Pension Pieper in Rhöndorf Willkommen im Drachenloch

Siebengebirge · Mit 82 Jahren betreibt Ursula Pieper das Gästehaus Am Drachenloch in Rhöndorf, direkt am Fuß des Drachenfelsens. Das Haus ist Pension und Ausflugslokal, Weinhandel und Ruhepol, und nicht zuletzt Ursula Piepers Zuhause.

 Platz für viele Gäste: An langen Tafeln im großen Saal werden Hochzeiten gefeiert und Weine verkostet.

Platz für viele Gäste: An langen Tafeln im großen Saal werden Hochzeiten gefeiert und Weine verkostet.

Foto: Sven Schneider

Nein, Freunde werden Spatzen und Ursula Pieper in diesem Leben nicht mehr. „Die vermehren sich momentan wie wild“, sagt sie mit ernstem Blick durch die Gleitsichtgläser ihrer grellroten Brille. Was ja nicht weiter schlimm wäre, die 82-Jährige mag Tiere. „Aber nicht, wenn sie mir meine ganzen Kirschen wegfressen“, moniert sie und schaut auf das Marmeladenregal in ihrem Verkaufsraum.

Dort, zwischen den Sorten Apfel-Quitte, Birne und Johannisbeere, klafft eine Lücke. Nur noch ein Glas „Fruchtaufstrich Kirsche“ ist übrig – und wird wohl keine Gesellschaft mehr bekommen. „Jetzt müsste ich die Kirschen kaufen, zu sechs Euro pro Kilo.“ Und energisch fügt sie an: „Das mache ich nicht mehr, dann ist halt jetzt damit Schluss.“

Es wird kein Beinbruch sein für die rüstige Dame, die behände mit ihrem Rollator über die rosabraunen Fliesen geht. Dann kocht sie eben mehr von den anderen Marmeladen, schließlich stehen auf ihrem gegenüberliegenden Weinberg genug Obstbäume. Hauptsache, und das ist ihr wichtig, sie macht es selbst. „Das habe ich immer schon getan, noch bevor mein Mann und ich vor 16 Jahren die Pension errichtet haben.“

Immer was zu tun

Ursprünglich als weitere Verkaufsmöglichkeit für den Wein des familieneigenen Weinguts vorgesehen – die Rebstöcke erstrecken sich auf einer Fläche von sechs Hektar zu Füßen des Drachenfels' –, ist das Gästehaus Am Drachenloch inzwischen Pension und Ausflugslokal, Weinhandel und Ruhepol, und nicht zuletzt Ursula Piepers Zuhause.

Gleich hinter der Küche, deren Dimension an Zeiten erinnert, als noch täglich ein Mittagstisch angeboten wurde, liegen die Privaträume der alten Dame, die durch die großen Panoramascheiben des Wohnzimmers rund um die Uhr das gesamte Haus und die Terrasse mit Platz für rund hundert Personen im Blick hat.

Und selbst, wenn keine Hochzeitsgesellschaft das Haus für eine zünftige Feier anmietet, keine Weinverkostung im großen Saal stattfindet und nicht alle acht geräumigen Doppelzimmer belegt sind: Ursula Pieper hat immer was zu tun. Sie kümmert sich um den Bestand der Weine in ihrer Vinothek, dekoriert liebevoll das gesamte Haus, pflanzt und gießt die Blumen. Die Reinigung der Zimmer im ersten Stock muss sie ihren Mitarbeitern überlassen.

„Die Treppe schaffe ich nicht mehr“. Und einen Fahrstuhl gibt es nicht. Aber einen Balkon vor den Zimmern, von dem aus jeder einen unverbauten Blick auf den Drachenfels und die Rebenreihen genießen kann – bestenfalls mit einer Flasche Pieper-Wein. Warum sie sich die Pflege und den Betrieb des Hauses in ihrem Alter überhaupt noch antut, könne auch ihre Familie nicht so ganz verstehen, wie sie schmunzelnd sagt. „Aber mein Mann und ich wollten das einfach, es war unser Traum.“

"Von wegen, denen habe ich es gezeigt"

Der vor sechs Jahren verstorbene Adolf Pieper und sie hatten nach einer Vermarktungsmöglichkeit für die Produkte ihres Weinguts gesucht, nach eigenen Angaben das größte in Nordrhein-Westfalen. Und natürlich hilft sie nicht mehr selber bei der Lese der reifen Trauben Marke Riesling, Müller-Thurgau oder Grauburgunder. Das übernimmt jetzt Enkel Felix als Diplom-Önologe.

Auch sonst hat die gelernte Winzerin den Staffelstab längst weitergereicht: Sohn Adolf „Bobbi“ und Gattin Heike kümmern sich mit Enkelin Roxana um die weiteren Lokale und Abnehmer wie den Jesuiterhof in Königswinter, das Weinhaus Domstein oder das alte Fährhaus in Königswinter.

Es gab also keinen echten Grund, mit dem Drachenloch noch ein weiteres Geschäft aufzuziehen, schon wegen der Kosten. Rund 500.000 Mark kostete der Bau, und der Nachwuchs war skeptisch, ob sich diese Summe je refinanzieren lasse. „Von wegen, denen habe ich es gezeigt“, meint Ursula Pieper stolz. Keine neun Jahre habe es gedauert, den Kredit abzutragen. „Das soll mir erstmal einer nachmachen.“ Dennoch sieht sie keinen Anlass dafür, kürzer zu treten. „In ein Pflegeheim will ich nicht, mein Platz ist hier.“

Vielleicht schreibt sie endlich ihre Memoiren weiter, womit sie bereits vor einigen Jahren begonnen hat. Mit dem Rollator verschwindet sie kurz in ihrer Wohnung und kehrt mit einem Ordner zurück: 60 handgeschriebene und leserliche Seiten, nirgends durchgestrichene Sätze. Flüssige Erinnerungen, die allerdings in Sachen Abschrift kurz nach dem Krieg enden. Vorerst, denn sie will definitiv weitermachen. Doch sie komme einfach so selten dazu. Der Pensionsbetrieb nehme sie eben sehr in Anspruch.

Wie sich der Familienbetrieb entwickelte; dass sich der Hauswein „Drachenblut“, eine kräftige Cuvée aus Portugieser und Dunkelfelder, dank zahlreicher trinkfreudiger Urlauber aus dem Ruhrgebiet zu einem Verkaufsschlager entwickelte. Oder dass sich Prominente wie die deutsche Journalistenlegende Peter Scholl-Latour auf ihrer Sonnenterrasse niederließen, um die neuesten Tropfen zu verkosten und gleich kistenweise mitzunehmen.

Überaus gerne lässt Ursula Pieper ihre Gäste an ihren Erinnerungen teilhaben, erklärt den Hintergrund jedes Einrichtungsgegenstandes, verrät Rezepte für Kräutersalz und „die beste Putzlauge, die Sie sich vorstellen können“. Momentan steht sie allerdings oft vor der Lücke zwischen ihren Marmeladen. Kurz überlegt sie und hat dann eine Idee. „Ich mache einfach mehr von den Quitten“, sagt sie. Schließlich gebe der Weinberg mit seinen Obstbäumen das her – neben unzähligen Geschichten, die das Zuhören allesamt wert sind.

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