Interview mit Bad Honnefs Bürgermeister Otto Neuhoff: "Das kostet eine irre Kraft"

Bad Honnef · Das Jahr 2015 war in Bad Honnef geprägt von alten Lasten und neuen großen Aufgaben. Mit Bürgermeister Otto Neuhoff sprach Claudia Sülzen.

 Notlösung: Im Oktober musste Bad Honnef die Turnhalle des Siebengebirgsgymnasiums zur Flüchtlingsunterkunft machen.

Notlösung: Im Oktober musste Bad Honnef die Turnhalle des Siebengebirgsgymnasiums zur Flüchtlingsunterkunft machen.

Foto: Frank Homann

Man spricht vom nackten Mann, dem man nicht in die Taschen greifen kann - ein Bild, das auf Bad Honnef übertragbar ist?
Otto Neuhoff: (lacht) Na ja, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber es kommt der Wahrheit schon sehr nahe. Wir haben sehr begrenzte Möglichkeiten, müssen aber zugleich sehr viele Dinge tun, die eventuell zu lange aufgeschoben worden sind. Auf der anderen Seite haben wir auch ein bisschen Glück, weil - eben wenn es um die Belastung der Bürger geht - man die Dinge trotzdem immer richtig einordnen muss. Wir haben eine Niedrigzinsphase und Energiekosten, die so günstig sind wie seit langem nicht mehr, so dass ich glaube, dass die Gesamtbelastung sich im Rahmen halten dürfte.

Dinge, die aufgeschoben worden sind: Meinen Sie Gebühren- und Steuererhöhungen?
Neuhoff: Ja klar, das auch.

Hat man das nicht angepackt, weil es politisch unbequem ist?
Neuhoff: Vielleicht auch, weil das Augenmerk auf etwas anderem lag. Wir haben jetzt das Haushaltssanierungsprojekt mit Macht vorangetrieben, und wenn die Beschlüsse so gefasst werden wie von der Verwaltung vorgeschlagen, dann haben wir schon 1,8 Millionen Euro "gefunden". Das reicht noch nicht, aber immerhin.

Gefunden ist in diesem Zusammenhang ein schöner Begriff.
Neuhoff: Ja, aber er trifft zu. Zu den Fundstücken gehören intelligente Organisation, ein Betrieb gewerblicher Art für die Sportstätten mit erheblichem steuerlichem Effekt, Effizienzsteigerungen und natürlich auch die Gebühren. Einen Einzelposten, der den Haushalt rettet: Den gibt es nicht. Und Sparen alleine ist auch kein Allheilmittel. Man kann sich nämlich auch kaputt sparen und damit sein Entwicklungspotenzial verscherzen. Es geht immer darum, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Wir haben zum Beispiel sehr viel mehr in die Personalentwicklung gesteckt, haben qualifizierte Leute eingestellt. Das sind ja nicht nur Kosten, dahinter steht auch Entwicklung. Damit wird die Sache rund.

Haben die Bad Honnefer also keinen Grund zur Klage?
Neuhoff: Was die bereits erfolgten und von der Verwaltung vorgeschlagenen Mehrbelastungen angeht, bewegen wir uns im mittleren Bereich - und die Akzeptanz der Bürger, das ist mein Eindruck, ist dazu sehr hoch. Es gibt Kommunen, die weniger machen. Aber es gibt eben auch solche, die deutlich mehr machen. Das abschreckende Beispiel ist Bergneustadt, als Rekordhalter. Ich glaube, bei 1460 Punkten bei der Grundsteuer B sollten die ankommen, jetzt sind sie bei 1200 und noch etwas. Bergneustadt ist im Stärkungspakt - und hat die Vorgabe bekommen.

Also besser selbst ran an das Thema, bevor es von oben verordnet viel schlimmer kommt?
Neuhoff: Absolut. Noch haben wir die Möglichkeit zu gestalten, die Weichen zu stellen. Und ich glaube auch, dass wir in Bad Honnef relativ günstige Voraussetzungen haben. Wir sollten uns immer wieder vor Augen führen: Wir zahlen in die Gemeinschaft ein, weil unsere Ertragslage besser ist als der Durchschnitt. Wir kommen nur mit dem Geld nicht hin, weil unsere Strukturkosten zu hoch sind. Da haben wir jetzt ein bisschen was dran gemacht, aber das reicht noch nicht. Wir müssen zusätzlich Dinge beschließen, damit wir wieder daran denken können, Kassenkredite zurückzufahren - um Eigenleistung für größere Investitionen und Projekte bereitstellen zu können, zu denen uns das Land dann den Löwenanteil dazu gibt.

