Aus Betreuung wurde enge Freundschaft So lebt die Flüchtlingsfamilie Hamo im Siebengebirge

SIEBENGEBIRGE · Seit die syrisch-kurdische Familie Hamo nach der Flucht 2015 in Königswinter gestrandet ist, kümmert sich Brita Larenz um sie. Inzwischen hat das junge Paar mit den drei Kindern Fuß gefasst und möchte in Deutschland bleiben.

Im August 2016 war ein großer Moment für Familie Hamo. Im Siegburger Kreishaus erhielten Mustafa und Shireen Hamo ihre auf drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung: Sie nahmen den „Reiseausweis für Flüchtlinge“ entgegen, die Flüchtlingseigenschaft wurde ihnen zuerkannt. „Der Augenblick war sehr berührend: Shireen nahm den Ausweis, streichelte ihn und sagte: 'Endlich Deutsche'“, erinnert sich Brita Larenz. Mit Beharrlichkeit und ihrem „guten Geist“ Larenz stets im Rücken, hat die syrisch-kurdische Familie im Siebengebirge Fuß gefasst.

Noch sind die fünf vollständig angewiesen auf das soziale Netz vom Jobcenter und der Stadt Königswinter. Doch sie haben, wie sie bekunden, den festen Willen, eines Tages auf eigenen Beinen zu stehen, hoffen auf die Entfristung ihrer Aufenthaltsgenehmigung. „Wie es weitergeht, ist abhängig davon, wie sich die Situation 2019 in Syrien darstellt. Das wird dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft“ , sagt dazu Anja Roth von der Pressestelle des Kreises.

Rückblende: Es war Ende Mai 2015, als sich die Allgemeinmedizinerin im Ruhestand aus Heisterbacherrott und Mustafa und Shireen Hamo, das Paar aus dem syrischen Kobane mit drei kleinen Kindern, im Asylbewerberheim in Stieldorf kennenlernten. Larenz betreut die junge Familie seither intensiv. Im August 2015 war die Sprache noch ein großes Problem: Ein Arabisch-Übersetzer musste beim Interview mit dem damals 30-Jährigen und seiner gleichaltrigen Frau helfen. Beide haben Deutschkurse absolviert und können sich heute gut verständigen.

Mustafa Hamo hat den Führerschein gemacht

Seit fast einem Jahr ist die Familie nun an einer ruhigen Anliegerstraße in Oberpleis zu Hause. Der Vermieter wohnt auf der Etage über ihnen. Kinderfahrräder lehnen am Hauseingang. Vom Wohnzimmer geht der Blick auf den kleinen Garten. In der Einfahrt steht ein älterer Ford Kombi, denn Mustafa Hamo hat den Führerschein gemacht – ohne Fehler in der Theorie, wie er stolz betont. Das Auto ist vor allem wichtig, weil die Hamos einmal wöchentlich ihren ältesten Sohn Mahmoud in die Kinderorthopädie der Bonner Uniklinik zur Physiotherapie bringen.

Dort muss der Sechsjährige wegen seiner Spitzfüße, einer angeborenen Fehlbildung, regelmäßig turnen. Anfangs kümmerte sich Brita Larenz um alles, doch „inzwischen macht Mustafa die Termine in der Kinderklinik völlig selbstständig“, freut sich die Allgemeinmedizinerin im Ruhestand über die zunehmende Eigenständigkeit ihrer Schützlinge und über Mahmouds Fortschritte.

Whatsapp: "Wir vermissen dich"

Die syrisch-kurdische Familie greift nach wie vor oft auf auf Larenz' Rat und Hilfe zurück, aber längst nicht mehr so häufig wie 2015 und 2016. Ihren Umzug nach Oberpleis im vorigen Winter meisterte die Familie fast komplett ohne Larenz' Beistand: „Ich war erstaunt, wie toll sie das alles gemacht haben.“ Zu jener Zeit musste die Ärztin für einige Wochen aus persönlichen Gründen ihr Engagement für die Familie zurückschrauben.

„Wir vermissen dich“, kam da als Nachricht auf Whatsapp, „aber nicht als Vorwurf, sondern als Anteilnahme“. Larenz gehört zur Familie, nahm etwa im Sommer 2016 an der Verlobungsfeier von Shireen Hamos Schwester in Hagen teil. 250 Kurden, zehn Stunden kurdische Live-Musik und Tänze – und Larenz als einzige Deutsche mittendrin, für sie ein unvergessliches Erlebnis.

Mahmoud geht seit dem Sommer in die erste Klasse der Grundschule Sonnenhügel. Die Einschulung war aufgrund von Bedenken hinsichtlich seiner Behinderung und der Sprachbarrieren nicht selbstverständlich, doch dank Intervention von Larenz und Unterstützung der Schulleitung klappte es, und inzwischen „kriegt Mahmoud ständig die Königskrone, weil er alles richtig hat“, freut sich Larenz. In Schule und Kindergarten haben die Hamos Brita Larenz als ihre Vertrauensperson angegeben – und so wird die Ärztin angerufen, wenn Lehrer und Erzieher befürchten, das Paar habe nicht alles komplett begriffen.

Überall trifft die Familie auf Verständnis

„Auch im Kindergarten ist das Verständnis für die Familie großartig“, sagt Larenz: Die kleine Melisa, im Dezember drei Jahre alt, besucht seit August 2017, ihr knapp vierjähriger Bruder Hamed schon seit Sommer 2016 die katholische Kita in Oberpleis. Im nachbarschaftlichen Umfeld der Familie stimmt ebenfalls alles: „Wir grillen zusammen, wir gehen spazieren“, berichtet Shireen Hamo. Beim Einzug seien sie herzlich aufgenommen worden. „Die Nachbarn fragten: Woher kommen sie? Brauchen Sie Hilfe?“, erinnert sich Mustafa Hamo und es bricht aus ihm heraus: „Meine Heimat ist jetzt in Deutschland, ich möchte hierbleiben bis zum Tod. Ich liebe Deutschland.“

Traum der Eheleute ist es, sich mit einem kleinen Geschäft mit syrischen Spezialitäten selbstständig zu machen. Allerdings birgt eine Existenzgründung allerhand Hürden, wissen beide. Mustafa Hamo sucht Arbeit, hat sich kürzlich bei der Post um eine Stelle beworben.

Die Eltern des 32-Jährigen sowie drei Schwestern und ein jüngerer Bruder sitzen nach wie vor in der Türkei fest. Mit sechs Personen bewohnen sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Urfa. Die vierte Schwester lebt in Neuseeland, die fünfte in Schweden, zwei Brüder halten sich in Königswinter auf, einer in Hannover und eine sechste Schwester lebt mit ihrer Familie noch im zerstörten Kobane.

Heimweh haben Hamos nicht

Man habe ihnen als Kurden in Syrien nie die volle Gleichberechtigung zugestanden, sagt das Ehepaar. Daher haben sie keine Sehnsucht nach der zerstörten Heimat und dem kleinen Ort Sham, in dem sie wohnten. Eine bessere Zukunft möchten sie in Deutschland finden und mit den drei Kindern für immer hierbleiben. Dafür wollen sie sich anstrengen und einfügen.

Larenz: „Man erwartet von ihnen Anpassung – und das ist auch berechtigt.“ Ihr Eindruck: „Sie behalten ihre kurdische Identität, sind aber trotzdem integrationsfreudig.“

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