Porträt der CDU-Politikerin aus Königswinter Andrea Milz: „Ich bin konservativ - in Farbe“

Siebengebirge · Zumbatrainerin, Schachspielerin und Christdemokratin mit strengem Wertegerüst: Andrea Milz ist zum fünften Mal als Direktkandidatin in den Düsseldorfer Landtag eingezogen. Ein Porträt.

 „Sport ist die Hälfte“: Andrea Milz beim Turnverein Eiche in Bad Honnef.

„Sport ist die Hälfte“: Andrea Milz beim Turnverein Eiche in Bad Honnef.

Foto: Frank Homann

Gedeckte Farben kommen Andrea Milz nicht in die Tüte. Und schon gar nicht in den Kleiderschrank. Knallbunte Pullover Marke Eigenstrick, passende Schuhe und Accessoires, die unvermeidliche (Feder-)Strähne im Haar: So und nicht anders kennt man die 54-Jährige. Ein Widerspruch zu ihrer Partei, der CDU? Optisch gar ein Fall für die Grünen? „So eine Glitzertussi wie mich wollen die nicht. Und wer sagt denn, dass konservativ grau sein muss? Ich bin konservativ in Farbe. Und mein Wertegerüst ist strenger als das vieler Anzugträger“, sagt sie.

Der christdemokratische Farbtupfer bleibt dem NRW-Landtag erhalten. Mit 43,8 Prozent holte Milz am vergangenen Sonntag zum fünften Mal in Folge das Direktmandat in ihrem Wahlkreis mit den Städten Bad Honnef, Königswinter und Sankt Augustin. Und lag über dem CDU-Zweitstimmenergebnis von 36,5 Prozent.

Es ist Mittwoch, kurz nach elf Uhr. Andrea Milz trägt Neonpink, im vorliegenden Fall ein Sport-shirt: „Sport ist die Hälfte. Ohne den geht nichts.“ Auch an diesem Morgen hat sie trainiert im „zweiten Zuhause“, beim Turnverein Eiche (TVE) – nicht für sich alleine, sondern in Front. Andrea Milz, die Trainerin: Sie hat die B-Lizenz für Fitness, für Reha- und Präventivsport, unterrichtet zudem Indoor-Cycling, Hot Iron und Zumba, alles in allem etwa zehn Stunden die Woche. „Ich bin auch fünf Tage vor der Wahl durch die Kabine geflitzt.“ Berührungsängste Fehlanzeige: „Ich habe dieses Betroffenheitsgen nicht. Distanz im Sport, die gibt es nicht.“

Die Musik für jedes Training – „Von Metallica bis 'Pack die Badehose' ein“ – hat sie ebenso akribisch archiviert, wie sie seit dem zwölften Lebensjahr eine Zeile für jeden Tag notiert. „Früher stand da 'Plätzchen gebacken mit Mama', heute 'F-DÜ'.“ Bedeutet? „Fraktionssitzung in Düsseldorf.“ Andrea Milz, die Politikerin: „Die Plenartage sind für alles andere tabu.“ Sport, Termine bei den CDU-Gliederungen oder im Wahlkreis vom Gespräch in der Kita bis zum Firmenbesuch: Das alles orientiere sich am auf Monate festgelegten Kalender des Landtags. „An diesen Tagen komme ich nicht nach Hause, da arbeite ich nur in Düsseldorf. Dafür bin ich gewählt, da bin ich gnadenlos, seit 17 Jahren.“

Drei bis fünf Stunden Schlaf

Andrea Milz, die Disziplinierte: Drei bis fünf Stunden Schlaf müssen reichen. Basta. Was ihr besonders wichtig ist: die Hilfe bei Petitionen. „Ich sage immer: Nutzt das Petitionsrecht. Wir helfen gerne.“ Wenn es klappt, eine dieser „urpersönlichen“ Fragen abseits der Öffentlichkeit zu lösen: „Dann weiß ich: Dafür mache ich das.“

Andrea Milz, die Heimatverbundene: „Wenn ich den Drachenfels sehe, weiß ich, ich bin zu Hause.“ In Dollendorf wuchs sie auf, lernte von der spanischen Nachbarin das Stricken, schwatzte der Mutter fünf Mark für Wolle ab. Andrea Milz war 15, der Pulli Nummer eins war gelb. Seither führt die passionierte Schachspielerin Buch über jede ihrer Eigenkreationen, die immer aufwendiger wurden und immer bunt blieben. 412 sind es inzwischen, und sie entstehen oft nachts, wenn alle Pflichten erledigt sind. Auch ihr erstes Geld verdiente sie mit Stricken, fertigte Modelle für eine Wollfirma. „Vom Verdienst habe ich meine erste Uhr gekauft.“

