Radio- und Fernsehdoktor in Bad Honnef Udo Reitz schließt das Geschäft

BAD HONNEF · "Wenn ich das Gerät da runterholen will, brauche ich zwei starke Männer", sagt Udo Reitz. "Das Gerät" ist ein Fernseher aus den 60er Jahren, "und der wiegt ganz schön", fügt Reitz hinzu. Tut es das Gerät noch? "Natürlich, einwandfrei."

 Manchmal muss man eben improvisieren: Udo Reitz in seiner Werkstatt bei der Arbeit an einem alten Schallplattenspieler. Für die Honnefer ist er der Radio- und Fernsehdoktor.

Manchmal muss man eben improvisieren: Udo Reitz in seiner Werkstatt bei der Arbeit an einem alten Schallplattenspieler. Für die Honnefer ist er der Radio- und Fernsehdoktor.

Foto: Frank Homann

Kein Wunder. Schließlich ist der Fernseher in der Obhut des Mannes, der in Bad Honnef weniger unter seinem Namen, sondern vielmehr als "Radio- und Fernsehdoktor" bekannt ist. Für ihn wie für viele Kunden endet am 31. Dezember eine Ära: Nach 81 Jahren Firmengeschichte schließt das Fachgeschäft im Haus Linzer Straße 7.

Es ist der Abschied von einem traditionsreichen Familienbetrieb. Zumindest in Teilen. Denn was ein richtiger Doktor ist, für den ist Beruf auch Berufung: Die kleine Werkstatt im hinteren Teil des Hauses bleibt auch über den Jahreswechsel hinaus bestehen. "Woran ich mich sicher gewöhnen muss, ist, dass ich in Zukunft durch den Seiteneingang reingehen muss", sagt Reitz.

Zurück zum Vordereingang. Der Fernseher aus den 60er Jahren befindet sich in guter Gesellschaft. Fein säuberlich aufgereiht stehen im Ladenlokal Radios "aus der Gründungszeit des Geschäftes", wie ein Schild verrät: 1938, 1937, 1933. Tatsächlich begann die Firmengeschichte 1933, als Vater Kurt Reitz in Köln sein Gewerbe anmeldete und eine Radioreparaturwerkstatt gründete. Bereits zwei Jahre später zogen Reitz' nach Bad Honnef um, an die heutige Schmelztalstraße. Im Krieg ruhte das Geschäft.

Doch bereits 1949 wagte Kurt Reitz erneut den Sprung in die Selbstständigkeit, stellte in Rhöndorf im Haus im Turm Radios, Gasanzünder und ähnliches her - "aus alten Wehrmachtsbeständen", so Udo Reitz. Anfang der 50er Jahre schließlich richtete Kurt Reitz seine Werkstatt an der Bahnhofstraße ein. Udo Reitz, Jahrgang 1940, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Feinmechaniker, bevor er 1959 im väterlichen Betrieb einstieg.

1966, nach dem frühen Tod des Vaters, stand wieder eine Weichenstellung an: Innerhalb von nur zwei Jahren legte Reitz die Gesellen-, dann die Meisterprüfung ab, führte den Betrieb fortan mit höchsten Fachweihen sowie Seite an Seite mit Frau Renate weiter. Auch kaufte er das Haus Linzer Straße 7, zog dorthin um.

Ein Pappkamerad weist seither auf das Metier seines lebendigen Abbilds hin. "Service ist geil", spielt Reitz auf den Werbeslogan eines Elektro-Riesen an. Die Sache hat einen ernsten Kern: Die Marktlage habe dazu beigetragen, dass das kleine Fachgeschäft aufgeben muss. "Gegen die Macht der Großvertriebsformen und durch den extremen Preisverfall kann ein kleiner Fachhändler heute leider nicht mehr bestehen", teilt Reitz den Kunden denn auch mit.

Was aber weiter besteht, sind seine Freude am Beruf ("Eigentlich wollte ich auch die Werkstatt schließen, aber ich habe es nicht gepackt"), sein Können und der Wunsch, Geräte "vor der Müllkippe zu retten": "Es gibt Hersteller, die wollen gar nicht mehr, dass etwas repariert wird."

Schaltpläne, früher Bestandteil im Lieferumfang, fehlten oft. Und auch Ersatzteile seien teils schwer zu bekommen, wenn überhaupt über spezielle Portale. "Dann muss man halt improvisieren", sagt der Radio- und Fernsehdoktor: Das ist seine "Medizin" gegen die Wegwerfmentalität. "Für unsere Umwelt ist das eine Katastrophe und eine Verschwendung von Ressourcen", ärgert sich Reitz, der stets mit jeder modernen Technik Schritt hält, ihre Begleiterscheinungen aber auch kritisch sieht.

Reitz' Beitrag, die Welt ein Stück besser zu machen: Seit Jahren setzt er sich für Kinder im russischen Rogatschowo, 60 Kilometer nordwestlich von Moskau, ein. Mit Hilfe der Kunden, die für das 2002 eröffnete Phönix-Kinderhaus für Straßenkinder spenden, konnte Reitz schon 20 000 Euro weitergeben. Er bleibt am Ball, auch bei diesem Herzensanliegen.

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