Obstanbau im Siebengebirge Corona-Pandemie sorgt für Mangel an Saisonarbeitern aus Osteuropa

Königswinter · Das Coronavirus und damit der Mangel an Saisonarbeitern trifft auch viele Obstanbaubetriebe in der Region mit voller Härte. Auf dem Sonnenberger Hof der Familie Schmitt etwa steht in wenigen Wochen die Erdbeerernte an.

 Trügerische Idylle: Auf dem Sonnenberger Hof fehlen die Saisonarbeiter für die Erdbeer-Ernte.

Trügerische Idylle: Auf dem Sonnenberger Hof fehlen die Saisonarbeiter für die Erdbeer-Ernte.

Foto: Frank Homann

Sie tragen schon die ersten Blüten, die Erdbeerpflänzchen in den Tunneln des Sonnenberger Hofs. Doch ob wir uns in wenigen Wochen tatsächlich die ersten süßen Früchte aus heimischen Gefilden in den gewohnten Mengen schmecken lassen können, kann zurzeit niemand vorhersehen.

Denn das Coronavirus trifft auch viele Obstanbaubetriebe in der Region wie den Hof der Familie Schmitt mit voller Härte. Das Problem sind Saisonarbeitskräfte, die in anderen Jahren aus Ländern wie Polen und Rumänien anreisen – und jetzt ausbleiben. Allein auf dem Sonnenberger Hof sind normalerweise zur Erntezeit mehr als 100 Erntehelfer tätig.

"Wir machen uns gigantische Sorgen"

Heiner Schmitt und sein Sohn Markus sind Landwirte mit Leib und Seele, Männer, die so leicht nichts erschüttern kann, aber jetzt „machen wir uns gigantische Sorgen“. In fünf bis sechs Wochen soll am Sonnenberger Hof die Erdbeerernte beginnen. Die ist mit den 13 polnischen Arbeitern, die derzeit noch am Hof sind, nicht zu stemmen. „Fünf rumänische Arbeiter sind am Wochenende nach Hause geflogen“, berichtet Markus Schmitt.

Die sechs polnischen Saisonkräfte, die eigentlich anreisen wollten, durften nicht ausreisen oder sind aus Angst nicht gekommen. Schmitt ist froh, dass die Verbliebenen signalisiert haben, erst einmal bleiben zu wollen. „Aber wie lange, ist fraglich.“ Schon jetzt läuft der Hof, der sich vor allem auf den Anbau von Erdbeeren und Brombeeren spezialisiert hat, im Krisenmodus. Viele Arbeiten bleiben liegen, es wird nur das Wichtigste gemacht. Das sind Pflegearbeiten an den Kulturen, vor allem aber das Pflanzen: „Wir müssen jetzt pflanzen. Das können wir nicht erst in einem Monat machen“, erklärt Heiner Schmitt. Wenn es jetzt nachts Frost gibt, müssen die empfindlichen Pflanzen zusätzlich mit einem Vlies geschützt werden – was weiteren Aufwand bedeutet.

 Der Sonnenberger Hof.

Der Sonnenberger Hof.

Foto: Frank Homann

Für all diese Pflegearbeiten und die Erntevorbereitung fehlen bereits jetzt gravierend Leute im Betrieb. Fest steht auch: ohne Erntehelfer keine Ernte. „Wir haben alles vorfinanziert, wenn die Ernte nicht kommt, ist das dramatisch.“ Schmitt weiß, dass nicht nur die Landwirte hierzulande vor diesem Problem stehen, „das ist in ganz Europa so“.

Egal ob in Spanien, Italien oder Deutschland – überall muss in den nächsten Monaten geerntet werden. Und überall sind es in erster Linie Erntehelfer aus osteuropäischen Ländern, die die Arbeit machen. „Wir hoffen, dass Lösungen gefunden werden, damit die Saisonarbeiter kommen können.“

Eine weitere Frage ist dann allerdings, ob die in der momentanen Situation überhaupt bereit sind anzureisen. Als Lichtblick bezeichnet es Markus Schmitt, dass sich ein deutscher Student auf der Suche nach Arbeit gemeldet hat: „Der stand hier und hat gefragt, ob er helfen könne.“ Das habe es in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal gegeben. Die Hoffnung ist nun, dass es noch mehr werden: „Vielleicht passiert ja was in unserer Gesellschaft.“

Auch Pensionspferde müssen versorgt werden

Das zweite Standbein des Sonnenberger Hofs ist die Pensionspferdehaltung. 80 Pferde – überwiegend Isländer – stehen in den großen Offenställen auf dem Hofgelände. Dazu kommen 20 Pferde aus der Reitschule von Schwiegertochter Irene. Die Reitschule ist bereits dicht. Irene Schmitt hofft, dass der Unterricht nach den Osterferien wieder stattfinden kann. Bis dahin muss der Betrieb auch ohne Einnahmen weiterlaufen, die Tiere wollen versorgt und auch bewegt werden.

Zwei Reitlehrer mussten bereits ihre Stundenzahl reduzieren oder haben Urlaub genommen. Damit die vielen Reitschulkinder, die jetzt zuhause sitzen, nicht allzu traurig sind, möchte Irene Schmitt ein „Homeschooling-Projekt“ starten, mit Infotexten, Lernmaterialien, Bildern und Lehrvideos mit den Schulpferden – ein bisschen „Sonnenberger Hof-Feeling und Stallduft für Zuhause“.

Auch die Einsteller – die Besitzer der Privatpferde – sorgen sich, wie lange sie noch zum Hof kommen können, um sich um ihre Tiere zu kümmern. Es sind alte Tiere darunter, die zusätzlich zum Gras auf der Weide täglich spezielles Futter brauchen, Pferde, die Medikamente benötigen oder eingedeckt werden müssen. „Wir halten uns da an die Empfehlungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung“, sagt Schmitt.

Mittlerweile gibt es dazu auch einen Leitfaden des nordrheinwestfälischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Demnach haben Pferdesportvereine, Pferdebetriebe und Pferdehalter auch in Corona-Zeiten unter der Maßgabe des Tierschutzes die Aufgabe, die Versorgung der Pferde im Rahmen der Grundbedürfnisse einschließlich der Bewegung sicherzustellen.

Dafür gibt es aber strenge Reglementierungen. Ausschließlich die für die Versorgung und Bewegung der Pferde notwendigen Personen haben Zutritt. Auf den Hinweiszetteln, die mittlerweile überall hängen, ist zu lesen, dass Handschuhe Pflicht sind, dass an den Putzplätzen ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden muss und dass die Sattelkammern nur von jeweils einer Person betreten werden dürfen. Für die Reitplätze gibt es ebenfalls maximale Benutzerzahlen. Nun hoffen die Einsteller, dass diese Regelung auch im Fall einer Ausgangssperre Gültigkeit behält.

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