Feuerschlösschen in Bad Honnef So furios war der Auftritt von Martyn Joseph

BAD HONNEF · Singer-Songwriter Martyn Joseph tourt bereits seit Jahrzehnten durch Konzertsäle. Jetzt war er im Feuerschlösschen in Bad Honnef zu Gast.

Gäbe es auch nur einen Funken Gerechtigkeit im Musikbusiness, wäre Martyn Joseph mit seinen 56 Jahren längst im Olymp der großen Singer-Songwriter angelangt. Seit mehr als drei Jahrzehnten tourt er bereits durch seine Heimat Wales, den Rest Europas und Nordamerika, spielt mal vor Dutzenden, mal vor mehreren Hundert Zuschauern, und macht sich mit Gitarre und Gesang einen Reim aufs Weltgeschehen.

Obwohl er in seiner Person alles vereint, was die Spreu vom Weizen trennt – jugendliche Ausstrahlung, eine mitreißende Bühnenpräsenz, britischen Humor, soziales Engagement, beeindruckende Stimmgewalt und ein riesiges Repertoire an Melodien und Geschichten – ist er in Deutschland noch immer ein größtenteils unbeschriebenes Blatt.

Zu Unrecht: Denn beim jüngsten Stopp auf seiner aktuellen Tournee bescherte er dem Feuerschlösschen-Publikum einen der besten Musikabende in der langjährigen Geschichte der Konzertreihe. Selten zuvor waren die Gäste in der Honnefer Folk-Hochburg so mitgerissen. Dabei machte Martyn Joseph deutlich, warum er auch als „walisischer Springsteen“ bezeichnet wird: Er sprühte förmlich vor Charisma, hatte das Publikum in der Hand.

Knapp zweieinhalb Stunden Abwechslung

Und er machte sich sogar den Spaß, großzügig Zitate anderer großer Künstler einzustreuen: In sein „Lonely Like America“ schlichen sich nahtlos ein paar Strophen von „Lonely In The Night Park“ aus der Feder des Original-Springsteen ein, und bei „Thank You“ wurde zeitweise – ganz im Sinne der Monkees – jeder zum „Believer“.

Das Beste aus 21 Alben im Gepäck, schrieb Joseph mit seiner genauso warmen wie rauen Powerstimme Abwechslung groß – und das knapp zweieinhalb Stunden lang. Der ekstatische Gute-Laune-Rausch von „I Searched For You“ – alle sangen mit, die Stimmung schon beim dritten Song so wie sonst zum Konzertende – verfloss gemächlich mit „Turn Me Tender“, einer friedlichen Ballade, kuschelnde Pärchen inklusive.

„Ich schreibe meine Lieder genau dann, wenn ich etwas erzählen, auf etwas aufmerksam machen möchte“, leitete Joseph während eines Gitarrenwechsels über. „Ich nehme mir ein Blatt Papier und mache ein bisschen Brainstorming – ich kleistere alles zu mit Sätzen, Wörtern, Ideen und versuche, eine grobe Skizze des Gemäldes, das ich malen möchte, zu gewinnen.“

Nicht immer leichte Kost

Entstanden sind dabei Perlen wie „Where Will We Find“, ein energisches Mahnmal gegen eine aus den Fugen geratene Welt, und „The Luxury of Despair“, geschrieben nach einem Besuch in Palästina, um die eigene Fassungslosigkeit über die dort vorgefundenen Lebensumstände zu verarbeiten. Um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, gründete er die „Let Yourself Trust“-Stiftung und unterstützt seitdem im Sechs-Monats-Turnus je ein ausgewähltes Projekt.

Denn: „Es ist mir einfach wichtig, nicht nur über Missstände zu singen, sondern ich sehe mich in der Pflicht, auch etwas zu tun.“ Nicht immer leichte Kost. „Ich weiß, das sind nicht alles unbedingt fröhliche Songs“, warf er scherzend ein. „Ein Rezensent hat mal geschrieben, ich ließe Leonard Cohen klingen wie Julie Andrews.“ Das Kontrastprogramm folgte prompt: In „Vegas“ entfesselte er seinen inneren King of Rock'n'Roll, nur um kurz darauf „In The Ghetto“ zu covern – „das war immer einer meiner Lieblings-Elvis-Songs“.

Zum Schluss wurde es dann doch noch einmal politisch: „Wir sind tagein tagaus von so viel Negativität und Schwarzmalerei umgeben“, mahnte Joseph, „dass manche von uns das an anderen auslassen, momentan besonders an Flüchtlingen. Dabei zeichnen wir uns als Menschen doch durch unsere Empathie aus, durch unser Mitgefühl.“

Manchmal, fuhr Joseph fort, müsse man die Leute bloß daran erinnern, und stimmte „Still A Lot Of Love Around Here“ an. Der gesamte Saal sang mit. Und die Begeisterung stand auch auf dem Heimweg noch etlichen Besuchern ins Gesicht geschrieben.

Mehr Informationen zum Künstler und zu seiner gemeinnützigen Stiftung gibt es unter www.martynjoseph.net.

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