Interview mit dem Honnefer Bürgermeister Otto Neuhoff zieht Zwischenbilanz

BAD HONNEF · Knapp dreieinhalb Jahre ist Bürgermeister Otto Neuhoff im Amt – etwas mehr als eine Halbzeit, in der sich die Ereignisse überschlagen haben. Mit ihm sprach Claudia Sülzen über diese Zeit, Weichenstellungen und Gegenwind im Amt.

Kurz gefasst: Wie würden Sie Ihre bisherige Amtszeit umschreiben?

Otto Neuhoff: Aufregend, anstrengend. Leicht ist nichts.

Das bedeutet im Detail?

Neuhoff: Über das Maß des Neuen hinaus war da die Flüchtlingskrise. Dann gab es gerade in jüngster Zeit schlechte Nachrichten zum Zustand von Rathaus und Kurhaus. Das sind Themen, die so nicht auf der Agenda standen – mal abgesehen davon, dass zu Beginn ohnehin einiges an Altlasten zu beseitigen war. Ich habe kein gemachtes Bett übernommen, sondern einen Steinbruch. Von ausstehenden Elternbeiträgen im Kindergartenbereich über den Zustand der Schulen, die nicht besetzten Jobs in Bauordnung und Stadtplanung, den Aufbau der Organisation im Rathaus. Und on top die Flüchtlingskrise, die eine Riesenherausforderung war und ist.

Den Begriff frustrierend haben Sie jetzt nicht genannt.

Neuhoff: Frustrierend, ja, das ist es partiell sicher auch. Aber der Frust steht nicht im Vordergrund. Bei allem Frust, der sich manchmal mit übergeordneten Behörden oder Investoren einstellt, gilt doch: Wir haben sehr viel richtig gemacht.

Dazu gehört?

Neuhoff: Da wäre die Ansiedlung der Firma Wirtgen. Dahinter stecken zwei Jahre Arbeit, wofür ich meinem Team danke, und die gute Zusammenarbeit im Rat und mit den Kollegen in Windhagen. Wir haben den städtischen Haushalt auf eine solide Grundlage gestellt, damit wir anfangen können, freier zu investieren. Wir haben Fördermittel in die Stadt geholt für das Internetportal und das Begegnungshaus Aegidienberg und jetzt ganz frisch zwei Millionen Euro für die Insel. Am 1. Dezember wird die Sporthalle Aegidienberg eingeweiht. Wir haben viel investiert etwa ins Sibi, auch wenn noch einiges zu tun ist. Wir bekommen eine neue Gesamtschule, samt Sporthalle, die auch den Vereinen zur Verfügung steht. Und ich glaube, unsere Umgebung nimmt uns wieder ab, dass wir nicht nur reden, sondern handeln. Das alles geht nur in der Kooperation. Vieles spitzt sich auf mich als Bürgermeister zu. Aber Stadtrat und Verwaltung ziehen mit.

Sie ziehen es vor, das Gute sehen?

Neuhoff: Es ist immer besonders einfach, Defizite festzustellen. Aber wenn man schaut, wo wir herkommen, dann ist das, was geschafft wurde, sehr ordentlich.

Im Wahlkampf haben Sie den Begriff vom Zwergenaufstand geprägt, als Synonym für die Unterstützung durch die „Kleineren“ im Rat. Zumindest Grüne und FWG gehen immer häufiger inhaltlich auf Abstand, die CDU nicht.

Neuhoff: Ich habe schon den Eindruck, dass sich etwas verschoben hat. Ich würde das aber positiv so beschreiben wollen, dass die Zusammenarbeit von mir persönlich und mit der Verwaltung insgesamt mit den Fraktionen besser geworden ist. Das gilt auch für Fraktionen, wie eben die CDU, die naturgemäß die größeren Schwierigkeiten haben, wenn ein unabhängiger Bürgermeister im Amt ist. Aber ich bin sicher, alle akzeptieren, dass ich mich immer bemühe, ein fairer Gesprächspartner im Sinne der Stadt für alle Beteiligten zu sein.

