Interview mit Hans Peter Mensing Resi Schlief war Adenauers Rhöndorfer "Opposition"

BAD HONNEF · Über Konrad Adenauer und seine Ära als Bundeskanzler existiert Literatur in Hülle und Fülle. Aber jetzt gibt es auch ein Büchlein über seine Haushälterin. Hans Peter Mensing, viele Jahre Leiter des Editionsbereiches der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf, hat Resi Schlief (12. September 1917 - 20. Februar 2010), "Adenauers Stütze aus Unkel", wie der Untertitel lautet, ein literarisches Denkmal gesetzt.

 Ein Händchen für liebevolle Details: Resi Schlief zeichnete als Haushälterin verantwortlich für das gastliche Ambiente im Hause Adenauer - ob nun Karnevalsvereine zu Besuch kamen (oben) oder hochrangige Politiker.

Ein Händchen für liebevolle Details: Resi Schlief zeichnete als Haushälterin verantwortlich für das gastliche Ambiente im Hause Adenauer - ob nun Karnevalsvereine zu Besuch kamen (oben) oder hochrangige Politiker.

Foto: Günter Groote

Haushälterinnen von Kanzlern oder Königen schaffen es wohl eher selten zum Titel-Helden. Was hat Sie so fasziniert an Resi Schlief, dass Sie ihr ein Buch widmen?
Hans Peter Mensing: Sie machte es mir, als ich 1980 ins Adenauerhaus kam, zusammen mit Anneliese Poppinga sehr leicht, mich an diesem so bedeutenden geschichtlichen Schauplatz ganz einfach wohlzufühlen und die wissenschaftliche Bearbeitung des Adenauer-Nachlasses, die dann zur "Rhöndorfer Ausgabe" führte, mit persönlichen Kontakten besonders zur Familie und zu wichtigen Mitarbeitern des ersten Bundeskanzlers zu verbinden. Von daher ist dieses Büchlein mein ganz persönliches Dankeschön.

Resi Schlief galt als sehr verschwiegen. Auf welche Quellen konnten Sie zurückgreifen?
Mensing: Vor allem auf die vielen Gespräche, die ich während der langen Jahre enger Zusammenarbeit im Adenauerhaus gemeinsam mit Ursula Pinkus und Ursula Raths mit ihr führen konnte. Hinzu kamen Dokumente und Informationen von Angehörigen und aus dem Freundeskreis Resi Schliefs, auch aus der Familie Adenauer und von vielen, vielen Zeitzeugen, unter ihnen Adenauers Dolmetscher Hermann Kusterer. .

Adenauers Einstellungs-Frage "Sind Sie verträglich?" würde dem Personalleiter einer Firma heute wohl kaum über die Lippen kommen . . .
Mensing: Und wer würde heute bei der Bewerbung die Antwort wagen: "Wenn ich gezankt werde, bin ich nicht mehr verträglich." Oder gar ihre Erwiderung, nachdem sie "der Alte" wieder einmal beim Rauchen erwischt hatte: "Nach all den Zigarren, die Sie mir heute auf nüchternen Magen verpasst haben, kann mir 'ne Zigarette nicht mehr schaden."

Da hatten sich zwei gefunden mit ähnlichen Eigenschaften?
Mensing: Sie selbst hätte einen solchen Vergleich nie akzeptiert, dafür war sie viel zu bescheiden und hatte zu große Hochachtung vor dem "ersten Mann am Platze", wie sie ihn bisweilen nannte. Beide aber zeichneten gesunder Menschenverstand, Pragmatismus, Tatkraft und Orientierung an den Alltagsnöten aus, dazu dieser unvergleichliche Wortwitz und die Schlagfertigkeit.

Und wie war das mit den "Nickemännern" aus Bonn? Welchen Einfluss hatte Resi Schlief auf Adenauer?
Mensing: Der Kanzler, der für andere oft genug der "Abkanzler" war, ermunterte sie mehr als einmal: "Frau Schlief, sagen Sie mir Ihre wahre Meinung. In Bonn habe ich genügend Nickemänner um mich herum! Hier im Hause sind Sie die Opposition!" Sie daraufhin: "Ja, das stimmt, ich seh' hier ja auch oft genug rot." Auf manch einen seiner weniger geschätzten politischen Mitstreiter bis hin zum Staatssekretär und Minister konnte er durchaus verzichten, auf Resi Schlief jedoch auf keinen Fall, trotz oder gerade wegen ihrer erfrischend fröhlichen Eigenständigkeit. Und wohl noch wichtiger: Der zweifache Witwer Adenauer wusste, wie schnell und wie sehr sie auch gerade seinen Kindern und Kindeskindern ans Herz gewachsen war. Immer wieder, auch noch in den zweieinhalb Jahrzehnten nach seinem Tod, zauberte sie für sie nicht nur zu Weihnachten - dann aber vor allem - diese ganz einmalige, anheimelnde Atmosphäre ins Adenauerhaus.

