Königstiger-Panzer rollten durchs Hanfbachtal 95-Jähriger erzählt vom Kriegsende 1945 im Siebengebirge

Königswinter · Jürgen Tegethoff aus Königswinter hat das Ende des Zweiten Weltkriegs als 20-jähriger Panzerkommandant erlebt. Der heute 95-Jährige beschreibt die letzten Kriegstage im März 1945. Mit den einstigen amerikanischen Feinden hat er sich längst ausgesöhnt.

 Jürgen Tegethoff mit seiner Mutter und Fahrer Detlef Thielcke Silvester 1944 vor seinem Elternhaus an der Kronprinzenstraße in Königswinter.

Jürgen Tegethoff mit seiner Mutter und Fahrer Detlef Thielcke Silvester 1944 vor seinem Elternhaus an der Kronprinzenstraße in Königswinter.

Foto: Jürgen Tegethoff

Als Jürgen Tegethoff mit seinem amerikanischen Freund Andrew Denison vor einiger Zeit in dem Wald bei Hennef-Lichtenberg den Platz suchte, wo er im März 1945 mit seinem Königstiger-Panzer gestanden und auf die heranrückenden Amerikaner gewartet hatte, wurden die beiden Männer von einigen Anwohnern kritisch gemustert. „Die dachten wahrscheinlich, wir spähen den nächsten Einbruch aus“, sagt Tegethoff und schmunzelt. Der Königswinterer, der in Heisterbacherrott wohnt, ist inzwischen 95 Jahre alt.

Mit dem Rückzug der deutschen Truppen aus den Ardennen, wo sein Königstiger am 13. Januar 1945 von der amerikanischen Artillerie achtmal getroffen wurde und Feuer fing, war für den früheren Panzerkommandanten der Krieg noch nicht zu Ende. Die Amerikaner drängten die geschlagenen deutschen Truppen durch die Eifel immer weiter zurück.

Amerikaner hatten Respekt vor den schweren Panzern

Die Königstiger, wie die deutschen Panzer von den Amerikanern ehrfurchtsvoll genannt wurden, waren zu lahmen Enten geworden. Die 70 Tonnen schweren Fahrzeuge waren entweder defekt oder hatten keinen Sprit mehr. „Wir haben sie damals in die Luft gesprengt, damit sie nicht in die Hände der Amerikaner fielen“, berichtet Tegethoff. Seine Einheit, die schwere Panzer­abteilung 506, hatte 45 Königstiger im Einsatz.

Am 9. März überquerte der damals 20 Jahre alte Tegethoff in Koblenz den Rhein. Der Marschbefehl lautete, auf Höhr-Grenzhausen vorzurücken mit dem Ziel, den amerikanischen Vormarsch auf der rechten Rheinseite aufzuhalten. Die Amerikaner hatten bereits am 7. März die Remagener Ludendorff-Brücke nach der gescheiterten Sprengung überquert.

 Jürgen Tegethoff (l.) zeigt seinem amerikanischen Freund Andrew Denison die Bilder aus dem Krieg in seinem Fotoalbum. Hier geht es um die Ardennenschlacht.

Jürgen Tegethoff (l.) zeigt seinem amerikanischen Freund Andrew Denison die Bilder aus dem Krieg in seinem Fotoalbum. Hier geht es um die Ardennenschlacht.

Foto: Frank Homann

Kommandeur setzt im Paddelboot über den Rhein

„Damals herrschte das totale Durcheinander. Unser Kommandeur setzte zum Beispiel in einem Paddelboot bei Andernach über den Rhein“, erzählt Tegethoff.

Obwohl das Fernmeldenetz total zusammengebrochen sei, habe man die Nachricht erhalten, dass sieben fabrikneue Königstiger, verladen auf einem Zug, irgendwo im Rechtsrheinischen stehen sollten.

„Wir bekamen den Auftrag, alle Eisenbahnstrecken abzufahren, um den Transport zu suchen“, berichtet Tegethoff. Vorher hatte der Leutnant der Wehrmacht mit einem Fahrer in einem Schwimmwagen jedoch noch einen nächtlichen Ausflug über die Autobahn in seinen Heimatort Königswinter unternommen.

„Uns war in dem Pfarrhaus in Höhr-Grenzhausen, in dem wir einquartiert waren, langweilig gewesen“, erinnert er sich. In seinem Elternhaus an der Kronprinzenstraße war niemand, weil die Eltern im Luftschutzkeller saßen, wie er später erfuhr.

Über die Gartenleiter kletterte er durch ein Fenster in der ersten Etage und nahm sich einige Einmachgläser seiner Mutter aus der Speisekammer mit – eingewickelt in eine Hakenkreuzfahne, die zu besonderen Anlässen gehisst wurde.

Auf der Rückfahrt gerieten die beiden Soldaten bei Ittenbach in amerikanisches Artilleriefeuer von der anderen Rheinseite. Bis auf einen geplatzten Reifen überstanden sie den Beschuss aber unbeschadet.

