Auswahlverfahren für Weltraumflug Eine Römlinghovenerin will ins All

Siebengebirge · Insa Thiele-Eich, Meteorologin der Uni Bonn, gehört zu den Finalistinnen von „Die Astronautin“. Die 33-Jährige aus Römlinghoven will als erste deutsche Frau für zehn Tage auf die ISS.

Zunächst war ihrer sechsjährigen Tochter doch ein bisschen mulmig zumute, als sie hörte, ihre Mama will ins All. „Aber ich habe ihr erklärt, dass, wenn ich beruflich in die USA fliege, ich viel weiter weg bin. Zur Internationalen Raumstattion ISS sind es gerade mal 400 Kilometer. Nur eben in eine andere Richtung“, sagt Insa Thiele-Eich und muss lachen. Die 33-Jährige, die mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Römlinghoven lebt, ist eine von sechs Finalistinnen der Initiative „Die Astronautin“. Die Meteorologin an der Uni Bonn würde gerne als erste deutsche Frau 2020 für zehn bis 14 Tage zur ISS fliegen.

Sie wäre nicht die erste in der Familie, die ins All startet. Ihr Vater Gerhard Thiele ist selbst Astronaut und nahm an der „Shuttle Radar Topography Mission“ teil, bei der im Februar 2000 rund 80 Prozent der Landmasse der Erde kartographiert wurden. Daten übrigens, die heute in der Arbeit der Tochter an der Bonner Uni zum Einsatz kommen. Sie betreibt Grundlagenforschung für eine verbesserte Wetter- und Klimavorhersage und untersucht zum Beispiel den Wasseraustausch zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Thiele-Eich sofort zuschlug, als sie von der Initiative hörte. „Sowohl mein Mann als auch meine Mutter hatten von dem Projekt gelesen und mir fast zeitgleich davon erzählt“, berichtet Thiele-Eich, während sie am Donnerstag im Zug zurück von der Vorstellung der sechs Finalistinnen sitzt. „Fünf Minuten später war die Datei für das Anschreiben erstellt.“ Das Projekt verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll die Astronautin Frauen und Mädchen als „Role Model“ für technische Berufe und ein naturwissenschaftliches Studium begeistern. Zudem soll mit einem Experimentprogramm erforscht werden, wie der weibliche Körper in der Schwerelosigkeit reagiert.

Auswahlverfahren der DLR

Mit mehr als 400 anderen Bewerberinnen ging Thiele-Eich an den Start. Sie überstand die erste Vorauswahl und landete in der Runde der 90 Kandidatinnen, die am Auswahlverfahren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) teilnehmen durften. Welche Aufgaben sie dort bewältigen musste, darf sie nicht erzählen; vor Beginn musste sie eine Schweigepflichterklärung unterschreiben. Nur so viel: „Es waren sowohl kognitive als auch psychologische Tests, die man teilweise auch aus Assessment Centern kennt. Ebenso wurde Grundlagenwissen zu Mathematik, Englisch und Physik abgefragt. In einer weiteren, dreitägigen Auswahlrunde wurden wir von Kopf bis Fuß medizinisch getestet.“

Ein stattliches Programm, denn Thiele-Eich liegt auch in den letzten Zügen ihrer Promotion. „Da auch mein Mann voll berufstätig ist, achten wir schon sehr bewusst darauf, dass kein Familienmitglied zu kurz kommt“, sagt die leidenschaftliche Läuferin, die jede Gelegenheit zum Laufen nutzt – egal, ob sie gerade ihre dreijährige Tochter in den Kindergarten gebracht hat oder Mittagspause macht. Missen möchte sie die Erfahrung nicht. „Es war ein aufregendes Jahr.“

Wissenschaftsastronautin statt Weltraumtouristin

Das Wort „Weltraumtouristin“ hört sie nicht so gerne. Zwar muss die Initiative die Ausbildung, den Flug und den Aufenthalt auf der ISS bezahlen, und die Astronautin ist auch keine Berufsastronautin der ESA auf Lebenszeit. „Aber das Training ist nicht das eines Weltraumtouristen“, es erstrecke sich über Jahre. Sie tritt als private Wissenschaftsastronautin an. Die Aufgaben, die die Astronautin an Bord erledigen soll, sind bereits in Planung, es gibt bereits erste Kontakte zur Charité.

„Aber es sollen auch auch viele Experimente gemeinsam mit Schülern konzipiert und durchgeführt werden, denn es geht bei dieser Kampagne ja auch darum, eine Vorbildfunktion für junge Mädchen – und Jungen – zu sein“, sagt Thiele-Eich. Gerne könnten insbesondere Schulen aus Bonn und Umgebung kreativ werden.

In einem nächsten Schritt wird nun eine Jury die zwei Frauen auswählen, die dann die Ausbildung absolvieren dürfen. Thiele-Eich rührt unterdessen die Werbetrommel für das Crowdfunding, mit dem mindestens 50 000 Euro für den ersten Teil der Ausbildung zusammenkommen sollen. „Meine größte Sorge ist momentan, dass es vielleicht doch noch an der Finanzierung scheitert und keine von uns ins All fliegen kann.“

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