Dazu gehört auch, dass man nicht immer einer Meinung ist?

Neuhoff: Das ist doch ganz normal. Positiv gesehen kann man sagen, Grüne oder FWG, um bei dem Beispiel zu bleiben, sprechen Fragen aus, die es beim Bürger auch gibt. Auch wenn ich die damit verbundenen Erwartungen oft nicht teile. Es zählt, was unterm Strich rauskommt. Mein Eindruck ist: Die Fraktionen hören sich wieder mehr zu. Und im Dialog entstehen andere Ideen, mehr Qualität. Ich habe immer gesagt, ich stelle meine Fähigkeiten zur Verfügung, um die Dinge analytisch und sauber vorzubereiten, damit man zu Entscheidungen kommen kann. Zugleich müssen wir damit leben, dass Demokratie auch das Recht auf Irrtum ist.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Die Parkplatzbewirtschaftung?

Neuhoff: Das Parkraumbewirtschaftungskonzept, da sind alle einig, ist nicht der große Wurf. Aber was der große Wurf gewesen wäre, darüber gibt es überhaupt keine Einigkeit. Wir werden uns das in einem Jahr anschauen, eventuell zu Anpassungen kommen...

Oder zu ganz anderen Lösungen, Stichwort Handlungskonzept?

Neuhoff: Genau.

Wer nichts tut, macht nichts verkehrt – und kriegt keinen Gegenwind. Stimmt das?

Neuhoff: Ja klar. Als es mit der Dachmarke so richtig hoch herging, bin ich gefragt worden, wie ich damit umgehen würde. Meine Antwort: Insgesamt ist es doch ein gutes Signal, es bewegt sich was. Wenn sich nichts bewegt, meldet sich halt auch keiner. Ob alle Entscheidungen der Überprüfung in der Zukunft standhalten, sei dahingestellt. Was mich manchmal irritiert, ist, wie sicher manche Leute bei derlei Beurteilungen sind – und mit welcher Emotionalität das geschieht. Ich bin mir nicht immer bei allem sicher, dass es funktioniert. Und alles, was mit Zukunft zu tun hat, birgt ein Risiko. Zugleich melden mir viele Leute zurück: Es ist vielleicht nicht alles ideal, aber es ist besser geworden.

Aber die Bürgerinitiativen mehren sich, Beispiel Stadtgarten.

Neuhoff: Die Leute fragen mich immer, ob mein Amt Spaß macht. Und Spaß ist nicht das erste Wort, das mir dazu einfällt. Aber wenn wir mal den Pulverdampf beiseite pusten, dann bleibt doch: Die Leute, die sich in Bürgerinitiativen engagieren, sind meistens die, die unmittelbar von etwas betroffen sind. Und es ist absolut legitim, dass sie ihre Interessen wahrnehmen. Wir dürfen nur bitte nicht so tun, als wäre das der Maßstab aller Dinge.

Was meinen Sie damit?

Neuhoff: Wenn wir analysieren, dass eine Stadt mit derart tollen Voraussetzungen in einen so bescheidenen Zustand geraten ist, dann zeigt sich an Beispielen wie Selhof-Süd oder Floßweg: Immer, wenn sich Widerstand geregt hat, hat man aufgehört zu handeln. Das Ergebnis ist eine absolute Misere. Wenn es um Entscheidungen geht, geht es aber immer um Abwägung. Es ist vollkommen legitim, dass die Interessen der Anwohner in die Abwägung einfließen, und das geschieht auch. Aber von mir als Bürgermeister zu verlangen, dass ich gar nicht erst anfange abzuwägen und keine Ideen mehr produziere? Dann könnte ich auch gleich zurücktreten.

Bezieht diese Abwägung auch die Grundschule in Rhöndorf ein?