Einen ähnlichen Ausflug nach Königswinter hatte Tegethoff auch Silvester 1944 unternommen. Mit einem Fahrer war er von der Ardennenschlacht in seine Heimatstadt gefahren, um angeblich ein paar Schrauben bei den Lemmerzwerken abzuholen. Die Nacht verbrachten sie dann mit zwei Mädchen.

In den kommenden Tagen fand die Einheit von Jürgen Tegethoff dann tatsächlich die sieben Königstiger in einem zum Teil verschütteten Eisenbahntunnel bei Wissen an der Sieg. Nachdem die Panzer geborgen worden waren, wurden mehrere Besatzungen zusammengestellt. Eine befehligte der 20-Jährige als Kommandant.

„Viele junge Offiziere saßen in den Panzern, weil viele Ältere die Mücke gemacht hatten.“ Auf einmal seien auch wieder reichlich Sprit und Munition da gewesen. Über Windeck-Au und Hennef-Uckerath ging es Richtung Hanfbachtal. „Wir konnten uns damals nur nachts bewegen, weil der Himmel von amerikanischen Jagdbombern beherrscht wurde. Sie griffen nicht nur Panzer, sondern auch Fußgänger an“, so Tegethoff.

Ein Wald bei Hennef-Lichtenberg war das Ziel der drei Panzer, die unter dem Kommando des 20-Jährigen standen. „Das Hanfbachtal war damals die Hauptkampflinie“, so Tegethoff. Für die massigen Panzer seien die steilen Hänge und das sumpfige Gelände alles andere als ein ideales Terrain gewesen. Der Angriff der deutschen Infanterie, die Platz für die Panzer schaffen sollte, sei am 23. und 24. März jedoch gescheitert.

Nach zwei Nächten im Wald bei Lichtenberg bekam Tegethoffs Einheit den Befehl abzuziehen, ohne einen Schuss abgegeben zu haben. „Zum Glück. Wenn die Königstiger zum Einsatz gekommen wären, wären ganze Dörfer kaputt gewesen, die die Amerikaner verteidigt hätten“, sagt Tegethoff.

In Uckerath kam es zu schweren Gefechten mit großen Verlusten. Seine Einheit wurde anschließend einem Infanteriekorps eingegliedert, die Panzer wurden gesprengt. Über Winterberg im Sauerland landete der 20-Jährige schließlich im Ruhrkessel, wo die Kämpfe Mitte April eingestellt wurden.

„Wir waren noch mit 13 Soldaten von unserer Kompanie in Altena und haben beschlossen, uns zu ergeben. Wir haben unsere Waffen kaputt gemacht und sind dann mit ausgestreckten Armen auf die Amerikaner zugegangen. Der Captain gab mir die Hand und bot mir eine Zigarette an.“

Damals habe sich das Gerücht gehalten, Amerikaner und Deutsche würden nun gemeinsam gegen die Russen kämpfen. „Als ich das dem Amerikaner sagte, meinte er nur: Der Krieg ist aus.“ Am 20. April kam Tegethoff in Gefangenschaft. Mit Lastwagen ging es über Brilon nach Königswinter und über die Hodges Bridge in Niederdollendorf ins Sammellager in Remagen.

Von dort wurde er ins riesige Lager in Attichy in Frankreich gebracht. Später wurde er an die Engländer übergeben. „Kurz vor Weihnachten 1945 habe ich auf der Bonner Hofgartenwiese die Entlassungsurkunde bekommen“, sagt er. Das Gelände diente damals als Durchschleusungslager für entlassene Kriegsgefangene.

„Danach bin ich im Laufschritt Richtung Fährgasse gerannt und mit einem Boot nach Königswinter gefahren.“ Die Fassade seines Elternhauses war beschädigt, die Rolladen waren heruntergelassen, weil die Fenster kaputt waren. Sein Vater hatte Teppiche davor gehängt. 

„Die Zimmer zur Straße waren trotzdem saukalt und dunkel“, erinnert er sich. Für Jürgen Tegethoff zählte aber nur, dass an diesem Tag der Zweite Weltkrieg endgültig beendet war. Von seinen 20 Mitabiturienten am Honnefer Siebengebirgsgymnasium kehrten nur acht aus dem Krieg zurück.

Nach dem Krieg studierte er Jura, wurde Richter am Bonner Landgericht und später ein hoher Beamter im Verteidigungsministerium. Den Wunsch seines 1967 verstorbenen Schwiegervaters Wilhelm Bachem, die Steinbrüche der Familie im Siebengebirge zu übernehmen, schlug er aus.

Den Familiensitz, das Haus Bachem, verkaufte er in den 1980er Jahren an die Stadt Königswinter. Heute befindet sich in dem Gebäude der Dienstsitz von Bürgermeister Peter Wirtz.

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