Spaß haben und dabei Gutes tun Bettelgang der Junggesellen in Oberdollendorf

OBERDOLLENDORF · Die St. Sebastianus-Junggesellen-Bruderschaft 1659 Oberdollendorf zieht traditionell durch den Ort und sammelt Geld für soziale Projekte.

 Mit Schlenderpursch (Weinkrug), Böllchen (Trinkgefäß) und Sammeldose sind die Junggesellen in Oberdollendorf unterwegs.

Mit Schlenderpursch (Weinkrug), Böllchen (Trinkgefäß) und Sammeldose sind die Junggesellen in Oberdollendorf unterwegs.

Foto: Frank Homann

„Jungs, geht da noch was Süßes in die Kiepe?“ Na, da sagen die Sebastianer natürlich nicht nein. Ein paar Coladosen und Naschereien verstaut Gerda Arenz im umfunktionierten Weinberg-Equipment – Proviant für den Bettelgang, „damit ihr nicht den ganzen Tag nur Wein trinkt“. Und eine Geldspende, klar, die gibt es auch noch dazu.

Luft holen zum Dankes-Singsang – „Wir danken, wir danken, wir Sebastianus-Brüder“ – und weiter. Aufs Neue: klingeln, singen, einschenken. Wie ließe sich schließlich rheinischer in den Tag starten, als ein Gläschen für den guten Zweck zu trinken? Eins, nun gut, vielleicht auch zwei – „bleibt aber unter uns, ja?“.

Der traditionelle Bettelgang durch Oberdollendorf ist seit mindestens hundert Jahren feierlicher Auftakt zum Jahresprogramm der Bruderschaft. Und er bietet nicht nur reichlich Stoff für Anekdoten, sondern auch einen hautnahen Einblick in die Verbundenheit der Oberdollendorfer Nachbarschaft.

Das Kurioseste, was die Junggesellen beim Bettelgang je erlebt haben? „Es ist immer lustig, wenn wir die Leute ganz offensichtlich wach geklingelt haben“, erzählt Vereinspräsident Marcel Herzog. „Manchmal machen uns die Leute im Bademantel auf. Einer war sogar mal dermaßen verschlafen, dass er nicht gemerkt hat, dass er keine Hose anhatte. Und wir haben alles gesehen.“

Rund 1800 Haushalte an einem Tag

Vor solch unverhofften Anblicken bleiben Herzog und seine vier Mitstreiter an diesem Morgen aber verschont. Kiepe, Schlenderpursch und Böllsche im Gepäck, klappern sie gemeinsam den Ortskern ab. Zwei weitere Gruppen knöpfen sich Südseite und Berghang vor. Insgesamt rund 1800 Haushalte an einem Tag, und am kommenden Wochenende noch einmal genauso viel. Ein Drittel der gesammelten Spenden geht an sozial schwache Mitbürger, ein Drittel an das Waisenhaus in Opoczno im Bistum Radom – der polnischen Heimat von Pfarrer Dariusz Glowacki. Einmal mehr ist das Geld auch für den Schulbau in der Gemeinde Maziamu im Kongo bestimmt. Aus der Region stammt Kaplan Albert Kikalulu.

Gestärkt mit Kaffee und Mettbrötchen, ist die Truppe gerade aufgebrochen – da erwartet Rudolf Osterritter, der erste Spender des Morgens, bereits seine Jungs. Einst selbst lange Jahre im Verein, durfte Osterritter 1981 das Königsamt bekleiden, und steuert seit jeher jährlich einen kleinen Betrag bei.

Um kurz nach zehn bleiben einige Türen in der Lindenstraße geschlossen. „Gut, damit war zu rechnen“, meint Herzog. „Viele sind einkaufen oder schlafen extra lange.“ Die traditionell ertragreichsten Straßen, darunter Winkelgasse und Turmstraße, hebe man sich ohnehin für den Nachmittag auf. Da seien die meisten Leute dann zu Hause, die Hoffnung stirbt zuletzt: „Wenn wir bei jedem Haus sagen würden, da ist zu, würden wir ja gar nichts einnehmen“, meint Patrick Wischrath. Die Sebastianer wollen gerade weiterziehen, da eilt der Hausbewohner noch schnell hinterher, um die „Büchs“ mit einem Zehner zu füttern.

Freundlicher Empfang

Wo immer sie hingehen, werden die Junggesellen freundlich empfangen. In Strömen fließt der Wein so früh am Morgen aber noch nicht. „Schluck Wein?“, bieten die Brüder an. „Nee“, kommt es reichlich verschlafen zurückgemurmelt, „brauch' erst mal 'nen Kaffee...“ Dann jedoch findet der Rebsaft endlich einen Abnehmer: „Hubbi!“, rufen die Sebastianer schon von Weitem. „Moin, Jungs!“, schallt es freudig zurück.

Vom Küchenfenster aus hält Franz-Hubert-Werner Sand, in den 70er und 80er Jahren knapp zwei Jahrzehnte lang Präsident und jetzt Ehrenpräsident der Bruderschaft, Smalltalk mit dem Nachwuchs. Das Jahr mit sozialem Engagement zu beginnen, das habe ihn früher schon als Aktiven gefreut, so Sand. Und es sei toll, dass diese Tradition noch immer fortgeführt werde. „Ist wie Dotzen“, findet die Truppe. „Nur ohne Laternen, dafür mit Alkohol und gegen Geld. Also eigentlich überhaupt nicht wie Dotzen.“

Weiter, und noch einmal: „He wunnt der Herr vun Dibbedibbedibb, der hät noch Wing im Fass, der muss jesoffe sin...“ Ihre Oberdollendorfer Jungs unterstützt auch Elfrith Schäple – eigentlich keine Kirchgängerin, keine Weintrinkerin, und auch überhaupt keine gebürtige Dollendorferin. „Aber man sollte doch versuchen, den Leuten ein bisschen zu geben.“ Spaß haben und Gutes tun, das sei der Sinn des Bettelgangs: „Und ein paar Euro für den guten Zweck hat fast jeder übrig.“

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