Steht das Ziel, 2017 den Etatausgleich zu schaffen?
Neuhoff: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das hinkriegen können, wenn wir nicht weitere Überraschungen erleben.

Wie die Flüchtlingssituation mit gut einer halben Million Euro Haushaltsbelastung 2015? Ein Haupt-Etatrisiko?
Neuhoff: Jein. Ich glaube, dass das Risiko jetzt abnimmt, was die Kostenbelastung der Kommunen angeht. Weil zumindest das, was beim Städte- und Gemeindebund diskutiert worden ist, auf eine deutliche Entlastung hinausläuft. Das löst natürlich nicht das Flüchtlingsthema selber. Die Frage der Unterbringung, der Integration, der ganzen Folgeleistungen: Es kostet die Gemeinden eine irre Kraft, das alles zu meistern. Man braucht aber Energie auch für andere Themen.

Wie das Integrierte Stadtentwicklungskonzept? Solche Projekte dürfen nicht leiden...
Neuhoff: Leiden tun sie sowieso. Es geht darum, die Richtung nicht zu verlieren. Wenn ich alleine auf meine Arbeitszeit gucke und sehe, wie viel in den letzten Monaten durch das Flüchtlingsthema gebunden worden ist, das ist für die Kommunen im Moment eine wirkliche Herausforderung. Nicht nur finanziell und organisatorisch, sondern auch emotional. Glauben Sie, wir würden ein Projekt wie den Rederscheider Weg normalerweise angehen? Aber wenn es so kommt wie prognostiziert und wir in den kommenden sechs Monaten 500 weitere Flüchtlinge bekommen, wo sollen wir denn hin mit den Menschen? Und dann geht man in so ein Thema rein, auch wenn man weiß, dass es Risiken birgt. Aber die Frage ist nicht, wo ist das Risiko, sondern wo sind die Alternativen.

Neben Risiken gibt es auch Chancen. Gehört dazu die Einwohnerentwicklung?
Neuhoff: Definitiv. Wir haben eine Strategieklausur gemacht mit den Fraktionen, und es ging darum, welche grundlegenden Parameter die Stadtentwicklung bestimmen. Wir sind zu dem interessanten Schluss gekommen, dass alleine über die Flüchtlingsfrage vorbestimmt ist, dass Bad Honnef wachsen wird. Und zwar in einem Maße, wie es in den letzten 15 oder 20 Jahren nie gewollt gewesen wäre. Wir haben uns immer um die 25 000 Einwohner bewegt. Natürlich brauchten die Leute Raum, wurde gebaut, aber an der anderen Stelle sozusagen wieder absorbiert. Jetzt sind wir zum ersten Mal an einem Punkt, an dem wir sagen müssen: Das geht so nicht mehr auf. Ob wir wollen oder nicht: Wir müssen uns auf die neue Entwicklung einstellen. Da wären zum einen die Flüchtlinge. Das zweite ist, dass wir die Nachfrage aus der Metropole Rheinland, die in den Süden drückt, zumindest anteilig bedienen wollen, damit wir auch in der Zukunft einen gesunden Bürgerschafts-Mix haben.

Die Effekte einer positiven Einwohnerentwicklung sind nicht zu unterschätzen?
Neuhoff: Wenn wir davon ausgehen, Bad Honnef wächst um 3000 Einwohner und wir kriegen alle in Lohn und Brot, dann bedeutet das knapp 500 Euro pro Einwohner, da kommen wir am Ende bei 1,5 Millionen Euro raus. Da ist doch Musik drin. Und das wirkt sich auch in Wirtschaftskraft aus. Die Effekte gibt es natürlich nicht sofort, aber mittel- und langfristig. Aus meiner Sicht führt kein Weg daran vorbei.

Das braucht längeren Atem?
Neuhoff: Genau, und da finde ich die Entwicklung wirklich positiv, weil man sich in Honnef jetzt gemeinsam auf den Weg gemacht hat.

Was wünschen Sie sich für 2016?
Neuhoff: Vor allem wünsche ich mir, dass diese hohe Bereitschaft in der Bevölkerung bleibt, uns in der Flüchtlingsfrage zu unterstützen. Das ist für uns die Schlüsselherausforderung. Das zweite ist, dass ich mir wünsche, dass der jetzt gemeinsam mit der Politik begonnene Weg weiter beschritten wird. Dass das auch die nächsten Jahre hält, wir einerseits den Haushaltsausgleich hinkriegen und andererseits die Entwicklungsthemen substanziell nach vorne bringen und ermöglichen - da gibt es einen ganz engen Zusammenhang.

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