Neuhoff: Natürlich. Ich verstehe, dass Eltern, die da ihr Kind hinschicken, die Schule erhalten wollen. Aber wir haben die gesetzliche Verpflichtung, einen Schulentwicklungsplan zu erarbeiten. Den haben wir, wie es die Regierungspräsidentin verlangt, in Auftrag gegeben. Und wir haben eine Gutachterin, die das professionell und aus meiner Sicht gut macht und und nun ihren Entwurf zur Beratung vorgelegt hat. Prompt sind alle möglichen Interessenvertreter auf der Palme, die wollen, dass alles bleibt wie es ist.

Das kann es an der Stelle nicht?

Neuhoff: Wir müssen vernünftig darüber nachdenken dürfen, wie wir die Ressourcen dieser Stadt zum Wohle aller verteilen. Auf die Spitze getrieben, nehmen Sie den Businesspark: Da gibt es einen neuen Investor, der bauen will und einen rechtsgültigen Bescheid hat. Jetzt wollen Leute, die nebenan wohnen und ihre Kinder auf die Rhöndorfer Grundschule schicken, das nicht. Aber wir können nicht ernsthaft glauben, dass eine Infrastruktur wie eben die Schule, die auf andere demografische Strukturen und Mengen ausgerichtet ist, auf Dauer aufrecht zu erhalten ist, wenn man gar nichts tut. Wer soll das bezahlen?

Beim Businesspark oder am Brieberichweg dreht sich die Kritik aber um die Massivität der Bebauung.

Neuhoff: Der B-Plan ist nicht von mir, und glauben Sie mir: Ich hätte den auch so nicht gemacht. Ich hätte auch für den Brieberichweg keine Befreiung ausgesprochen. Ich will auf etwas Anderes hinaus. Wenn geklagt wird, haben wir wieder Jahre Stillstand an der Stelle. Wir verschieben die Dinge immer weiter nach hinten und kommen in die Bredouille, weil etwas, das wir uns wirklich wünschen wie kurze Wege für kurze Beine, nicht mehr zu finanzieren ist. Und die selben Leute regen sich natürlich auf, wenn die Grundsteuer B angehoben werden muss.

Die Wahlen kommen näher. Neigt die Politik nicht dann dazu, Unangenehmes zu vertagen?

Neuhoff: Je näher Wahltermine rücken, desto eher gibt es die Bereitschaft, einen Konflikt zu vermeiden. Klar. Aber wir haben jetzt ein Programm, insbesondere Integriertes Stadtentwicklungskonzept, das Handlungskonzept für die Innenstadt und den Schulentwicklungsplan. Und die Punkte werden wir abarbeiten. Wenn ich etwas aus der Dachmarke gelernt habe, dann, dass es mehr Kommunikation braucht. Wir erreichen die Bürger nur zu kleinen Teilen, weil sie sich oft nur bei Partikularinteressen interessieren. Aber wir müssen den Ball doch für die ganze Stadt nach vorne spielen.

Wie wollen Sie die Bürger dann besser mitnehmen?

Neuhoff: Bei der Dachmarke war es so: In dem Moment, in dem wir in den Clinch gegangen sind, fand Kommunikation statt. Mit dem Ergebnis, dass – auch wenn nicht alle überzeugt waren, ob nun genau diese Marke das Optimum ist – die Grundidee, der Nutzen für die Stadt, verstanden wurde. Wir wollen Bürger, die sich interessieren, künftig mit einem Newsletter informieren. Auf direktestem Weg.

Zum Haushalt: Der Puffer zum Ausgleich ist geschrumpft?

Neuhoff: Das erste Ziel, 2017 den Ausgleich zu schaffen, können wir erreichen. Die nächste Herausforderung ist nachhaltiger Ausgleich. Rathaus und Kurhaus sind natürlich eine gewaltige Hypothek. Zugleich gehen wir im Haushalt die Kostentreiber gezielt an. Und dann geht es natürlich immer wieder darum, wie wir in geordnete Verhältnisse kommen. Und die größte Einnahmequelle ist eben die Beteiligung an der Einkommenssteuer. Unsere Ressourcen im Gewerbebereich sind limitiert. Bad Honnef wäre aber, gäbe es mehr Möglichkeiten, ein Zuzugsbereich. Die Leute leben gerne hier.

