Warnung vor Factory Outlet Centern Brune: Gewinner ist der Investor

SIEBENGEBIRGE · In seinem gerade erschienenen Buch "Factory Outlet Center. Ein neuer Angriff auf die City" übt Star-Architekt Walter Brune heftige Kritik an den neuen Einkaufszentren, weil sie eine verheerende Wirkung auf die Innenstädte hätten.

Auch in Königswinter wird zurzeit intensiv über die Ansiedlung eines FOC diskutiert. Ein Projektentwickler möchte dieses zwischen Lemmerz- und Bobby-Gelände bauen.

Brune, inzwischen 88 Jahre alt, plante selbst als Architekt, Entwickler und Betreiber in den 1980er Jahren mehrere Einkaufszentren wie die Kö-Galerie in Düsseldorf oder das Einkaufszentrum Rhein-Ruhr in Mülheim. Mit einem geschätzten Vermögen von 600 Millionen Euro soll der Düsseldorfer zu den 200 reichsten Deutschen gehören.

Heute setzt er sich für die Erhaltung lebendiger Innenstädte ein. Er drängte auf das Erscheinen seines Buches mit der Begründung, dass in NRW wichtige Entscheidungen zu FOC-Projekten, unter anderem in Königswinter, anstünden. Die ersten 1000 Exemplare sind bereits vergeben. Sie gehen als Geschenk an alle deutschen Bürgermeister, Planungsbehörden, Industrie- und Handelskammern und Einzelhandelsverbände. Brunes Kritik im Einzelnen:

  • Inflation der Outlets: Brune ist durch die Expansion der künstlichen Einkaufsstädte in großer Sorge. Er führt an, dass die Zahl der FOC in Deutschland von 2005 bis 2014 von drei auf zehn gestiegen sei. Allein in Deutschland würden sich zurzeit 15 weitere Outlets in fortgeschrittener Planung oder im Bau befinden.
  • Konzept: Der Händler im FOC könne bei einem massenhaften Warenumsatz mit einer deutlich geringeren Gewinnmarge als ein Laden in der Innenstadt kalkulieren, was sich auf den Preis auswirke. Ebenso wie die günstigere Miete und der geringere Personaleinsatz. In den USA, wo die ersten Outlets an den Start gingen, sei der Höhepunkt bei der Expansion bereits überschritten. Dies führe dazu, dass vorhandene Shoppingcenter verstärkt Discountangebote machen und sich die Preise angleichen. In den USA würden sich die Outlets immer mehr zu gewöhnlichen Einkaufszentren entwickeln, in denen sich auch Kaufhäuser ansiedeln.
  • Architektur: Brune spricht von einer "Disneyfizierung". In der imaginären Urbanität eines FOC erwarte den Kunden eine regional inspirierte Stimmungsarchitektur, deren Stilmix auf der Basis einer idealen Kleinstadt um 1900 mit Marktplatz, Hauptstraße und Stadttor basiere. "Der Village-Style mag im ländlichen Raum vielleicht einen gewissen Reiz auf niedrigem Niveau habe, in der Großstadt wirkt er geradezu lächerlich", schreibt er.
  • Fabrikverkauf: Mit dem ursprünglichen Warenverkauf direkt aus der Fabrik habe das FOC nichts mehr gemein. Die Fabrik stehe nicht in Deutschland, sondern in China, Bangladesch, Indonesien oder anderen Billiglohn-Ländern. Der günstige Preis ergebe sich aus der billigen Arbeitskraft. Das FOC biete nichts anderes als der traditionelle Einzelhandel, wenn er Schnäppchen anbiete, es verpacke die Täuschung nur geschickter.
  • Investoren: Weil der Markt für Einkaufszentren in Deutschland relativ gesättigt sei, würden die Entwickler versuchen, kleine Zentren in Mittelstädten bis zu einer Einwohnerzahl von mindestens 30.000 entstehen zu lassen. "Dies ist ein Grund dafür, warum die politischen Entscheidungsprozesse wenig transparent geführt werden, denn der Gewinner ist ausnahmslos der Investor. Der Verlierer ist immer (ohne Ausnahme) die betroffene Kommune." Unter den Investoren sei ein "Run" auf die letzten weißen Flecken der Republik entstanden. In einem Beispiel legt Brune dar, dass in ein FOC mit 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche rund 105 Millionen Euro investiert werden und eine Jahresmiete von 10,8 Millionen Euro zu erzielen ist. Bei guten Umsätzen lasse sich bereits nach zwei Jahren ein Verkaufspreis von 183 Millionen Euro realisieren. Der Weiterverkauf finde in der Regel zwei Jahre nach Eröffnung statt.
  • Einzugsgebiet: Brune kritisiert, es werde stets mit dem immens großen Einzugsgebiet argumentiert. Bei den Planungen werde aber übersehen, dass Outlet Center und sonstiger Einzelhandel sich gegenseitig das Wasser abgraben. "Die Kaufkraft, auf die angeblich all diese Projekte zielen, kann man nur einmal und nicht mehrfach abschöpfen." Man könne es auch so formulieren: Jede Entscheidung für ein Center sei die Entscheidung für Leerstand und Umsatzeinbußen an anderer Stelle.
  • Falsche Versprechungen: Zur Durchsetzungsstrategie der Entwickler gehöre es, Bürgermeister davon zu überzeugen, dass gerade ihre Kommune die auserwählte Stadt ist. Dabei werde das FOC oft als Rettungsanker für eine strukturschwache Region bezeichnet. Das jähe Erwachen käme dann oft wenige Jahre nach Centereröffnung. "Die Hoffnungen entwickeln sich dann in der Rückschau als eitle Wunschträume."
  • Gutachter: Gutachten zum Beispiel zum Nachweis der Einzelhandelsverträglichkeit seien häufig mit Vorsicht zu betrachten, wenn der Gutachter durch den Entwickler beauftragt oder bezahlt werde. Die Gutachten bestätigten allzu häufig die Unbedenklichkeit der Ansiedlung. Die politischen Entscheidungsträger könnten sich dann entspannt zurücklehnen.