Schön ist die Geschichte mit der Geschirrspülmaschine und dem Gläsertest.
Mensing: Zur Erleichterung der Hausarbeit war die Anschaffung einer Spülmaschine im Gespräch. Ulla Britta Adenauer, die mit ihrem Mann - dem jüngsten Kanzler-Sohn Georg Adenauer - unten auf dem Grundstück wohnte, da, wo seit 1976 das Ausstellungsgebäude der Stiftung steht, und diese Haushaltshilfe besaß, musste dafür ein Körbchen mit gerade gespültem Geschirr mit nach oben bringen. Und das wurde gemeinsam begutachtet. Adenauer, Resi saß jetzt neben ihm: "Ist das sauber, Frau Schlief?" Sie wusste natürlich, wie "pingelig" er sein konnte, und zog sich so aus der Affäre: "In meinen Augen ist das schon sauber, aber Ihnen dürfte ich das so wohl nicht vorsetzen, und ich bekäme einen Rüffel." Weil an den Gläsern noch Tropfspuren waren. Adenauer also: "Ulla, pack' dein dreckiges Geschirr wieder ein - Frau Schlief und ich brauchen keine Spülmaschine."

War Adenauer ein strenger Chef?
Mensing: Hart, aber fair, und nicht selten herzlich, so könnte die Formel lauten. Das hing aber auch bei ihm von der Tagesform ab, von der jeweiligen politischen Beanspruchung - in oft extremen Ausnahmesituationen wie nach dem Mauerbau im August 1961, der zu der beispiellosen Entgleisung "Brandt alias Frahm" führte, und nicht zuletzt vom gesundheitlichen Befinden im hohen und höchsten Alter, so Anfang 1962, nach dem ersten Herzinfarkt Adenauers.

Die Teestunde mit Charles de Gaulle und seiner Frau im Hause Adenauer trug die Handschrift Resi Schliefs, die für Wohlfühlatmosphäre, eine Prummetaat und ein Geschenk für die Präsidentengattin sorgte.
Mensing: Aus der Vorgeschichte des Élysée-Vertrags vom 22. Januar 1963 sind die privaten Begegnungen Adenauer/de Gaulle nicht wegzudenken. Dazu wird in diesem Band zum ersten Mal ausführlicher geschildert - mit dem "O-Ton Schlief" -, wie nicht die Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes, sondern - auf Adenauers ausdrücklichen Wunsch - sie das Rhöndorfer Treffen vom 5. September 1962 gestaltete, eben mit ihrem rheinischen Pflaumenkuchen, den wunderschönen Blumenarrangements und all den anderen liebevollen Details.

Speisen wie Konrad Adenauer. Wer gern kocht, kann die Lieblingsgerichte Adenauers zubereiten. Ein Kapitel ist den Küchenrezepten gewidmet. Haben Sie selbst mal etwas probiert?
Mensing: Ja, natürlich! Reizvoll sind die heute fast in Vergessenheit geratenen Rezepte etwa für die Sauerampfer-Suppe, Schwarzbrot-Pudding oder Grüne Walnüsse. Mit einem der "Klassiker" Resi Schliefs, dem Präsidenten- oder Weihnachtskuchen, hat meine Frau uns gerade verwöhnt. Bei dieser Gelegenheit ist auch noch einmal Agathe Loska und Reinhild Bertel sehr herzlich dafür zu danken, dass nun im Anhang erneut "Adenauers Lieblingsrezepte" nachzulesen sind, die Resi Schlief vor Jahrzehnten für das "Rhöndorfer Rezeptbüchlein" zu Papier brachte, übrigens zugunsten der Rhöndorfer Patengemeinde Pattuvam in Indien.

"Resi Schlief - Adenauers Stütze aus Unkel", von Hans Peter Mensing, Bouvier-Verlag, 80 Seiten.

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