Das bedeutet, Baugebiete etwa in Rottbitze oder Selhof-Süd, ebenso Bauen am Rande des Stadtgartens und auf dem Hockeyplatz?

Neuhoff: Das gehört dazu. Ich bin ein entschiedener Gegner von Plänen, wie es sie früher mal gab für Selhof-Süd mit sechs oder sieben Stockwerken. Das wäre der leichteste Weg, auf der Zahlenseite etwas zu machen. Es geht aber darum, Bad Honnef in der Qualität weiterzuentwickeln, die es heute hat. Intelligentes Wachstum anstatt Wachstum um jeden Preis. Ich bin immer offen für gute Ideen. Ich glaube aber, dass die Richtung, die wir eingeschlagen haben, richtig ist. Wer sagt, so geht es nicht, muss auch sagen, wie denn dann. Wenn man einen Weg aus der Perspektivlosigkeit finden will, muss man investieren. Das ist ja das Problem der Kommunen im Stärkungspakt: Die haben so wenig Eigenkapital, dass sie nicht investieren können. Dann ernährt sich das Problem selber. Wir waren kurz davor und haben mit enormer Kraftanstrengung den anderen Weg beschritten.

Wird es dennoch weitere Steuererhöhungen geben?

Neuhoff: Ich gehe nicht davon aus, nicht in dieser Amtszeit. Wir haben jetzt 730 Punkte bei der Grundsteuer B. Ich war jetzt beim Treffen der unabhängigen Bürgermeister, da sitzen Leute, die haben 900 oder 1200 Punkte – die kommen aber über den Stärkungspakt dahin. Da möchte ich nicht landen. Das hätte zwar den Vorzug, dass man sagen kann: Ich bin nicht schuld. Dann ist es halt das böse Land. Aber die Folgen sind einschneidend, das kann niemand wollen. Wir sind eigentlich privilegiert, wir müssen nur den Mut haben, dem Tiger auch mal in den Rachen zu schauen.

Tut sich etwas an der Post?

Neuhoff: Ich rechne ehrlich gesagt nicht damit, dass sich vor 2023 etwas tut. Die Post hat klare Vorstellungen für Alternativen, betrieblich und preislich. Und sie erwartet, dass man sich exakt danach richtet, unterliegt aber einer Fehleinschätzung, was das Flächenangebot im Tal angeht. Ich habe jede Unterstützung angeboten, auch in Zukunft. Aber es ist schon schwer irritierend, dass die Strukturen dort offenbar so sind, dass sich jeder leicht verstecken kann vor Entscheidungen – leider hier nicht zum Wohl von Bad Honnef.

Was passiert mit Kaiser's?

Neuhoff: Mit den Verhandlungspartnern dort sind wir gut im Gespräch. Das hat uns im Ergebnis leider noch nichts beschert. Es ist nicht so, dass es kein Unternehmen gibt, das in die City will. Aber es fehlt an einem Ladenlokal, das deren Ansprüchen schon an die Größe entspricht. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir mit den Eigentümern vom Saynschen Hof jetzt im Gespräch sind, um da ein gemeinsames Projekt hinzukriegen.

Der Saynsche Hof ist ein wichtiger Punkte im Handlungskonzept...

Neuhoff: Ja, aber auch hier gilt, nichts ist ohne Risiko. Am Ende müssen alle ins Boot einsteigen.

Die Gesamtschule kommt. Auch die Sportplatzbebauung?

Neuhoff: Das Leben besteht aus Geben und Nehmen. Das Bistum ist uns sehr entgegengekommen, etwa bei der Zufahrt zum Krankenhaus, den Hallenzeiten für die Vereine in der Sporthalle. Man muss die Dinge natürlich so ausgestalten, dass es auch für alle Anwohner gut wird. Vor 2021 geht das nicht los. Aber ich bin sicher: Es wird gut.

Auch beim Stadion?

Neuhoff: Der erste Förderantrag war nicht erfolgreich für die Quartiersmitte. Aber die Arbeit ist nicht vergebens. Wir sind vorbereitet, das ist entscheidend.

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