Andrea Milz, die Kosmopolitin: Reisen ist ein großes Hobby. Ob in Sri Lanka, in Australien oder am Amazonas, sie mischte sich auch unter die Leute, arbeitete als Teepflückerin mit oder als Fischerin – und tanzte Samba in Rio. Was steht noch auf der To-do-Liste? Spitzbergen komplett umrunden und die Antarktis. Langstreckenflüge sind kein Problem, erstes Ziel war Malaysia. „Ich wollte Stewardess werden, habe darum Fremdsprachen gelernt. Nach Malaysia wusste ich zwei Dinge. Erstens: Ich werde immer Geld für Reisen ausgeben. Zweitens: Stewardess geht nicht, die haben ja alle dasselbe an.“

Das Geld für die erste Reise verdiente sie in der Konservenfabrik Brassel. Der Ferienjob stellte die Weichen für den Weg in die Politik. Sie begegnete einem jungen Mann, der in der Jungen Union aktiv war. „Ich habe mir alle Parteiprogramme besorgt und gelesen.“ Warum die CDU? „Die traf zu 70 Prozent meine Überzeugung. 70 Prozent, das war weit mehr als bei allen anderen.“ 1989 kandidierte sie zum ersten Mal für den Stadtrat Königswinter. „Zuerst hieß es, wir haben doch schon eine Frau – die kochte Kaffee und reichte Häppchen.“ Die Dollendorferin setzte sich durch, holte den Wahlkreis Oberdollendorf-Nord. Und erklärte den Herren der Schöpfung: Häppchen reichen werde sie dann, „wenn alle Männer das Tablett vor mir auch in der Hand hatten“.

Andrea Milz, die Wahlkämpferin: Teepartys mit Tausenden, vom Lebensgefährten gebackenen Plätzchen („Nach alten Oetker-Rezepten. Das sind die besten.“), Haustürbesuche, vor allem ein offenes Ohr, keinesfalls aber Werbekulis oder Anstecker. „Ich gebe kein Geld für Plastik aus. Das teste ich immer in der Umkleide.“ Ergebnis: Kulis & Co. landeten sowieso im Müll. „Ich bin mein Werbemittel. Aber manchem Politiker fehlt das Korrektiv in der Umkleide.“

Präsenz punktet. In der sportlichen Heimat Bad Honnef war der Abstand von Erst- und Zweitstimmen übrigens am größten, die Persönlichkeitswahl am stärksten. Und Verkehrsfragen, Lärmproblematik, Barrierefreiheit, vieles, wo die Leute der Schuh drückt, werde beim Sport und in den Vereinen ohne Umwege an sie herangetragen.

Landtagsabgeordnete seit 2000

Der Erfolg gibt ihr Recht. Landtagsabgeordnete ist sie seit 2000, wurde 2005, 2010, bei den vorgezogenen Wahlen 2012 und eben jetzt wiedergewählt, teils gegen den Trend. Ihre parlamentarische Arbeit spiegelt viele der Leib- und Magenthemen: Ordentliches Mitglied war sie im Integrationsausschuss und im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation, im Sport- und im Wahlprüfungsausschuss. Was sie umtreibt: Da wäre etwa die Inklusion. „Das war der Genickbrecher für die Grünen. Da geht es um Perspektiven für Menschen“, um den Erhalt der Förderschulen.

Und was kommt nun in Düsseldorf? Andrea Milz, der Politprofi: Für Aussagen, sagt sie, sei es „noch viel zu früh. Man wird schauen, was kommt.“ Dass es Kompromisse geben müsse, liege in der Natur der Sache. „Nicht alles wird gelingen, und da werden sicher viele kommen und meinen: Genau dafür habe ich euch doch gewählt. Man muss dem Wähler aber auch ehrlich sagen: 100 Prozent CDU wie im Wahlprogramm, dafür braucht es eine absolute Mehrheit. Aber die Wähler haben uns jetzt einen anderen Auftrag erteilt.“

Von 2010 bis 2014 war sie Vize-Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion. Ambitionen auf mehr? Ein klares Ja oder Nein umschifft sie: „Mein oberstes Ziel ist, ich bin glücklich. Und das werde ich bleiben.“ Interessen wie den Sport aufzugeben und stattdessen „im Auto nur noch ständig durch NRW zu schaukeln“ komme nicht in die Tüte. Wie blasse Farben nicht in ihren Kleiderschrank.

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