1050 Jahre Dollendorf Der Rhein bestimmte das Leben im Ort

NIEDERDOLLENDORF · Hochwasser, Rheinfähren und Verladestationen für den Basalt aus dem Siebengebirge in Niederdollendorf.

 Szene der traditionellen Fischerkrippe an St. Michael Niederdollendorf.

Szene der traditionellen Fischerkrippe an St. Michael Niederdollendorf.

Foto: Frank Homann

„Oberdollendorf liegt am Rhein, Niederdollendorf im Rhein“, lästern die Oberdollendorfer gerne über das benachbarte Niederdollendorf – und haben damit gar nicht mal so unrecht. Alle Jahre wieder nämlich setzt Vater Rhein die Uferpromenade und die anliegenden Straßen unter Wasser. Die Niederdollendorfer nehmen's gelassen. „Für uns ist Hochwasser nichts Schlimmes“, betont einer, der es wissen muss. Herbert Bracht ist Vorsitzender des Kreises der Heimatfreunde Niederdollendorf und selbst ein Urgestein im Ort.

„Die Leute, die hier aufgewachsen sind, wissen genau Bescheid, wann der Zeitpunkt da ist, den Keller auszuräumen“, sagt er. Neuzugezogene erlebten da schon eher böse Überraschungen: „Dem ehemaligen Ortspolizisten Urban ist damals das Wasser mal von hinten ins Haus rein gelaufen – und das, wo er doch die Weihnachtsgeschenke im Keller liegen hatte“, erinnert sich Bracht. „Aber der ist ja auch nicht am Rhein geboren worden.“

Manch hochwassererprobter Niederdollendorfer macht aus der Not sogar eine Tugend: „Als wir mal über Weihnachten Hochwasser hatten, hat einer einen Stand mit Würstchen und Bier aufgemacht“, erzählt Bracht schmunzelnd. Der Umsatz dürfte nicht schlecht gewesen sein – schließlich lockt das Hochwasser Schaulustige oft in Scharen an.

Seit jeher hat Vater Rhein das Leben in dem Ort geprägt, auch wenn er friedlich in seinem Bett schlummerte. Über viele Generationen hinweg bescherte Deutschlands größter Strom den Menschen hier Arbeit und Lohn. „Viele Niederdollendorfer waren früher Schiffer“, berichtet Bracht.

Entlang der Uferpromenade legten zahlreiche Ausflugsboote an. Wo heute die Festwiese zum Entspannen einlädt, wurden noch vor 100 Jahren Steine aus dem Basaltabbau im Siebengebirge in Frachtkähne verladen.

Während die Personenschiffe heute nur noch sporadisch Halt in Niederdollendorf machen, legt die Fähre regelmäßig dort an. Zwölf Mal pro Stunde, etwa 70.000 Mal im Jahr. 1895 hatten die beiden Schiffer Hoitz und Käufer mit Motorbooten den Fährverkehr von Niederdollendorf über den Rhein aufgenommen, alte Quellen verraten jedoch, dass schon über die Jahrtausende hinweg Boote Personen und Güter von einem zum anderen Ufer transportierten. Besonders stolz ist man in Niederdollendorf darauf, dass vor der eigenen Haustür einst sogar die erste elek-trische Fähre in Deutschland verkehrte. Am 11. Juli 1908 hatte das damals hochmoderne Fährschiff den Betrieb aufgenommen, am 7. März 1945 setzt die Fähre das letzte Mal von Godesberg nach Niederdollendorf über.

Sieht man einmal von den Jahren ab, in denen Väterchen Frost den Rhein bei Bonn hat völlig zufrieren lassen, was zuletzt 1929 der Fall war, hatten die Dollendorfer zweimal in der Geschichte die Gelegenheit, zu Fuß den Fluss zu überqueren: 1918 gab es eine Pontonbrücke, die während des Ersten Weltkrieges den deutschen Fußtruppen einen schnellen Rückzug ermöglichen sollte. 27 Jahre später bauten US-Pioniere die „Hodges-Bridge“ zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf, die als einer der wichtigsten Nachschubwege der Alliierten fungierte.

„Da durften auch Personen drüber, aber man musste sich vorher entlausen lassen“, erinnert sich Bracht. Eigens dafür war eine Entlausungsstation eingerichtet worden. Da sich die Niederdollendorfer Damen mit diesem Prozedere verständlicherweise schwer taten, übernahmen Jugendliche für sie dies gerne als Kavaliersdienst. „Auf dem Schein, den man erhielt, stand ja kein Name drauf“, verrät Bracht augenzwinkernd.

Im November 1945 wurde die Brücke jedoch schon wieder abgebaut; erst drei Jahre später kam der Personenverkehr über den Rhein mit dem Boot „Aennchen“ wieder in Gange. Im Frühjahr 1952 nahm dann mit der „Christophorus I“ ein modernes Motorschiff als Auto-Schnellfähre den Betrieb zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf auf.

Regelmäßiger Fahrgast auf der Fähre war übrigens Bundeskanzler Konrad Adenauer. „Der ist in Königswinter immer aus dem Auto ausgestiegen, am Rheinufer entlang bis hierher gelaufen und dann mit der Fähre übergesetzt. Die Südbrücke gab es ja damals noch nicht“, erzählt Bracht.

Zeit, sich am sogenannten „Lügenbaum“ für ein Pläuschchen niederzulassen, hatte der Kanzler allerdings nicht. Der mächtige Laubbaum am Rheinufer unterhalb der Godesberger Straße ist bis heute der Lieblingsplatz vieler Niederdollendorfer. Woher er seinen Namen hat? Bracht weiß es: „Von den vielen älteren Leuten, die hier sitzen und erzählen.“

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