Menschen im Siebengebirge Das ist Schumachermeister Ernst-Theo Basten

Königswinter · Leerlauf gibt es im Leben von Ernst-Theo und Brigitte Basten nur selten. Irgendwo untätig herumsitzen, kommt für den orthopädischen Schumachermeister nicht in Frage - auch nicht im Alter von 90 Jahren. Wir stellen ihn vor.

 Die Kasse stammt noch aus dem 19. Jahrhundert: Ernst-Theo und Brigitte Basten in ihrem Geschäft in der Altstadt.

Die Kasse stammt noch aus dem 19. Jahrhundert: Ernst-Theo und Brigitte Basten in ihrem Geschäft in der Altstadt.

Foto: Frank Homann

Turnschuhe sind nicht seine Sache. „Sie sind natürlich bequem“, gesteht Ernst-Theo Basten zu. „Daher tragen ja auch 95 Prozent der Menschen diese Sneaker.“ Aber ein hochwertiger Schuh überzeuge dann doch durch eine saubere Verarbeitung, eine gute Ledersohle, das Material. Basten weiß, wovon er spricht. Quasi sein ganzes Leben hat er sich mit Schuhen beschäftigt: Basten ist orthopädischer Schumachermeister, der einzige und letzte in der Königswinterer Altstadt. Und er ist 90 Jahre alt.

Wenn Basten etwas Leerlauf hat, dann sitzt er am liebsten auf dem „Thron“ an der Seite des kleinen Verkaufsraums mit Blick auf die Hauptstraße. „Thron“ hat Bastens Frau Brigitte vor vielen Jahren einmal den Stuhl auf dem schmalen Podest getauft, auf dem die Kundschaft Platz und Basten Maß nahm. Wobei Leerlauf im Leben der Bastens selten vorkommt.

Zwar fertigt der Schumachermeister heute keine Maßschuhe mehr. Und auch die „orthopädischen Schuhzurichtungen“, wie es korrekt heißt, und Einlagen für Menschen mit einem verkürzten Bein oder Senk-, Platt- oder Spreizfüßen sind nicht mehr sein Haupterwerb. „Aber ich repariere immer noch Schuhe“, sagt der Handwerksmeister und streicht sich über das sorgfältig gescheitelte graue Haar.

Jeden Morgen zwischen neun und halb zehn geht Basten die wenigen Meter von seinem Wohnhaus hinüber in das Geschäft, das sein Großvater Stephan 1885 an eben dieser Stelle eröffnet hat. „Die Holzvertäfelung gab es, glaube ich, schon immer“, sagt Basten und runzelt nachdenklich die Stirn. „Und die Holzkasse mit der Kurbel wohl auch.“ Seine Frau hat seinerzeit kurzerhand die Mark- und Pfennig-Anzeige überklebt und durch Euro- und Cent-Schildchen ersetzt. Die Kundenkartei existiert ausschließlich in Papierform, in den Regalen stapeln sich noch Schuhkartons, dazwischen schmücken Urkunden und Diplome die Wände.

Sein Traum war es, zur Marine zu gehen

Mit einer Mischung aus Stolz und Bescheidenheit zeigt Basten auf seinen Meisterbrief aus dem Jahr 1958, in dem ihm die Jahresbestleistung bescheinigt wird. „Er war immer ein großer Handwerker“, sagt Brigitte Basten und lächelt ihren Mann an. Dabei hatte Ernst-Theo Basten eigentlich einen ganz anderen Beruf ergreifen wollen. „Mein Traum war es, zur Marine zu gehen.“

Doch der Krieg ließ seine Träume platzen. Sechs Jahre besuchte er das Siebengebirgsgymnasium in Bad Honnef, dann, im Alter von 15 Jahren, wurde er als Soldat eingezogen, verbrachte einige Zeit in Kriegsgefangenschaft bei Iserlohn. Im Juli 1945, Basten war gerade 17 Jahre alt geworden, trat er in das väterliche Geschäft ein – und das boomte. „Es gab damals sehr viele Kriegsversehrte, die orthopädische Schuhe brauchten“, erzählt Basten. Bis zu acht Schumacher habe es in der Altstadt gegeben, allerdings war nur er Orthopädie-Schumachermeister.

Nach und nach sei diese Kundschaft weggestorben, Maßschuhe und Reparaturen kamen hinzu. Und der kleine Verkaufsladen, den seine Frau Brigitte ausbaute. 1970 hatten sich die beiden bei einem Tanztee in Köln kennengelernt. „Sie hat mir auf Anhieb gefallen“, gesteht Basten. „Du mir auch“, sagt die 75-Jährige und zwinkert ihm zu. „Er war ein sehr begehrter Herr.“

In Wuppertal war die zierliche Frau seinerzeit zu Hause, „das war im Vergleich zum beschaulichen Königswinter dann schon eine richtige Stadt“, erinnert sie sich. „Ich habe mir dann sein Leben hier ein bisschen angeguckt und entschieden: Das passt, da mache ich mit.“ 1971 haben sie geheiratet, im Jahr darauf wurde der erste von drei Söhnen geboren – keiner hat den Beruf des Vaters ergriffen, aber alle wohnen bis heute in Königswinter.

Pumps und Pfennigabsätze waren nie im Sortiment

Brigitte Basten krempelte die Ärmel hoch und kurbelte den Schuhverkauf im Erdgeschoss an, während ihr Mann in seiner Werkstatt eine Etage höher seiner Arbeit nachging. Pumps und Pfennigabsätze gab es bei Bastens zwar nie zu kaufen. „Sondern immer nur Gesundheitsschuhe“, wie Brigitte Basten betont. „Aber die sollten eben bequem sein und zugleich gut aussehen.“ Das Konzept ging auf, das Geschäft in der Altstadt lief gut.

Bis zum Berlin/Bonn-Umzug und – ein paar Jahre später – bis immer mehr Menschen im Internet ihre Schuhe bestellten. „Der Verkauf rentiert sich einfach nicht mehr“, sagt Brigitte Basten. Auch mit Blick auf das Alter entschloss sich das Paar vor einigen Monaten dazu, das Geschäft zu schließen. Wann genau das Licht in dem Traditionshaus für immer ausgehen wird, haben die Bastens allerdings noch nicht entschieden.

„Ich habe immer gearbeitet – mit Leidenschaft“, sagt Ernst-Theo Basten. Immer sei er irgendwie in Bewegung gewesen, als junger Mann mit dem Motorrad nach Italien gereist, Dampflokomotiven in der ehemaligen DDR fotografiert und immer, wenn es ging, am Rhein spazieren gegangen. „Unnütz irgendwo rumsitzen“, sagt er, „das war und ist nichts für mich.“

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