Turm der Kläranlage Bad Honnef-Tal Tauchgang im Faulschlamm

BAD HONNEF · Großreinemachen im Taucheranzug. Arne Thien schlüpft in die gewebeverstärkte Latexhülle. Seine Kollegen helfen ihm beim Anlegen des Helms. Und dazu gibt es ein ganz besonderes Eau de Toilette.

 Langsam wird Taucher Arne Thiem in den 18 Meter hohen Faulturm der Kläranlage hinabgelassen.

Langsam wird Taucher Arne Thiem in den 18 Meter hohen Faulturm der Kläranlage hinabgelassen.

Foto: Homann

"Es riecht wie Waldboden nach Gewitter", sagt Anton Ulrich - oben an der Luke des Faulturms der Kläranlage Bad Honnef-Tal. Der Chef der Firma Umwelt-Tauchservice aus Wien putzt derzeit mit fünf Mitarbeitern den 18 Meter hohen Turm. Er ist europaweit unterwegs und nun für acht Tage in Bad Honnef.

Vor 20 Jahren wurde der Faulturm zum vorerst letzten Mal gereinigt. Diesmal geschieht das bei laufendem Betrieb. Die von Ulrich entwickelte Technik macht's möglich. Nach Vor- und Nachklären kommt der Schlamm zum Ausfaulen in den Turm, bleibt dort 25 Tage bei etwa 35 Grad Celsius. Logisch, dass sich mit der Zeit viel Ablagerungen bilden. Und der muss weg, um die Leistungsfähigkeit der Anlage zu erhalten.

Arne Thien steigt über die Brüstung. Ein Kollege lässt ihn im Inneren des Turms hinab. Wenige Meter, dann verschlingt der dunkle Schlamm den Taucher. Nur noch mit einer "Nabelschnur" aus "geflochtenen" Schläuchen ist er mit der Außenwelt verbunden. Die Hauptluft kommt über den gelben Schlauch, Reserveluft über den schwarzen, eine Wasserkühlung über den blauen, und ein schwarzes Drahtkabel ist die Verbindung zur Außenwelt per Telefon.

Am Telefonkasten neben dem Einstieg wacht ein Kollege während des kompletten Tauchgangs. Sicherheit wird großgeschrieben. Zwei getrennte Luftsysteme, zwei Notflaschen mit Pressluft sind vorhanden. Die Anlage ist komplett explosionsgeschützt wegen der Gase im Faulturm.

Der Helm ist eine Spezialanfertigung mit einem Freeflow-System. Würden die Taucher mit einem normalen Lungenautomaten arbeiten, bestünde die Gefahr, dass Bakterien in die Lunge gelangen. 40 Grad Celsius hat der Schlamm im Moment. Da stecken die Taucher komplett drin und kommen ganz schön ins Schwitzen. Deshalb werden sie permanent mit kaltem Wasser besprüht.

"Sie müssen sich das vorstellen wie beim Staubsaugen", erklärt Anton Ulrich. Nur, dass der Taucher den "Schmutz" nicht sieht. Es ist ja stockdunkel. So kommt es auf den Tastsinn an. Der Mann drückt den Sauger in das dicke Material, über eine Pumpe wird Pressluft eingeblasen. Schlamm marsch! Pro Tag räumen Ulrichs Leute 60 bis 70 Kubikmeter Schlamm weg. 300 bis 400 Kubikmeter sind drin.

"Nach solch einem Tauchgang ist man fertig", sagt Thomas Schilk, der mit Jörg Richter, Svetko Cavid und Michael Mengel das Auftauchen des Kollegen vorbereitet. Wieder draußen wird Arne Thien von den Kollegen abgespritzt, die Montur desinfiziert. Dann geht's unter die Dusche.

Kurz gefragt

Anton Ulrich (63) aus Wien gründete vor 20 Jahren seinen Umwelt-Tauchservice. Mit 19 Jahren fuhr der gelernte Elektriker zur See. Über die Bergung von Schiffen kam er zum Tauchen, wurde Berufstaucher. Mit dem Unternehmer sprach Roswitha Oschmann.

Wie wird man Berufstaucher?
Anton Ulrich: Das ist ein Lehrberuf. Aber nicht jeder Berufstaucher kann auch diese Arbeit in einem Faulturm machen. Die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die Temperaturen sind Stressfaktoren.

Tauchen am Korallenriff ist etwas anderes ...
Ulrich: Wenn man den Job mag, fühlt man sich unten wohl. Man muss körperlich etwas aushalten können. Jedes Jahr wird die Tauchtauglichkeit ärztlich kontrolliert.

Was ist der Vorteil dieser Reinigungsvariante?
Ulrich: Der Betrieb geht weiter. Und es ist eine umweltschonende Methode: Nur der alte Schlamm kommt raus. Ich habe das Europapatent für die digitale Vermessung von Ablagerungen in Faultürmen. Würde der Faulturm geräumt, müsste er für einige Wochen stillgelegt und gleichzeitig der kontinuierlich anfallende Klärschlamm entsorgt werden.

Was passiert mit dem abgesaugten Schlamm?
Ulrich: In einem Container geht er durch ein großes Sieb, wo dann Hygieneartikel oder Verzopfungen entfernt werden. Dann wird er mittels einer Zentrifuge verpresst und entwässert und in eine Verbrennungsanlage transportiert.

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