30-jähriges Bestehen des Awo-Ortsvereins Königswinter Altersarmut ist eine reale Gefahr

NIEDERDOLLENDORF · In Ordnung, es gab Sekt zum Anstoßen. Aber als die Arbeiterwohlfahrt Königswinter jetzt im Awo-Treff ihr 30-jähriges Jubiläum feierte, goss Festredner Rudolf Dreßler auch ziemlich viel Wasser in den Wein.

 Rudolf Dreßler (M.) spricht bei der Arbeiterwohlfahrt.

Rudolf Dreßler (M.) spricht bei der Arbeiterwohlfahrt.

Foto: Frank Homann

"Armut im Alter: Jammern auf hohem Niveau?": Unter diesem Titel zeigte der Awo-Ortsverein nicht nur eine Wanderausstellung, sondern hatte auch den ehemaligen Sozialpolitiker Dreßler als Referenten eingeladen. Vorsitzende Hannelore Sander: "Das Jubiläum wollen wir nicht feiern, sondern ein Grundanliegen der Awo deutlich machen: etwas gegen Armut zu unternehmen."

Rudolf Dreßler, der von 1980 bis 2000 für die SPD im Deutschen Bundestag saß, danach fünf Jahre als Botschafter in Israel tätig war, viele Jahre dem Vorstand und Präsidium seiner Partei angehörte, stellte eine vernichtende Analyse der politischen Nachfolger an.

Die Diskussion könne nicht losgelöst von den finanzpolitischen Turbulenzen 2008 gesehen werden, als die Bundesregierung das Rettungspaket für die angeschlagene Finanzbranche von 500 Milliarden Euro beschlossen hatte. Dreßler: "Das ist eine Summe, mit der 28 Jahre lang die Sozialhilfeausgaben bestritten werden könnten." Und: "Der Staat muss den Verursachern endlich eine Rechnung stellen. Eine Parallelgesellschaft der Banker darf es nicht geben."

Als armutsgefährdet gelte in Deutschland eine Person, stehen ihr weniger als 917 Euro pro Monat zur Verfügung. Dreßler: "15,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zählen dazu." Die Altersarmut habe zwei Gründe: die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Senkung des Rentenniveaus. "Altersarmut wird millionenfach manifestiert. Millionen Arbeitnehmer werden im Alter bitterarm sein. Ein Drittel der künftigen Renten wird auf Sozialhilfeniveau liegen. In 30 Jahren stehen 20 Millionen Rentner vor den Rathaustüren!"

Es müsse gegengesteuert werden - aber wo sei die Alternative? "Bei den Parteien im Bundestag sehe ich sie nicht", sagte der Referent. Eine schallende Ohrfeige auch für seine eigene Partei, deren "Rente mit 67" Dreßler bitter aufstoße. "Korrekturen in den Gesetzen müssen jetzt gemacht werden." Und weiter: "Seit Jahren befindet sich die SPD am Existenzrand einer Volkspartei. Bei 23 Prozent von einer Volkspartei zu reden, ist mutig." Und: "Wenn eine Partei auf dem sozialpolitischen Feld nicht mehr identitätsstiftend ist, dann fehlt ihr der Kitt."

Es gehe ihm nicht um Schelte. Aber Dreßler nannte das Beispiel Mindestlohn. "Man muss 70 Jahre lang 8,50 Euro verdienen, um 700 Euro Rente zu bekommen. Mit der Mindestrente hat man nicht den Hauch dieses Problems Altersarmut gelöst." Sozialverbände, Gewerkschaften und Kirchen zusammen seien gefragt.

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