Walter Brune, "Factory Outlet Center - Ein neuer Angriff auf die City", Wiesbaden 2014, IZ-Verlag, 120 Seiten, ISBN 978-3-940219-24-4, 24,90 Euro.

Das FOC Königswinter in Zahlen

Die Investitionen in Königswinter werden sich laut dem Projektentwickler auf 50 bis 80 Millionen Euro belaufen. Ulrich Nordhorn von der Retail Development Group rechnet mit 1,8 bis 2,2 Millionen Besuchern im Jahr, von denen etwa 800 000 anschließend die Altstadt besuchen würden. 1,5 Millionen Menschen könnten das FOC in 30 Minuten erreichen, 6,6 Millionen innerhalb einer Stunde. Das FOC soll eine Verkaufsfläche von rund 20 000 Quadratmetern haben, 7 800 auf dem Lemmerzgelände, 2 400 auf dem ehemaligen Jass-Gelände und 9 900 auf dem Bobby-Rheingoldgelände. Während auf dem Lemmerz- und Jassgelände ebenerdige Gebäude entstehen sollen, planen die Investoren auf dem Bobby-Gelände aufgrund des Gefälles ein zweigeschossiges, im Erdgeschoss überdachtes Gebäude. Schwierigkeiten bereitet den Planern vor allem der Übergang Bahnhofstraße sowie die nicht bebaubare Fläche zwischen Jass- und Bobby-Gelände entlang des Friedhofs Palastweiher. Vier Querverbindungen sollen die Altstadt auf der anderen Seite der Bahn mit dem FOC verbinden.

Gutachten

Der Planungs- und Umweltausschuss hat kürzlich die Verwaltung beauftragt, mit dem Projektentwickler über eine Übernahme der Gutachterkosten in Höhe von rund 50 000 Euro zu verhandeln. Die Retail Development Group soll 50 Prozent der Kosten des Verkehrsgutachtens und des Einzelhandelsgutachtens übernehmen. Das gilt auch, wenn sie negativ ausfallen sollten. Sollte es zum Erwerb der Flächen kommen, soll der Investor die gesamten Kosten übernehmen. Das Einzelhandelskonzept schreibt die Stadt in Eigenregie fort.

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