heutigen Königswinter in diesem Jahr einige Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Bestehen der Stadt stattfanden.

Bloß, dass solche Ungenauigkeiten die Geschichtswissenschaftler einem nicht durchgehen lassen. "Es gab damals keine Stadt", sagte Schieffer, "und zuvor muss natürlich schon etwas da gewesen sein." Die Urkunde, deren Faksimile im Museum zu sehen ist, während die Bonner Stiftskirchengemeinde das Original verwahrt, sei also in erster Linie eine Schenkungsurkunde des Guts Winetre von Heinrich II. an das Bonner Kloster zu Dietkirchen im Auelgau gewesen.

Zuvor hatte das Gut einem damals angesehenen Thüringer Brüderpaar namens Wilhelm und Boppo gehört, die möglicherweise in guter Beziehung zu den Bonner Äbtissinnen gestanden haben und sich deshalb auf ein Tauschgeschäft mit dem römisch-deutschen Kaiser Heinrich II. einließen. Winetre, das heute in leicht abgewandelter Form als zweiter Teil des Stadtnamens auftaucht, weist auf die Weinbautradition hin.

Der erste Teil des Namens hat in karolingischer Zeit an anderen Stellen auf Königsgüter hingewiesen. "Nachweise von Herrscherbesuchen existieren in Königswinter aber nicht", stellte Rudolf Schieffer fest. Im 14. Jahrhundert taucht dann in einer Korrespondenz in Rom der Name Johannes aus Königswinter auf, erstes Anzeichen auf den Ort. 700 Jahre ist es her, dass die Kölner Erzbischöfe Königswinter beim heutigen Namen nannten.

Alles in allem zeichnet der emeritierte Professor ein dezidiertes Bild davon, dass eine Stadt eben nicht schlagartig am Horizont erscheint. Die Urkunde der Ersterwähnung stehe zwar für einen flüchtigen Augenblick, bedeute aber gleichzeitig "ein Schlüsselzeugnis der mittelalterlichen Lokalgeschichte".

Am Fuße des Siebengebirges reichen die Siedlungsspuren schließlich bis in die Römerzeit zurück. Dass die Königswinterer oder die damaligen Einheimischen sich als Kollektiv wahrgenommen haben, als Gemeinschaft, darauf weist im 12. Jahrhundert der Kauf eines Männerkonvents auf dem Stromberg (heute Petersberg) hin. Die Plebs, das Volk, musste zustimmen. Das Treffen endete nach einem zweiten Vortrag des Museumsleiters und Gastgebers Elmar Scheuren in einen Ausflug zu Schloss Drachenburg.

Norbert Schloßmacher leitet das Bonner Stadtarchiv und ist zugleich stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins für den Niederrhein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort