Gut Frankenforst in Vinxel Ein Bauernhof als Forschungseinrichtung der Uni Bonn

KÖNIGSWINTER · Gut Frankenforst in Vinxel ist ein Ort der Gegensätze. Ländliche Idylle und hochmoderne Technik. Bauernhof und Forschungseinrichtung. Einfamilienhäuschen und Labor. Quiekende Ferkel und molekulargenetische Analysen.

 Hochherrschaftlicher Arbeitsplatz: In dem eleganten Gebäude auf Gut Frankenforst ist unter anderem die Verwaltung untergebracht.

Hochherrschaftlicher Arbeitsplatz: In dem eleganten Gebäude auf Gut Frankenforst ist unter anderem die Verwaltung untergebracht.

Foto: Frank Homann

Die Kühe sind Nummern in einem Computer und haben doch alle einen Namen. Gut Frankenforst, die Lehr- und Forschungsanstalt der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn mit Schwerpunkt Tierbestand, ist ein Faszinosum.

Der Nebel liegt über den Feldern, die sich unterhalb der Fenster des Arbeitszimmers von Leiter Josef Griese im ehemaligen Herrenhaus erstrecken. In der Ferne grasen Kühe auf der Weide. Insoweit werden Klischees von Bauernhof und Landwirtschaft perfekt bedient.

Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Nicht nur auf Gut Frankenforst. "Die Menschen", sagt Griese, der einen Großteil seines Leben in der Forschungseinrichtung gelebt hat, "haben eine romantisierte Vorstellung von der Landwirtschaft. Das muss sich ändern. Denn dieses Bild hat nichts mit der Realität gemein."

Und so ist das Forschungsgut eben ein landwirtschaftlicher Betrieb, in dem gelehrt und geforscht wird - nach den besten Methoden, um Tiere zu halten und zu züchten. Und es ist ein Hof, der seine Produkte verkauft: Schweine, Kälber, Milch und Eier. "Wie ein ganz normaler Betrieb", sagt Griese.

So ganz normal ist Gut Frankenforst natürlich nicht. Ställe wie der hochmoderne Kuhstall zum Beispiel kann sich ein normaler Hof gar nicht leisten. 1,7 Millionen Euro wurden in den 2009 eröffneten Stall gesteckt. Dafür werden die

60 Kühe, die dort leben, rund um die Uhr überwacht. Jedes Detail wird registriert. Wie viel die Kühe fressen und was sie fressen, wie viel sie trinken. Ihre Bewegungsmuster lassen sich bis ins Detail über GPS verfolgen. Ihr Melkverhalten, die Milchmenge und deren Zusammensetzung werden erfasst. Zwei Mal pro Tag werden die Tiere gewogen. Ob sie krank sind, brünstig oder trächtig - alle diese Daten fließen in die digitalen Dateien der Software "KuhDaM" ein, ein ganzes Kuhleben lang.

Von all diesen Daten erhoffen sich die Wissenschaftler zum Beispiel Erkenntnisse über die optimale Ernährung und die Leistungsphysiologie der Rinder. Die optimalen Bedingungen sind unter den Forschern an der Universität begehrt: "Wir sind ausgebucht", sagt Griese und schmunzelt ein bisschen. Direkt hinter dem Stall steht ein zweiter. Das ist das Reich von Zuchtbulle Epson. Er ist ein Prachtexemplar.

Denn natürlich wurde der Bulle genanalytisch auf seine Leistungseigenschaften untersucht. "Der Zuchtwert", erläutert Griese, "lässt sich heute genanalytisch über 50.000 Marker bestimmen." Die Herde der Rinderrasse "Deutsche Holsteins", die auf Gut Frankenforst gezüchtet wird, ist ebenfalls erstklassig, zwei Drittel aller Tiere liegen über dem Mittel, zwei Prozent gehören zur absoluten Spitzengruppe.

Epsons Samen und der anderer Zuchtbullen wird bei minus 192 Grad in flüssigem Stickstoff bis zum Einsatz aufbewahrt. Aus der Datenbank lässt sich ableiten, welche Kuh mit welchem Bullensamen die besten Ergebnisse erzielt. "Heute geht es bei der Züchtung nicht mehr nur um die Leistung", erläutert Griese: "Vielmehr achten wir heute bei der Zucht auf Gesundheit, Langlebigkeit oder etwa ein gesundes Euter."

Epsons Samen ist auch für Franca Rings von besonderer Bedeutung. Die Biotechnikerin arbeitet in einem schnuckeligen Einfamilienhäuschen auf dem Gelände, das den Charme der 50er Jahre versprüht. Wer aber erst einmal durch den engen Flur ins Innere gelangt ist, findet sich in einem Hightechlabor wieder. Ihr Gebiet ist die künstliche Befruchtung, ihr Ziel, die Qualität künstlich befruchteter Eier zu erhöhen.

Denn die Ergebnisse sind nicht mit denen natürlich entstandener Embryonen zu vergleichen. "Mutter Natur macht das einfach besser", sagt Rings achselzuckend. Das ist es übrigens auch, was sie auf Gut Frankenforst gebracht hat. Sie schätzt den Bezug zum lebenden Tier.

Am besten versinnbildlichen die Bewohner des alten Kuhstalls den Spagat auf dem Gut. Dort stehen drei Ochsen, dreieinhalb Jahre alt und käuen genüsslich wieder. Gelassen beäugen sie den Besucher aus ihren Glubschaugen. Völlig normale Rindviecher, hätten sie nicht ein Loch im Bauch. Buchstäblich. Eine Öffnung führt direkt in den Pansen, die Gärkammer der Tiere. Sie ist sauber mit einem Plastikring mit Sichtscheibe verschlossen, lässt sich aber öffnen.

Die Wissenschaftler können so den Inhalt entnehmen, ohne die Tiere immer wieder operieren zu müssen. Ziel der Forschung: Ein besseres Verständnis der Tierernährung und eine bessere Verdauung - und damit weniger Methangasausstoß. "Der Kuh macht das nichts aus", versichert Griese und ergänzt auf den ungläubigen Blick hin: "Der letzte Bulle mit Loch ist 14 Jahre alt geworden." Griese achtet auf seine Tiere. Vielleicht auch, weil er vielen von ihnen früher selbst auf die Welt geholfen hat.

Vom Rittergut zur landwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalt

Gut Frankenforst, einer von fünf Höfen, die für die Namensgebung des Ortes Vinxel stehen, wurde erstmals 1475 als Eigentum des Grafen von Landsberg urkundlich erwähnt. 1733 ging das damals hoch verschuldete Gut für 4000 Reichstaler in den Besitz der Zisterzienserabtei Heisterbach über.

In der Folgezeit wurde es von verschiedenen Bauernfamilien bewirtschaftet. 1799, noch vor der Verstaatlichung der kirchlichen Besitztümer durch Kaiser Napoleon, wurde der Hof an eine Privatperson verkauft. 1906 erstand schließlich der Fabrikant Arthur Hasenclever aus Solingen das Gut. Er kaufte etliche Parzellen Land hinzu, bis das Gut 1914 mit 112 Hektar fast die jetzige Größe erreicht hatte.

Auch gestaltete Hasenclever das Herrenhaus völlig um und gab ihm das heutige Aussehen. 16 Pferde und 50 Milchkühe standen in den Ställen. Hasenclever legte den Park mit einheimischen Laubgehölzen und exotischen Nadelbäumen an, die größtenteils noch erhalten sind. Außerdem schaffte er eine neue Zufahrt zum Hofgelände mit der Pappelallee. Auch für den Umbau des Herrenhauses im neubarocken Stil reichte das Geld. Die offene Terrasse ließ der neue Eigentümer durch einen Wintergarten ersetzen.

Dessen Wände wurden mit Carrara-Marmor, dem Mitbringsel von der Hochzeitsreise, verkleidet. Der ursprünglich vorhandene Turm an der Nordseite, der das Flachdach des Gebäudes weit überragte, wurde abgerissen. Das Haus erhielt ein Mansardenwalmdach und einen Vorbau nach Norden mit einer steilen Freitreppe und einem Balkon über dem Portal. Nach Süden wurde ein eingeschossiger Saal mit Erker, der als Klavierzimmer diente, samt einer großen Dachterrasse angebaut. Aber das hohe Mittelportal, die Pilaster- und Rundbogenrahmung oder auch die Segmentbogenfenster blieben als maßgebliche Strukturelemente des alten Herrenhauses erhalten.

1928 verkaufte er das Gut für 510.000 Reichsmark an den preußischen Staat. 1930 ging es an die Hochschule in Bonn über. Im Zweiten Weltkrieg wurden Gebäude und Maschinen zum Großteil zerstört, der Viehbestand wurde aufgelöst, Äcker und Wiesen verwüstet. Am 19. März 1945 nahmen die Amerikaner das Gut ein.

1946 übergab die Besatzungsmacht das Gut wieder der Universität. Der Wiederaufbau begann. Die Forschung wurde fortgesetzt. Im Herrenhaus ist heute die Verwaltung untergebracht. Der "Marmor-Raum" fungiert als Sitzungszimmer. Noch heute hat der Leiter sein Arbeitszimmer in dem Bau.

Mit 26 Jahren übernahm Josef Griese 1976 die Leitung

Josef Griese wurde am 18. Januar 1950 im Sauerland geboren. Er wuchs auf einem Bauernhof auf und begann nach dem Abitur ein Studium der Agrarwissenschaften. Nachdem er nach dem ersten Semester das Studium für 18 Monate Bundeswehrzeit unterbrochen hatte, setzte er sein Studium in Bonn fort.

Im März 1974 machte er Examen, zwei Jahre später promovierte er über den Einsatz von Futterrationen in der Schweinemast. Mit 26 Jahren übernahm er die Leitung von Gut Frankenforst, dem er seitdem als Administrator vorsteht. Er hat lange auf dem Gut selbst gelebt und ist dabei unter anderem häufig als "Geburtshelfer" eingesprungen. In dieser Zeit hat er aber auch viele Mitarbeiter kommen und gehen sehen, auch die Arbeit an sich hat sich geändert.

Von vorwiegend angewandter Forschung hat sich das Arbeitsfeld in Richtung Grundlagenforschung entwickelt. Zu den Aufgaben von Griese gehören Betriebsleitung, Personalführung, Koordination der Versuchsanstellungen, die studentische Lehre und die Finanzen - immerhin erwirtschaftet das Gut jedes Jahr rund 500.000 Euro.

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